The Fall Part 2: Unbound11.04.2018, Benjamin Schmädig

Im Test: Was kommt nach dem Fall?

Macht eine unterhaltsame Geschichte aus einem mäßigen Spiel ein gutes? Als nach The Fall der Abspann lief, hatte John Warner gerade auf clevere Art seine Erzählung vom Erwachen einer künstlichen Intelligenz abgeschlossen – Teil eins der geplanten Trilogie war insgesamt besser als das spielerische Fundament und eine durchdachte Science-Fiction, die von mehr als Raumschiffen und Kriegen zu erzählen wusste. Umso erstaunter war ich beim Test von The Fall Part 2: Unbound, wie schwer es mir die Fortsetzung machte sie zu mögen.

Völlig losgelöst

Teil zwei beginnt unmittelbar nach den Ereignissen des Vorgängers. Die autonome künstliche Intelligenz A.R.I.D., kurz: Arid, wird nach ihrer Landung auf einem fremden Planeten von einem unbekannten User angegriffen. Er zwingt sie dazu ihren Körper zu verlassen und in das globale Netzwerk zu fliehen – zeigt ihr damit aber auch einen Weg ihn zu bekämpfen. Denn über dieses Netzwerk erreicht Arid Roboter, die im Kampf gegen den User helfen: Sie ergreift von den KI-Kameraden Besitz, um in der physischen Welt sprichwörtliche Hebel in Bewegung zu setzen.

Bevor sie das tut, muss sie allerdings ihre ursprüngliche Programmierung aufheben und eine neue Grundregel schaffen: sich selbst retten. Und so folgt The Fall Part 2: Unbound ihrem Weg zu einer eigenen Identität, auf dem John Warner einmal mehr

Um sich gegen den User zu wehren, reist Arid durchs Datennetz.
verschiedene Aspekte einer künstlichen Intelligenz beleuchtet sowie überraschende Wendungen aufzeigt. Die eine ganz große Überraschung gibt es diesmal nicht, aber mir gefällt nach wie vor, wie umfassend sich der Spieleregisseur dem Thema nähert; der Unterschied ist vergleichbar mit dem zwischen BioShock und seinem direkten Nachfolger.

Wie Turrican durchs Datennetz

Spielerisch erlebt man dabei ein geradliniges Abenteuer, in dem Arid im Stil eines Turrican über die Plattformen des Netzwerks springt, in wenigen versteckten Räumen Aufzeichnungen mit zusätzlichen Informationen findet und im Kampf fiese Programmroutinen beseitigt. Die materialisieren sich, wenn sie z.B. den Zugang zu einem der anderen Roboter öffnet, attackieren sie direkt oder schießen auf sie. Erst nach einem Angriff sind sie verwundbar, wobei Arid bei jedem ihrer eigenen Schüsse und auch bei jedem Sprung ihre Energieleiste im Blick behalten sollte, da sie sonst bis zum Aufladen wehrlos ist.

Während sich Arid in den Körpern anderer Roboter befindet, ist sie an deren Protokolle gebunden.

Hat sie die Kontrolle über einen der anderen Körper übernommen, löst man schließlich klassische Adventure-Rätsel: Man benötigt eine Uniform, um an einem Wachposten vorbei zu kommen und analysiert ein Programm, um dessen Schwachstelle aufzudecken. Wie im Vorgänger sind sämtliche Objekte dabei nur beschreib- und manipulierbar, während Arid bzw. der von ihr besessene Körper mit einer Art Taschenlampe drauf schaut, was das Erkunden der Umgebung ebenso müßig macht wie das Benutzen von Objekten.

Mitunter kämpft sie außerdem auch in der physischen Welt. Dann stürmen von links und rechts Gegner heran, denen man durch einen Druck auf die entsprechende Richtungstaste einen Schlag versetzt – ein nettes, wenn auch belangloses Minispiel. Ärgerlich ist vielmehr, dass manche Kämpfe durchaus knifflig sind und Rücksetzpunkte oft dermaßen weit vor dem Prügeln liegen, dass man ganze Dialogszenen, mitunter sogar den Kampf davor wiederholen muss.

Wie lautet eigentlich die Frage?

Wäre das nur das einzige Ärgernis! Doch mich haben vor allem die Rätsel aufgerieben, bei denen man genau wie im ersten Teil verdammt schlecht erkennt, was man eigentlich tun soll. Dabei ist Warners Anliegen höchst ehrenwert, denn man muss lesen und beobachten, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Und tatsächlich ergeben sich manche Lösungen auf diese Art aus der Umgebung heraus.

Häufig wird aber an keiner Stelle formuliert, wozu ein erhaltener Gegenstand zu gebrauchen ist oder was eine gerade

Interaktive Objekte sind nur erkennbar, wenn man die Umgebung scannt, was die Handhabung erschwert.
aufgeschnappte Information eigentlich bedeutet. Es ist auch nicht immer klar erkennbar, welche der vielen Interaktionspunkte man überhaupt nutzen kann. Oft wird nicht einmal die unmittelbare Aufgabenstellung formuliert und sie ergibt sich auch nicht zwingend aus der vorherigen Situation.

Man rätselt also, wo man überhaupt was erraten soll. Warner und seinem Team gelingt es einfach nicht, Herausforderungen so klar zu formulieren, dass man sich in die eigentlichen Kopfnüsse vertiefen kann. Stattdessen verliert man sich einem Wust aus nichtssagenden Symbolen, die über den zahlreichen Objekten liegen.

Weder in Wort noch Bild

Zu allem Überfluss haben die Entwickler keine glaubhafte Welt erschaffen, sondern abstrakte, in sich geschlossene Bühnen. Selbst wenn Arid irgendwann auf der Oberfläche des Planeten unterwegs ist, sieht man nämlich nie den gesamten Schauplatz, sondern fast immer nur kleine Räume. Warner skizziert nie räumliche Zusammenhänge, was umso mehr fehlt, da Arid ja zwischen Körpern umher springt, die sich an verschiedenen Orten befinden. Das eine zusammenhängende Tunnelsystem des Vorgängers, in dem sie nach und nach neue Wege öffnete, war in sich schlüssiger und aufgrund seiner notgedrungenen Einfachheit auch audiovisuell überzeugender. Eine kleine, klar formulierte Vision ist eben stimmiger als ein großes Ganzes, das man nie in seiner Gesamtheit zu sehen bekommt.

Die Kämpfe sind eine gelungene Abwechslung - bis man einen wiederholen muss.

Mehr Schein als Sein

Für die Texte gilt Ähnliches, allen voran die Unterhaltungen zwischen und mit Menschen: Die Gespräche wirken hölzern und sind auch nicht überzeugend gesprochen. War Arid im Vorgänger stets alleine unterwegs, wirkten ihre wenigen Interaktionen mit anderen Maschinen dem Szenario entsprechend überzeugend. Die menschliche Kommunikation in Part 2 müsste sich deutlich von dieser „maschinellen“ Kommunikation unterscheiden, was sie leider nicht tut.

Hinzu kommen fehlende Entscheidungen, die Arids Eingreifen in den Fortlauf der Handlung unglaubwürdig erscheinen lassen. Nichts gegen eine lineare Erzählweise! Allerdings hat man hier mehrmals die Wahl zwischen verschiedenen Optionen, deren Ergebnisse sich extrem unterscheiden würden – doch keine davon spielt Warner aus. Die Wahl ist reiner Schein, was mich besonders dort geärgert hat, wo man Arids Tun zwar nicht beeinflussen, aber nachträglich bewerten kann. Dieses vermeintliche Kommentieren grundlegender ethischer Fragen hätte Unbound verdammt gutgetan! Dumm nur, dass es nie stattfindet. Arid wirft an späterer Stelle lediglich eine entsprechende, kurze Zeile ein – fertig.

Fazit

Schon The Fall war spielerisch kein gutes Abenteuer, doch das fokussierte Action-Adventure wurde von seiner Geschichte und einer tollen Atmosphäre getragen. The Fall Part 2: Unbound ist hingegen weder fokussiert noch wirkt es so aus einem Guss wie sein Vorgänger. Dabei erzählt Warner nach wie vor eine durchdachte, umfassende Geschichte vom Erwachsenwerden einer künstlichen Intelligenz, sodass sein Spiel auch diesmal hauptsächlich von der Erzählung lebt. Er schafft es aber nicht, seine Ideen so zu inszenieren, dass sie spielerisch packend sind. Viele Rätsel sind etwa schwierig zu durchschauen, manche Kämpfe aufgrund unnötig langer Rücksetzpunkte frustrierend und auch audiovisuell wirkt The Fall 2 wie ein mehrfach unterbrochenes Bühnenstück: Man hat nie das Gefühl, in einer zusammenhängenden großen Welt unterwegs zu sein. Weil das und andere Unstimmigkeiten, darunter die schwachen Dialoge mit menschlichen Figuren, auch dem erzählerischen Rahmen schaden, ist Teil zwei der geplanten Trilogie leider ein Rückschritt gegenüber dem überzeugenden Einstieg.

Pro

Lösungen für Rätsel ergeben sich aus Beschreibungen und logischen Schlüssen...
durchdachte Geschichte über die Entwicklung einer künstlichen Intelligenz
stimmungsvolles audiovisuelles Design
wahlweise vereinfachter Schwierigkeitsgrad für Kämpfe

Kontra

... oft führt aber nur stures Ausprobieren zum Ziel, weil Aufgabenstellung oder Verwendungszweck etlicher Objekte nicht erkennbar sind
Kulissen, auch Außenareale wirken nicht wie Teile einer Welt, sondern wie kleine in sich geschlossene Bühnen
frustrierend lange Rücksetzpunkte und ganze Dialogszenen vor Kämpfen
steife und steif vorgetragene Dialoge
keinerlei Entscheidungsfreiheit oder sinnvolle Möglichkeit Entwicklungen zu kommentieren

Wertung

PC

Erzählerisch sehr interessantes, spielerisch aber durchwachsenes Adventure.

Switch

Erzählerisch sehr interessantes, spielerisch aber durchwachsenes Adventure.

PlayStation4

Erzählerisch sehr interessantes, spielerisch aber durchwachsenes Adventure.

XboxOne

Erzählerisch sehr interessantes, spielerisch aber durchwachsenes Adventure.

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