Senran Kagura: Estival Versus24.03.2016, Mathias Oertel
Senran Kagura: Estival Versus

Im Test: Grosse Körbchen, aber nix dahinter

Bislang haben sich die weiblichen Shinobi aus Senran Kagura nur auf mobilen Systemen bekämpft und die vorstechenden Merkmale ihrer Anatomie zum Wackeln gebracht. Mit Estival Versus gibt es jetzt auch auf der PS4 tiefe Einblicke in HD, verstörende Momente und Kämpfe, die immer wieder an Koeis Musou-Spiele erinnern. Ob diese Mischung aufgeht, verrät der Test.

Spaß oder Ernst?

Dass in Fernost das Thema weibliche Sexualität mitunter komplett konträr zu den westlichen Vorstellungen liegt und auch manche der dort praktizierten Fetische hierzulande eher für Kopfschütteln als für Verständnis sorgen, ist das eine. Dass manche Spiele japanischer Entwickler versuchen, diese Bedürfnisse in der einen oder anderen Form zu befriedigen bzw. anzusprechen, ist das andere. Doch wenn es einen Bereich gibt, in denen Videospiele im Vergleich zu Büchern oder Filmen immer noch in den Kinderschuhen stecken, dann ist es Sexualität - bzw. der Umgang damit. Mitunter gibt es Spiele wie Heavy Rain oder auch The Witcher, in denen man sensibel oder beiläufig damit umgeht und es so kohärent in den Kontext einbaut. Dann gibt es Titel wie Bayonetta oder Onechanbara, die dank starker Frauen mit der Thematik kokettieren, sie überzeichnen oder sie mit einem nicht zu übersehenden Augenzwinkern betrachten. Vor allem gilt hier aber: Sex oder sexuelle Anspielungen sind nur kleine Teile eines Konzeptes.

Diese Gedanken hatte ich auch häufig beim Spielen von Senran Kagura: Estival Versus (ab 57,45€ bei kaufen).
Und dann gibt es noch Spiele wie Dead or Alive Xtreme oder Senran Kagura sowie mit Einschränkungen vielleicht noch Criminal Girls: Invite Only, bei denen der Fokus mal mehr, mal weniger sexuelle Fantasien und Fetische bedient. Das ist per se natürlich nicht zu verurteilen. Und wenn es wie bei den Strand-Eskapaden der DoA-Mädels mit einer gehörigen Prise vorgegaukelter Naivität passiert, die man einfach nicht ernst nehmen kann, habe ich auch keine Probleme damit. Senran Kagura Estival Versus jedoch kriegt die Kurve nicht so einfach. Wie auch, wenn knapp 35 Shinobi-Schülerinnen um die Gunst des Spielers buhlen? Dass man sie "Backstage" mit neuen Klamotten versehen und in lasziven Posen ablichten kann: geschenkt. Das sorgt bei mir weder für Stirnrunzeln noch für Geifern. Doch die Geschichte, die sich um die Rivalität einiger Shinobi-Klassen dreht, die in einem mehrtätigen Kampf-Festival gipfelt, geht mit der allgemeinen Thematik unglaublich unbedacht um. Mitunter sind die in Japanisch vorgetragenen und mit englischen Untertiteln versehenen Dialoge witzig - in diesen seltenen Momenten kokettieren die Damen mit sich, den hervorstechenden Merkmalen der weiblichen Anatomie und der Thematik. Doch viel zu häufig ist es einfach nur plump, mitunter sogar regelrecht das Fremdschämen provozierend - obwohl ich mich definitiv nicht als prüde bezeichnen würde.

Der schmale Grat

Diese Szene könnte auch aus einem der Warriors-Ableger von Koei stammen, an denen sich Estival Versus in den besten Momenten orientiert.
Wenn Katsuragi z.B. ständig versucht, die Brüste ihrer Kommilitoninnen zu begrapschen, hat das eine unbeholfene Verzweiflung, die beinahe schon Mitleid bei mir hervorruft. Und das, obwohl die Darstellung und Bewegung der beinahe 70 Brüste bar jeglicher Realität liegt. Das vermeintliche Gewicht der Vorbauten dürfte die Agilität der Shinobi eigentlich massiv stören. Zudem sind die Animationen im gewählten Anime-Stil, der die Protagonisten alle minderjährig wirken lässt, so unrealistisch, als würden die Busen scheinbar von schwerer Hydraulik bewegt. Daher kann ich Katsuragis Faszination nur eingeschränkt nachvollziehen. Problematischer wird es bei Ryona, die erst dann richtig zur Hochform (auch im Kampf) aufläuft, wenn man sie vorher beleidigt und beschimpft. Und wenn die Verlierer eines Kampfes dazu genötigt werden, sich Unterwäsche in den Mund zu stopfen, wird zumindest bei mir die Grenze erreicht. Wenn Senran Kagura mit all diesen Elementen spielerisch umgehen und sie überziehen würde, sähe die Sache anders aus. Da man aber häufig zu ernst mit all dem umgeht, und man vor dem Bildschirm spürt, welcher Klientel man sich damit anbiedern möchte, geht das zu Lasten des Unterhaltungswertes – vollkommen ungeachtet, ob man das hier propagierte Frauenbild nun unterstützt oder nicht. Aber immerhin kann man die mitunter ausufernden Zwischensequenzen auch abbrechen und sich auf das Spiel an sich konzentrieren.

Und das hat durchaus interessante Ansätze, auch wenn diese vorrangig diejenigen ansprechen, die mit Spielen wie Koeis Dynasty Warriors oder Sengoku Basara Stunde um Stunde verbringen können und sich daher schnell in die sehr ähnliche Steuerungsmechanik einarbeiten können. Hier werden die Massenschlachten allerdings durch ein paar Elemente aufgelockert, von denen sich Omega Force durchaus mal das eine oder andere entleihen könnte. Zum Beispiel den Tempowechseln, die nicht nur von Mission zu Mission variieren, sondern auch innerhalb eines Abschnitts passieren können. Kämpfe gegen Feindwellen wechseln sich ab mit Auseinandersetzungen, die 1-gegen-1 oder in kleinen Shinobi-Grüppchen stattfinden, wobei die Partner-KI auf vom Spieler initiierte Sonderaktionen gut reagiert und einsteigt. Mal ist man in kleinen Arenen oder begrenzten Gebieten unterwegs. Dann wiederum bewegt man seine Figur durch ein kleines Labyrinth, während man immer wieder von Grüppchen oder Bossen angegriffen wird.

Wo hat sie das Kostüm versteckt?

Die Augen sind weiter oben...
Auch hinsichtlich der Angriffsoptionen bietet man mehr als der übliche Musou-Prügler. Man kann hier z.B. auch Wände hochlaufen und von dort Attacken starten. Es gibt spezielle Möglichkeiten, Gegner in der Luft zu attackieren. Man kann Fallen und andere Gegenstände einsetzen, um die Feinde zu dezimieren. Und mit dem Wechsel in das jeweils unterschiedliche Shinobi-Kostüm kommt ein weiteres Element dazu, mit dem sich Senran Kagura von Koeis Warriors unterscheidet. In erster Linie ist die Aktivierung quasi eine zweite Lebensleiste. Sprich: Die Energie wird komplett wieder aufgefüllt, weswegen man diesen Wechsel erst aktivieren sollte, wenn das Leben zu Neige geht. Zum anderen jedoch sind erst jetzt die Sonderattacken möglich, die am ehesten an die Spezialangriffe (Musou-Attacken) der Warriors-Serie erinnern und verheerenden Schaden bei anderen Shinobi und ganzen Gruppen von Kanonenfutter anrichten können. Doch Frauen brauchen beim Umziehen natürlich Zeit. Soll heißen: Bei Shinobi-Aktivierung wird eine Zwischensequenz eingespielt, bei der die Nachwuchs-Shinobis nackt sind (Brustwarzen und Scham sind von Sternen bedeckt) und dann von irgendwo (?) eine Rolle mit Stoff hervorzaubern, der sich dann in einer eleganten Kamerafahrt über den Körper legt. Das Problem: Man kann diese Verwandlung nicht abbrechen. Was spätestens dann nervt, wenn man sich an den meist nur hinsichtlich der Kostümierung unterscheidenden Sequenzen sattgesehen hat oder wenn man mit mehreren Shinobi kämpft, die alle irgendwann das Kostüm aktiveren und damit den Kampffluss unterbrechen.

Man kann auch online in zahlreichen Massenschlacht-Varianten antreten, um seinen Gegnern die Klamotten vom Leib zu prügeln.
Dass man hier seine Gegner nicht nur bewusstlos prügelt, sondern ihnen im wortwörtlich die Kleidung vom Leib kloppt, ist nicht neu. Auch Acquires Akiba's Trip: Undead & Undressed verwendete ein ähnliches Konzept. Nur, dass man dort nicht nur weibliche Gegner entkleidete und dies durch den Vampir-Hintergrund besser motiviert wurde. Zumindest besser als hier, wo es nur zur weiteren Darstellung lasziver Szenen genutzt wird. Denn nachdem man die jeweilige Shinobi-Schülerin bis auf die Unterwäsche entkleidet hat, bleibt sie in einer anzüglichen Position liegen, während die Kamera versucht, bestimmte Körperteile ins Visier zu nehmen. Schafft man den finalen Streich mit einer Spezialattacke, wird sie sogar komplett nackt gezeigt, wobei die schon bei der Verwandlung verwendeten Sterne abermals als minimaler Sichtschutz eingesetzt werden. Auch die Stage-Finisher greifen sexuelle Themen auf. In einer Arena z.B. wird die Verliererin unbekleidet in einen Vogelkäfig gesperrt. In einer anderen wird die Unterlegene in einen in voller Blüte stehenden Kirschbaum geschleudert, wo sie nackt auf einem Ast landet und sich räkelt, während ihre Hand tiefer wandert. Schade, denn während die Kampfmechanik immer wieder für Motivation sorgt, schaffen die plumpen, zu häufig nur zum Selbstzweck eingesetzten sexuellen Anspielungen bzw. die offensichtliche Fleischbeschau bei mir genau das Gegenteil. Und daran können auch die zahlreichen Bonusmissionen, das umfangreiche freispielbare Bonusmaterial, der passable Online-Modus oder die generell zu Hauf vorhandenen Inhalte nichts ändern.

Fazit

Schade, dass die zu häufig auf plumpe sexuelle Anspielungen getrimmte Story es verpasst, die Fleischbeschau mit Koketterie, Humor und laszivem Witz zu füllen. Dann nämlich wäre aus der PS4-Premiere von Senran Kagura ein ordentliches Spiel geworden. Dass es bei über 30 meist mit Doppel-D-Körbchengröße versehenen Shinobi-Anwärterinnen ein breites Spektrum an sexuellen Fantasien und Fetischen gibt, die abgearbeitet werden, ist nicht einmal das Problem, zumal die an Koeis Warriors erinnernde Mechanik für einen angenehmen Spielfluss sorgt. Außerdem gibt es genug Inhalte, einen passablen Online-Modus sowie umfangreiche Personalisierung. Es ist letztlich die Art der Präsentation, die mich ernüchtert. Wo andere Titel wie Bayonetta mit einer starken Frau immer augenzwinkernd mit Sexualität spielen oder wie Dead or Alive Extreme mit ihrer schier unglaublichen Naivität kokettieren, wirkt Estival Versus trotz seiner interessanten Anime-Kulisse zu häufig billig. Mit etwas mehr Stil, Selbstironie und nur ein wenig mehr Respekt für die Figuren hätte man in befriedigende Bereiche vordringen können.

Pro

solide Kampfmechanik
Geschichte spielt mit sexuellen Themen...
für eine Art Massenprügler angenehme Missions-Variationen
Partner-KI reagiert ordentlich und passt sich an Spezialaktionen an
über 30 angenehm unterschiedlich spielbare Charaktere
nette Anime-Kulisse
ordentlicher Umfang
umfangreiche Personalisierung

Kontra

nur japanische Sprachausgabe vorhanden
... geht aber zu häufig plump, ungeschickt oder unnötig aggressiv damit um
man sieht sich an den nicht abzubrechenden Shinobi-Verwandlungen schnell satt
immer wieder grenzwertige Frauenbilder
Klongegner
schwache Feind-KI

Wertung

PlayStation4

Mechanisch interessante Variation der Dynasty Warriors mit über 30 Figuren, bei der die zur Schau getragene Sexualität zu plump und aufgesetzt wirkt.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.