Everybody's Golf20.09.2017, Benjamin Schmädig

Im Test: Gewohnt gut

Ach, schön: Everybody’s Golf. Seit mehr als zehn Jahren eine regelmäßige Konstante in meiner Spielewelt. Besser kann man keine Birdies und Eagles schlagen, so man sich nicht in die Tiefen einer Simulation begeben will! Die Spiele haben sich seit ihrem Bestehen auf der ersten PlayStation im Wesentlichen zwar kaum verändert – das tat dem Spaß in unserem aktuellen Test allerdings keinen Abbruch.

Golf für jedermann

Den Schlag beginnen, die Stärke festlegen, die Genauigkeit bestimmen: Drei Tastendrücke reichen, um einen Schlag auszuführen. Rein freiwillig ist das gleichzeitige Halten einer oder mehrerer Richtungstasten, um dem Ball dabei Drall zu verleihen. Das alles ist im Grunde denkbar einfach, weil man besonders in den ersten Stunden mit spielender Leichtigkeit auf Par spielt.

Für durchgehend präzise Schläge, also brauchbare Ergebnisse in späteren Turnieren und vor allem gegen menschliche Kontrahenten, benötigt man aber ein zuverlässiges Timing sowie ein gutes Auge für den idealen Schläger sowie die richtige

Wer die Serie kennt, kennt auch das neue Everybody's Golf (ab 8,02€ bei kaufen).
Platzierung der Schlagrichtung. Schließlich wird der Ball bei starkem Wind ebenso abgetrieben wie er von Beginn an eine andere Richtung einschlägt, wenn er auf einer Schräge liegt. Zusätzlich kann man dem Ball z.B. so viel Drall verleihen, dass er nach dem Aufkommen noch ein Stück zurückrollt – auf diesem Weg entstehen tolle Chip-ins. Klasse, dass Everybody’s Golf nach wie vor ebenso zugänglich ist wie es fordernd sein kann!

Weniger modern, aber anspruchsvoller

Und endlich wählt man in der Karriere jetzt vor jedem Turnier, ob man es auf dem normalen oder einem höheren Schwierigkeitsgrad austragen möchte. Das ist toll. Ärgerlich ist nur, dass es keine weitere Stufe gibt, denn auch so habe ich die meisten Turniere der ersten Stunden mit großem Abstand gewonnen. Später ziehen die Herausforderungen zwar an,

Grafisch reißt Everybody's Golf keine Bäume aus. Stilistisch wirkt es sogar weniger prägnant als zuletzt auf PlayStation 3 und Vita.

Wer eine PlayStation 4 Pro besitzt, kann das Spiel immerhin in einer Auflösung von 4K spielen oder sich dazu entscheiden, es mit 60 anstatt 30 Bildern laufen zu lassen.

Manche Symbole scheinen dabei weiterhin nur 30-mal pro Sekunde aktualisiert zu werden, da sie sich trotz des sonst flüssigen Ablaufs holprig durchs Bild bewegen. trotzdem könnte das Spiel seine Kenner stärker fordern.

Schade übrigens, dass es statt der auf PS3 eingeführten und auf Vita verbesserten modernen Schlaganzeige wieder nur den klassischen Balken gibt. Abgesehen davon kann man nach einem Schlag nicht ganz so schnell wie bisher zum nächsten springen und es fehlen Kameraperspektiven, mit der man die Flugbahn so genau wie zuletzt beobachten konnte. Ich vermisse außerdem wenigstens einen besonders vertrackten Kurs.

Alleskönner statt Experten

Eine große Neuerung ist die Wahl des Charakters, denn zum ersten Mal wählt man nicht einen vorgefertigten Golfer, um nach und nach weitere freizuschalten, sondern baut im handlichen Editor eine eigene Figur, die anschließende sowohl online als auch offline Karriere macht. Ihre Fähigkeiten entwickelt man durch kraftvolle und gut platzierte Schläge, denn nach solchen erhält man Erfahrungspunkte für Weite, Genauigkeit oder Spin, die automatisch dem verwendeten Schlägertyp gutgeschrieben werden.

Nach und nach werden diese also besser und obwohl ich das Prinzip Learning-by-doing mag, liegt hier die größte Schwäche der neuen Charakterentwicklung: Individuelle Spieler mit ganz bestimmten Stärken und Schwächen gibt es im Grunde nicht mehr. Vielmehr ist es jetzt nur noch eine Frage der Zeit, bis man mit einem tollen Allrounder aufs Tee tritt.

Das Verschwinden der Bälle

Individualisierung findet nur über die Wahl von Schläger und Ball statt, denn beide begünstigen zumindest im Kleinen unterschiedliche Spielweisen. Seltsam nur, dass Bälle mit besonderen Eigenschaften neuerdings Verbrauchsgegenstände sind,

Enthielt Everybody's Golf auf PS2 noch 15 Kurse, waren es auf PS3 und Vita nur noch sechs, während es in der aktuellen Ausgabe sogar lediglich fünf sind.

Einen Beigeschmack hat der aktuelle Rückgang, weil ganze zwei Plätze vom Start weg als Downloadinhalt zum Kauf angeboten werden. die man für erspieltes Geld kaufen oder als zufälliges Geschenk erhalten muss. Zwar ist das Preisgeld ausreichend hoch, gerade deshalb erschließt sich mir der Sinn des Systems allerdings nicht ganz. Mal ganz davon abgesehen, dass ich das ständige Nachfüllen mehr als Schikane denn motivierenden Anreiz oder gar Herausforderung empfinde.

Geärgert habe ich mich anfangs außerdem über die mitunter miserable Präzision meines Alter Egos, obwohl ich den Ball perfekt getroffen hatte. Das hat mit den niedrigen Startwerten für die verschiedenen Schläger zu tun und spielt später kaum noch eine Rolle. Dennoch sollte auch zu Beginn ein perfekt getroffener Ball zumindest nicht weitab in einem Bunker landen.

Immer auf dem Platz

Ein gewöhnliches Hauptmenü gibt es in diesem Everybody’s Golf übrigens nicht. Stattdessen startet man auf einer kleinen Insel, deren Gäste nicht nur hilfreiche Tipps geben, sondern von wo aus man neben freien Spielen auf freigeschalteten Golfplätzen auch Turniere und Duelle startet, um in der Karriere aufzusteigen. Oder aber man beginnt eine Multiplayer-Sitzung...

Online trifft man sich zum schnellen Wettkampf oder gemütlichen Abschlag.

... für die man zwei Möglichkeiten hat. Nummer eins: Man spielt in einem von zwei Teams um Punkte. Dabei beginnen alle Teilnehmer an derselben Stelle und sprinten nach dem Startschuss in beliebiger Reihenfolge zu den in dem Wettstreit vorhanden Tees, um möglichst oft möglichst gute Ergebnisse zu erspielen. Das ist mir insgesamt etwas zu hektisch, macht aber durchaus Laune.

Der gemütliche Online-Abschlag

Nummer zwei: Man betritt einen beliebigen Golfplatz, um sich dort in aller Ruhe umzusehen. Gemeinsam mit anderen Spielern sucht man Kleidungsstücke fürs Alter Ego oder Münzen, um besagte Golfbälle zu kaufen. Letztere erhält man gelegentlich auch beim Angeln (richtig gelesen) oder kauft sie wie gesagt mit Preisgeldern.

Deshalb und weil das erquickliche Erkunden auf Dauer nur mäßig unterhaltsam ist, habe ich lieber meinen Abschlag oder das Putten trainiert; schließlich kann man sich jederzeit auf einen Tee stellen und loslegen. Das Ergebnis wird in Ranglisten festgehalten – so nimmt man auch ohne den zuvor beschriebenen Modus am Online-Wettstreit teil.

Fazit

Everybody’s Golf ist, was es ist und das ist gut so. Es spielt sich nach wie vor hervorragend und motiviert diesmal nicht nur mit einer Karriere, sondern auch einer umfassenden Multiplayer-Anbindung. Besonders im freien Online-Spiel habe ich mich dabei wohl gefühlt. Die Charakterentwicklung gefällt mir allerdings weniger, weil man ganz automatisch einen gewöhnlichen Allrounder trainiert, anstatt zwischen Figuren mit speziellen Fähigkeiten zu wählen. Und auch die Tatsache, dass man Bälle mit besonderen Eigenschaften nach jeder Partie nachkaufen muss, stört den Spielfluss. Im Gegenzug macht das Gestalten und Einkleiden der eigenen Figur aber Spaß und als halbwegs erfahrener Digital-Golfer freue ich mich über den zumindest etwas anspruchsvolleren optionalen Schwierigkeitsgrad. Über sich selbst wächst die Serie auf PlayStation 4 wahrlich nicht hinaus. Die gewohnt gute Klasse hält sie aber allemal.

Pro

einfaches Schlagen und Putten mit vielen Kniffen für erfahrene Spieler
überzeugende Physik
verschiedene Schlägertypen und Bälle zum Individualisieren...
eigenen Charakter gestalten und mit etlichen Kleidungsstücken ausstaffieren
freies Umherlaufen und Spielen auf Online-Golfplätzen
regelmäßige kleine Herausforderungen und Belohnungen
unterhaltsames Teamspiel für bis zu 20 Teilnehmer

Kontra

keine spezialisierten Charaktere
nur noch fünf statt zuletzt sechs Kurse
... besondere Bälle aber nur eine Partie lang verwendbar
keine besonders kniffligen Kurse
unsinniges Pakete
und Münzensammeln auf Online-Kursen

Wertung

PlayStation4

Hervorragend spielbares Arcade-Golfen mit überzeugender Physik und gelungener Online-Anbindung - aber auch einer eingeschränkten Charakterentwicklung.

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