Outlast 202.05.2017, Michael Krosta

Im Test: Das Spiel mit der Angst

Der Überraschungshit Outlast leistete mit Nerven zerfetzender Spannung sowie panischen Flucht- und Schockmomenten einen wertvollen Beitrag zur Wiederauferstehung des Survival-Horrors. Jetzt will Red Barrels mit einer Fortsetzung nachlegen und einmal mehr für Angstschweiß hinter der Kameralinse sorgen: Besteht bei Outlast 2 wieder Herzinfarkt-Risiko oder kann man sich die Windeln sparen?

Absturz in Arizona

Dieses Mal stellt man sich mit dem Reporter Blake Langerman dem alptraumhaften Wahnsinn, der mit dem Absturz eines Helikopters und der Entführung seiner Frau Lynn durch religiöse Fanatiker beginnt, im Laufe der etwa neun bis elfstündigen Kampagne aber zunehmend groteske Züge annimmt. Denn die Grenzen zwischen grausamer Realität und surrealen Flashbacks in die Schulzeit des Protagonisten verschwimmen immer stärker verschwimmen.

Was es mit dem christlichen Kult und den rivalisierenden Heretikern in dem abgelegenen Areal im südlichen Arizona auf sich hat und was mit einem Mädchen namens Jessica vorgefallen ist, setzt man vor allem durch den Fund von Dokumenten sowie einer Art "Video-Tagebuch" Stück für Stück zusammen. Zusammen mit kurzen Zwischensequenzen und weiteren Erkenntnissen wird die Geschichte leider sehr wirr erzählt und viel zu häufig, wenn auch jedes Mal mit einem coolen Überraschungsmoment, springt die Handlung zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Zwar war man bei Red Barrels sichtlich bemüht, eine spannende Story mit Potenzial für Diskussionen zu erzählen und sogar einen kleinen Bogen zum Vorgänger zu schlagen, doch hapert es bei der Umsetzung. Zumal es mit ein bisschen Menschenverstand manchmal schwer fällt, bestimmte Situationen und Reaktionen von Figuren nachzuvollziehen. Die eher schwache Sprecher-Leistung des Protagonisten trägt ihren Teil dazu bei, weil sie sich zu oft zwischen einem schockierten Over-Acting und einer fragwürdigen Gelassenheit bewegt, dabei aber fast immer künstlich aufgesetzt wirkt. Wie schon im Vorgänger hat man sich außerdem eine deutsche Sprachausgabe gespart, doch können zumindest die übersetzten Texte überzeugen. Da häufig parallel gesprochen wird, sei es aufgrund von

Die Einblicke, welche die Nachtsicht der Kamera gewährt, sind nicht unbedingt beruhigend.
Lautsprecherdurchsagen oder mehreren anwesenden Personen, fällt es zudem schwer, das alles in den Untertiteln zu verfolgen, die stellenweise gar nicht erst angezeigt werden oder im umgekehrten Fall den Bildschirm regelrecht zukleistern. Ich habe die Option jedenfalls schnell wieder deaktiviert.         

Kamera statt Waffenarsenal

Nach dem Erfolg von Outlast ist es keine große Überraschung, dass die Entwickler am Großteil der Mechaniken und Spielelemente festhalten: Der Camcoder wird erneut zum besten Freund des Spielers, wenn er sich mit Hilfe der energiehungrigen Nachtsicht durch die Finsternis bewegt oder die Umgebung mit Hilfe der Zoom-Funktion etwas genauer inspiziert. Das wird man vor allem dann feststellen, wenn man manche Passagen ohne den elektronischen Begleiter durchstehen muss. Neuerdings lässt sich auch ein Mikrofon aktivieren, mit dessen Hilfe man die Präsenz von Gegnern durch ihr ständiges Gemurmel oder andere Geräusche selbst dann orten kann, wenn man sie nicht sieht. Besonders ein Abschnitt wird sicher in Erinnerung bleiben: Nach dem Ausfall der Nachtsicht muss man sich einzig von einer Stimme durch die Dunkelheit leiten lassen, in der man nicht einmal mehr die Hand vor Augen sieht. Das ist ein großartiger Moment, der vor allem deshalb so heraussticht, weil ansonsten fast nur der hinlänglich bekannte Wechsel aus kleinen Schleicheinlagen, der Suche nach nötigen Gegenständen und hektischen Fluchtsequenzen wartet.

Was ist damals in der Schule vorgefallen?
Dabei treiben einen vor allem Letztere mit ständigem Trial&Error sowie gefühlt 1000 Toden häufig an den Rand des Wahnsinns. Klar gab es das auch schon im Vorgänger, aber hier wirken die erbarmungslosen Hetzjagden im Vergleich noch mehr wie ein Glücksspiel und damit viel frustrierender. Oft wird man bewusst von den Leveldesignern in die Falle geführt: Die meist bewährte Flucht nach vorne erweist sich zwischendurch als tödliche Sackgasse und man muss sich Alternativen überlegen. Im Vergleich zum ersten Teil muss man hier wesentlich häufiger die Beine in die Hand nehmen. Zwar werden vom Kleiderschrank über Fässer bis hin zum Kriechen unters Bett mehr als genug Möglichkeiten zum Verstecken geboten, doch wurde der Schleichaspekt zugunsten der Fluchtabschnitte deutlich zurückgefahren. Als Folge dessen wird man viel öfter direkt mit den Gegnern konfrontiert, die sich bis auf ein paar wenige Spezialexemplare leider kaum voneinander unterscheiden. Wie im Vorgänger ist man meist dazu verdammt, die Pazifistenschiene zu fahren, denn obwohl die Umgebung oft geradezu danach schreit, Schaufeln oder andere Gebrauchsgegenstände für eine effektive Gegenwehr zu missbrauchen, klammert sich Blake lieber weiter an seiner heiligen Kamera fest und kassiert Prügel. Nur in seltenen Fällen kann man Angreifer mit einem kleinen Reaktionstest wegschubsen oder die Attacken abwehren – warum nicht häufiger?  

Keine Zeit für Pflaster

Zwar darf man neben den wichtigen Batterien auch bis zu drei Bandagen im Inventar verstauen, um seine Verletzungen wieder zu kurieren. Doch praktisch fehlt im Eifer des Gefechts oder während der hektischen Flucht schlichtweg die nötige Zeit, um die Wunden zu versorgen. Das hat Capcom bei Resident Evil 7 besser gelöst, wo man auch während des Laufens die desinfizierende Flüssigkeit für die Heilung anwenden kann. Hier ist als Folge dessen die Mechanik über weite Strecken unbrauchbar, weil man vor dem Anlegen des Verbands bereits das Zeitliche segnet, denn viel einstecken kann Blake nicht. Das gilt vor allem für die zwischendurch immer wieder auftauchenden Boss-Kreaturen, bei denen oft schon die kleinste Berührung zum Tod führt. Immerhin wird der letzte Spielstand sowohl auf dem PC als auch den Konsolen flott geladen, doch sorgen in manchen kritischen Abschnitten die unglücklich platzierten Checkpunkte für zusätzlichen Frust, weil sie zu weit auseinanderliegen und man deshalb einige bereits gemeisterte Stellen erneut überstehen muss. Schon der normale Schwierigkeitsgrad hat es in sich. Auf höheren Stufen  ist man durch die Reduzierung der Batterien und Bandagen noch hilfloser dem Wahnsinn ausgeliefert. Hier zählt dann jede Sekunde, in der die Nachtsicht zur Verfügung steht. Oft muss man sich dagegen notgedrungen durch

Gollum? Bist du das?
die Dunkelheit tasten. Dadurch wird es gleichzeitig noch schwieriger, die ohnehin oft frustrierenden Fluchtabschnitte im ersten Anlauf zu schaffen. Selbst das Mikrofon liefert keine nützliche Orientierung mehr, sobald die Akkus leer sind.

Einmal durchatmen, bitte

Zwischen Hetzjagd und Schleichen darf der Puls bei der Erkundung inklusive kleiner Sprung- und Klettereinlagen wieder etwas zur Ruhe kommen. Nur wenn man sich genau umschaut, wird man all die zum Teil gut versteckten Dokumente finden und immer genügend Batterien sowie Verbände in den Taschen haben. Wirklich sicher fühlt man sich trotzdem nur selten: Das liegt zum einen daran, dass man gefühlt alle paar Meter auf furchtbar massakrierte Leichen trifft oder anderen Ekel-Situationen verdauen muss. Wie schon im Vorgänger inszeniert Red Barrels den Horror erneut absolut schonungslos! Das hier ist definitiv nichts für zart besaitete Naturen. Zum anderen nutzen die Entwickler die Ruhephase gerne dafür, um sie mit wohl dosierten Schockmomenten wieder zu beenden.

Atmosphärisch top

Die stimmungsvollen Kulissen tragen ihren Teil zur spannenden Atmosphäre bei.
Die Atmosphäre von Outlast 2 ist ähnlich beklemmend und intensiv wie die des Vorgängers. Das ist zum einen den stimmungsvollen Schauplätzen zu verdanken, die im Gegensatz zum ersten Teil mit seiner Nervenheilanstalt hier mehr in nächtlichen Außenarealen angesiedelt sind und sich von dunklen Wäldern über Gebirgsketten und kleine Hütten-Siedlungen bis zu einem verwinkelten Minenlabyrinth tief unter der Erde erstrecken. Nicht zu vergessen der religiös motivierte Wahnsinn, der innerhalb der Kulissen immer wieder durch eine entsprechende Symbolik hervorgehoben und mitunter auf krankhafte Weise zur Schau gestellt wird. Es ist z.B. eine starke Bildsprache, wenn es in einem Dorf Blut aus den dichten Wolken regnet. Hinzu kommen die Flashback-Abstecher ins Schulgebäude, die nicht nur für Abwechslung, sondern auch einen angenehmen Kontrast sorgen. Obwohl die Areale künstlich eingeschränkt werden, wird mit Hilfe der Unreal Engine zum Teil eine enorme Weite der Landschaft suggeriert. Manchmal genießt man sogar eine größere Bewegungsfreiheit als es der erste Blick offenbart, da sich viele der Hütten betreten lassen und sich hinter unscheinbaren Pfaden alternative Routen oder gar versteckte Areale verbergen können. Dazu wirkt die Kulisse enorm stimmig, angefangen bei den eher kalten Farben im Kunstlicht innerhalb der Schule über die erfreulich detailreichen Texturen bis hin zum feinen Grieselfilter und der atmosphärischen Beleuchtung. Outlast 2 sieht trotz der auffälligen Wiederverwertung von Objekten richtig schick aus – vor allem dann, wenn man auch mal ohne die Nachtsicht mit ihrem typischen Grünstich etwas erkennen kann, was leider zu selten der Fall ist! Dabei läuft alles in butterweichen  60 Bildern pro Sekunde über die Mattscheibe, wovon auch die reaktionsfreudige Steuerung profitiert, die nur beim Festhängen an kleinen Hindernissen manchmal unglücklich ausgebremst wird und auch in einer furchtbar öden, weil künstlich gestreckten Floß-Abfahrt nicht gut funktioniert.   

In direkten Auseinandersetzungen zieht man meist den Kürzeren. Doch auch die Flucht birgt viel Potenzial für tödliche Fehler.
Wirklich getragen wird die fantastische Atmosphäre aber hauptsächlich von der exzellenten Akustik, die mit zum Besten gehört, was das Horror-Genre derzeit zu bieten hat. Seien es die wilden Schreie der Verfolger, das Knarzen von Türen oder das panische Atmen des Protagonisten: Hier sorgt alleine die bedrohliche Klangkulisse für Gänsehaut und Angstschweiß! Dazu gesellt sich eine professionelle Abmischung mit glasklaren Aufnahmen, einer hervorragenden Präsenz der Surround-Lautsprecher und großartiger Dynamik. Daher ein ganz großes Lob an den Sound-Designer von Red Barrels! Für den Komponisten des Soundtracks fällt dieses nur unwesentlich kleiner aus, denn sowohl die treibenden Klänge bei Verfolgungsjagden als auch die tiefen Bässe und Streicher, die mit ihrem anschwellenden Tremolo oder dissonanten Arrangements den Spannungsbogen auch musikalisch abbilden, fangen die jeweils angestrebte Stimmung und Atmosphäre nahezu perfekt ein.  

Wenn der Horror seinen Schrecken verliert

Trotz seiner unbestreitbaren Qualitäten rockt und schockt Outlast 2 nicht mehr so sehr wie der erste Teil. Das hat gleich mehrere Gründe: Zum einen wirkt das Horror-Konzept mit Videokamera nicht mehr so frisch wie damals und die Entwickler haben es einfach verpasst, dem Konzept neue Facetten hinzuzufügen – die durchaus coole Mikrofon-Funktion alleine reicht da einfach nicht aus. Zum anderen nagen die vielen Fehlversuche auf der Flucht an der Motivation, um sein Leben zu bangen. Wenn man schon 20 Mal gestorben ist, wird ein weiterer Tod auch egal. Aber es ist vor allem die Spielzeit, durch die der Horror-Trip an Faszination einbüßt. Was im ersten Moment paradox klingt, ist vor allem bei Horror-Spielen ein kritisches Element: Schon im ersten Teil hat der Überlebenskampf zunehmend an Schrecken verloren – auch deshalb, weil man den Ablauf kaum noch mit neuen Mechaniken oder Gegnertypen bereicherte. Outlast 2 leidet unter dem gleichen Problem, schnell in einem gewissen Trott zu landen. Doch aufgrund der längeren Spielzeit setzt der Effekt schon viel früher ein und zieht sich entsprechend länger hin.

Angst und Horror verlieren zunehmend ihren Schrecken - auch deshalb, weil sich das Spielprinzip mit der Zeit abnutzt.
Zwar gibt es wieder die besagten Situationen, die man ohne Kamera überstehen muss und auch die Schauplatzwechsel tragen zu einer gewissen Abwechslung bei, aber das alleine reicht einfach nicht aus, um die mangelnden Variationen bei Rätseln und im Spielverlauf zu kaschieren... Horrorspiele wie Resident Evil 7 oder Dead Space funktionieren vor allem deshalb über einen längeren Zeitraum, weil sie immer wieder frische Facetten liefern, die den Spieler bei der Stange halten und motivieren. Genau diese wichtige Zutat fehlt Outlast 2. Stattdessen klappert man gefühlt ständig die gleichen Aufgaben und Locations ab (finde dies, finde das) oder rennt - zunächst meist erfolglos - um sein Leben. Von daher wäre weniger Spielzeit hier mehr gewesen und man hätte sich die letzten paar Stunden nach vielen überflüssigen Streckungen nicht zum durchaus gelungenen sowie diskussionswürdigen Finale quälen müssen.

Fazit

Müsste ich meine intensivsten Horror-Erlebnisse aufzählen, stünde Outlast sehr weit oben auf der Liste. Sich mit der Nachtsicht-Kamera durch die düsteren Schauplätze zu zittern, mit rasendem Puls und Schnappatmung unter einem Bett zu kauern oder eine schreiende Meute von wahnsinnigen Verfolgern abzuschütteln, war schon ein besonderer Kick. Und den erlebt man in den ersten Stunden auch hier: Outlast 2 begeistert ebenfalls mit einer enorm beklemmenden Atmosphäre, die nicht nur von der düsteren Kulisse und der schonungslosen Darstellung, sondern in erster Linie von der exzellenten Akustik getragen wird, die mit zum Besten gehört, was das Horror-Genre derzeit zu bieten hat. Red Barrels versteht es erneut, vor allem mit audiovisuellen Mitteln eine enorme Spannung zu zelebrieren! Leider wird das aufregende Versteckspiel zu häufig von eingestreuten Fluchtsequenzen abgelöst, die meist von frustrierendem Trial & Error geprägt sind. Darüber hinaus verliert der Horror aufgrund der künstlich gestreckten Spielzeit, mangelnder Gegnervielfalt und gleichzeitiger Abnutzung der redundanten Mechaniken zunehmend seinen Schrecken. Neue Elemente wie das Kameramikrofon oder die coolen Schauplatzwechsel können nicht verhindern, dass man früher oder später in einem gewissen Trott versinkt und irgendwann nur noch darauf hofft, dass die etwas wirr erzählte Geschichte bald an ihrem Ende ankommen möge.

Pro

enorm beklemmende Atmosphäre
viele dramatische Fluchtsequenzen...
wohl dosierte und effektive Schockmomente
viele Versteckmöglichkeiten...
ansprechende Kulisse
Videokamera als gelungenes Spiel- und Story-Element
immersive Kamera-Nachtsicht mit Batterieverbrauch
Kameramikrofon ist eine gelungene Ergänzung
sehr flüssige Darstellung und reaktionsfreudige Steuerung
Schauplatzwechsel mit coolen Überraschungsmomenten
überragende, atmosphärische Akustik und hervorragende Abmischung
angenehm kurze Ladezeiten
schonungslose Darstellung
Durchatmen bei Erkundung mit Kletter- und Sprungsequenzen

Kontra

kaum Neuerungen
...die viel zu oft im nervigen Trial&Error enden
Gegnervielfalt lässt zu wünschen übrig
...die man kaum noch nutzen muss
wirre Story
Gegenwehr nur sporadisch möglich
Horror-Elemente und Angst nutzen sich spürbar ab
Checkpunkte liegen teilweise arg weit auseinander
Versorgung von Wunden kaum rechtzeitig möglich
keine deutsche Sprachausgabe
nur durchschnittliche (englische) Sprecher
simple Rätsel laufen meist nach gleichem Muster ab (Suche & Finde)
künstlich gestreckte Spielzeit (z.B. durch zähe Floß-Sequenz)

Wertung

PC

Outlast 2 ist in seinen besten Momenten eines der intensivsten Horror-Erlebnisse, tritt mechanisch aber zu sehr auf der Stelle und frustriert mit zu häufigen sowie übertriebenen Trial&Error-Passagen.

PlayStation4

Outlast 2 ist in seinen besten Momenten eines der intensivsten Horror-Erlebnisse, tritt mechanisch aber zu sehr auf der Stelle und frustriert mit zu häufigen sowie übertriebenen Trial&Error-Passagen.

XboxOne

Outlast 2 ist in seinen besten Momenten eines der intensivsten Horror-Erlebnisse, tritt mechanisch aber zu sehr auf der Stelle und frustriert mit zu häufigen sowie übertriebenen Trial&Error-Passagen.

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