Kingdom Hearts HD 2.8 Final Chapter Prologue26.01.2017, Mathias Oertel

Im Test: Zukunft trifft auf Vergangenheit

Seit 15 Jahren verwirrt Kingdom Hearts mit seiner komplexen und sich über mehrere Stränge, Hauptfiguren sowie Systeme erstreckenden Geschichte. Doch der Charme der Action-Adventure, in denen sich bekannte Helden von Disney und Square Enix ein Stelldichein geben, hat sich bis heute gehalten. Auch dank der Sammlungen, die mit Kingdom Hearts 2.8 HD Final Chapter Prologue auf PlayStation 4 den Übergang zu Teil 3 schaffen sollen. Im Test verraten wir, was in der Kompilation steckt.

Der Rest vom Fest

Eigentlich ist von veröffentlichten Spielen der Kingdom-Hearts-Serie nichts mehr übrig, um eine weitere Sammlung rechtfertigen zu können. Die im 1.5-Remix sowie 2.5.-Remix enthaltenen Spiele haben alle wesentlichen Veröffentlichungen zusammengefasst – oder wurden im Falle der ursprünglich auf Nintendo-Geräten veröffentlichten 358/2 Days sowie Re:coded als reine Videosequenzen zur Verfügung gestellt. Daher standen hier nur das 2012 auf 3DS erschienene Dream Drop Distance (4P-Wertung: 85%) sowie das 2013 als Browserspiel konzipierte, aber 2016 auch für iOS und Android erschienene Kingdom Hearts Unchained χ [chi] zur Auswahl. Die Wahl fiel schließlich auf Dream Drop Distance, das hier komplett spielbar und nicht nur in Videoform verfügbar ist. Und damit bricht man glücklicherweise mit der bisherigen Tradition der HD-Sammlungen. Doch was macht man mit zwei offenen Plätzen, um vor der lang ersehnten Veröffentlichung von Kingdom Hearts 3 auch aus dem letzten HD-Dreierpack das Bestmögliche herauszuholen?

Der etwa eine Stunde lange CG-Film Unchained Chi Back Cover wurde komplett mit der Unreal Engine 4 als Grafik-Fundament produziert.
Zum einen bedient man sich tatsächlich bei dem Mobilableger Unchained χ, nutzt diesen aber, um eine erzählerische Grundlage für einen etwa eine Stunde langen Film zu bilden. In Kingdom Hearts χ Back Cover wird mit der visuellen Qualität der in Teil 3 genutzten Unreal Engine 4 erzählt, wie es zu den Schlüsselschwert-Kriegen kam und die Basis für den Übergang zu den Ereignissen gelegt, die in dem PSP-Spiel Birth by Sleep thematisiert wurden. Das wiederum nutzt man mit der Episode 0.2: Birth by Sleep – A fragmentary Passage auch, um direkt an Dream Drop Distance anzuschließen und einen spielbaren Prolog zu Kingdom Hearts 3 zu liefern. Erzählerisch verlangt man dem Fan durch die vor allem in Episode 0.2 mit anderen Spielen überlappenden Storyfäden einiges ab. Doch im Gegenzug wird vor allem durch Back Cover einiges an Unklarheiten innerhalb der Serie beseitigt, während 0.2 die Neugier schürt und die immer noch nicht genau spezifizierte Wartezeit auf Teil 3 zu einer kleinen Qual macht. Back Cover und A Fragmentary Passage dürften wegen der Verwendung von Unreal Engine 4 übrigens der Grund dafür sein, dass diese HD-Sammlung nur auf der PlayStation 4 erscheint.

Dream Drop Distance ohne 3D

Man merkt an einigen Sequenzen, dass Dream Drop Distance für ein 3D-System optimiert wurde. Doch die Kernmechanik funktioniert auch auf PS4 gut.
Es hat auf dem 3DS wunderbar gepasst: Die Alliteration Dream Drop Distance reihte sich nahtlos in die vor allem auf dem Vorgänger-Handheld DS geprägte Tradition ein, das System, auf dem das Spiel erscheint, im Namen unterzubringen. Populäre Beispiele dafür sind u.a. Castlevania: Dawn of Sorrow oder Ninja Gaiden: Dragon Sword. Auf der PlayStation 4 von den ganzen 3D-Effekten natürlich nichts mehr übrig - wenngleich man bei einigen Mechaniken merkt, dass man konzeptionell vieles auf das Nintendo-Gerät abgestimmt hat. Apropos: Wenn es hier möglich ist, ein (3)DS-Spiel nicht nur mit Videosequenzen, sondern komplett abzubilden, wieso konnte man dies in den anderen Sammlungen nicht auch mit Re:coded oder 358/2 Days? Doch davon abgesehen, hat sich Dream Drop Distance auch ohne die gelegentliche Einbindung des Touchscreens seinen Charme bewahrt, der es auf 3DS zu einem Gold-Award führte. Denn natürlich bleiben die grundsätzlichen Qualitäten erhalten. Zwar hätte die eingängige Steuerung bei all ihren Ähnlichkeiten zu Episode 0.2 noch stärker in Richtung des Prologs getrimmt werden können. Aber man muss weder auf die stimmungsvolle Geschichte verzichten noch auf die spannenden Bosskämpfe oder die dynamischen Bewegungsoptionen, die von der Pad-Steuerung profitieren. Allerdings bleiben auch einige der Mankos bestehen wie die grundsätzlich zu unbelebten Gebiete oder die oberflächliche Pflege der als Helfer zur Verfügung stehenden Traumfänger.

Im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten scheint Square Enix das Maximum aus der HD-Umsetzung herauszuholen. Doch bereits damals bestehende Probleme wie schwache Mimik und insgesamt eher auf Dreidimensionalität denn auf visuelle Pracht abgestimmte Effekte wurden gar nicht bzw. nur wenig angefasst. Unter dem Strich pendelt es sich bei aller Meckerei aber in etwa auf dem Niveau der HD-Umsetzung der PSP-Version Birth By Sleep auf der PS3 ein, die Bestandteil von HD 2.5 war – was die PS4 allerdings technisch komplett unterfordert.  Apropos: Ende März sollen die bisher erschienenen Remix-Sammlungen auch auf Sonys aktuellem System erscheinen – aber wohl ohne zusätzliche technische Optimierungen. Das wiederum heißt im Rückschluss, dass man nur hier das komplette erzählerische Kingdom-Hearts-Erlebnis bekommt, bevor man mit Teil 3 erneut in das Königreich der Herzen zurückkehrt und mit Sora, Riku und zahlreichen Helden aus den Disney-Universen erneut den Kampf gegen die Dunkelheit aufnimmt. Denn natürlich besteht der Reiz der Serie, deren Produktion und erzählerische Kontinuität von Beginn an bis heute von Tetsuya Nomura geleitet wurde, auch daraus, wie bekannte Helden von Disney und Square mit den neuen aus Kingdom Hearts agieren. Dementsprechend kann man sich hier auf Abstecher u.a. in die Welten von Tron, des Glöckners von Notre Dame oder Fantasia freuen. Im Gegensatz zu den bisherigen Ablegern gibt es allerdings nur wenig Bezüge zu Final Fantasy. Stattdessen geben sich die Figuren des DS-Spiels The World Ends With You hier die Ehre - übrigens auch ein Titel aus der Feder von Nomura-San.

Mit Aqua auf dem Weg zu Teil 3

Mit Aquas Episode 0.2 bekommt man einen ersten Eindruck, wie Kingdom Hearts 3 mit der Unreal Engine 4 aussehen wird
Dass Episode 0.2: Birth by Sleep – A Fragmentary Passage erzählerisch vor allem für Einsteiger im Rahmen des Gesamtbilds verwirrend sein kann, habe ich eingangs bereits erwähnt. Die Ereignisse rund um die Hauptfigur Aqua schließen direkt an den PSP-Titel Birth by Sleep an. Allerdings wird die Zeitlinie hier auch so weit gebogen, wie es möglich ist, ohne den Faden zu verlieren, da man ebenfalls einen glaubwürdigen Anschluss an Dream Drop Distance und damit einen  Übergang zu nächsten "großen" Kingdom Hearts schafft, dessen Termin zum Testzeitpunkt immer noch nicht festgezurrt wurde. Doch viel wichtiger: Neben einem Ausblick auf die zu erwartende Kulisse, die hier von der Unreal Engine 4 aufgebaut wird, bekommt man einen Einblick in die modifizierte Kampfmechanik sowie erste Eindrücke von der frischen Personalisierung, die in dieser Form auch in Teil 3 halten dürfte, aber hier natürlich auf Aqua als Protagonistin abgestimmt wurde. Doch was man hier über mehrere Abschnitte und einige Stunden hinweg erleben darf, macht neugierig und stimmt hoffnungsvoll.

Die Kämpfe bestechen durch hohe Dynamik und schicke Effekte, haben aber trotz möglicher Zielaufschaltung auch traditionell Probleme mit der Kameraführung.
Das Kampfsystem z.B. ist so angenehm hektisch wie eh und je, wobei es traditionell trotz Zielaufschaltung immer noch zu Kameraproblemen kommen kann. Dafür jedoch hat man neue Angriffs-Möglichkeiten und Superattacken zur Verfügung, wobei es hilfreich ist, dass man Zauber jetzt über Tastenkombos mit L1 erreichen kann, anstatt wie z.B. bei Dream Drop Distance durchschalten zu müssen. Die Dynamik profitiert davon ungemein, was sich auch in den integrierten Bosskämpfen spüren lässt.  Von der neuen Engine wiederum profitieren vor allem die Umgebungen, was man auch in dem Film Back Cover sehen kann. Die sind zwar in diesem Prolog mit Ausnahme der Gegner ähnlich unbelebt wie (zu) viele andere Abschnitte innerhalb der Serienteile ungeachtet vom System, auf dem sie erschienen sind. Doch das fantasievolle Design, das hier z.B. in einer auf den Kopf gestellten oder zerstörten Cinderella-Welt, einem düsteren Wald oder einer Spiegelwelt mit zahllosen Prismen und anderen reflektierenden Glasflächen zum Leben erweckt wird, kann sich sehen lassen. Bei den Figuren geht man einen interessanten Weg: Man bleibt dem leichten Comic-Ansatz treu, der sich natürlich auch durch die Einbindung der Disney-Figuren ergibt, und bietet ausgefeiltere Animationen bzw. Mimik als bislang. Das wiederum steht teils in krassem Gegensatz zu den häufig realistisch wirkenden Kulissen. Doch zusammen mit den aufwändigen Effekten ergibt sich ein sehr stimmungsvolles Gesamtbild. Allerdings ist in manchen Momenten die Bildrate nicht ganz stabil.

Fazit

Der ersten verhaltenen Skepsis zum Trotz hat Square Enix mit Kingdom Hearts HD 2.8 Final Chapter Prologue nicht nur den Kandidaten für den bislang längsten Titel dieses Spielejahres, sondern auch ein interessantes Paket geschnürt, das den anderen HD-Remixes der Serie in nichts nachsteht. Allerdings wird Quereinsteigern dringend die Lektüre der erzählerischen Zusammenhänge empfohlen - oder aber die anderen Sammlungen, die Ende März nochmals gebündelt auf PS4 erscheinen. Angesichts der mechanisch gelungenen Umsetzung des 3DS-Titels Dream Drop Distance fragt man sich zwar, wieso in den anderen Sammlungen die DS-Titel nur in Videoform vorliegen, während der Sprung von einer mobilen auf eine aktuelle Konsolenplattform technisch eher bieder, aber dennoch stimmungsvoll bleibt. Doch zusammen mit der visuell opulenten Episode 0.2, die es tatsächlich schafft, sich erzählerisch zwischen Birth by Sleep sowie Dream Drop Distance zu mischen und gleichzeitig als Übergang zu Teil 3 fungiert sowie dem etwa einstündigen Film Unchained Chi Back Cover gibt es erzählerisch eines der interessantesten Kingdom-Hearts-Pakete. Vor allem der komplett mit der Unreal Engine 4 inszenierte CG-Streifen kann mit seinen Einblicken auf die Entstehung der Schlüsselschwert-Kriege einige Unklarheiten beseitigen, die sich durch andere Episoden ziehen. Und der Rest lebt von den gewohnt dynamischen Kämpfen und dem seit nunmehr 15 Jahren ungebrochen Reiz, den das Verbinden von Universen und Figuren von Disney mit denen von Square Enix ausübt.

Wertung

PlayStation4

Gelungene Sammlung als alten und neuen Kingdom-Hearts-Elementen, die als idealer Übergang zu Teil 3 fungiert; für Quereinsteiger in die Serie erzählerisch allerdings nicht einfach nachzuvollziehen.

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