Im Test: Gespaltenes Familiendrama
Technologische Rettung oder Horrorvision?
Dass es nicht besonders leicht ist, sich den Zukunftsplänen großer Kräfte entgegenzustellen, erfährt Richard gleich zu Beginn des Spiels. Obwohl der Enthüllungs-Journalist nach der Aufdeckung des „Dronegate“-Skandals noch gefeiert wurde, erwartet ihn seine Kündigung. Glücklicherweise in sanfter Form, mit einem einjährigen Werkvertrag und weiterem Zugriff auf die Redaktionsdatenbanken, so dass er weiter herumschnüffeln und den dortigen Verschwörungstheoretiker konsultieren kann. Unterstützung hat er auch bitter nötig, schließlich erwarten den unter Gedächtnisverlust leidenden Richard nach seinem mysteriösen Unfall (oder war es ein Anschlag?) privat noch größere Probleme. Seine Frau Tracy und sein Sohn James sind beide verschwunden und es spukt auch noch ein neuer Haushaltsandroid in der Wohnung herum – was Richard als bekannter Kritiker überbordender Technologisierung ganz und gar nicht in den Kram passt.
Technologische Rettung oder Horrorvision?
Im Kontrast dazu steht „City 5“, eine wie aus dem Ei gepellte technische Utopie, in welcher der zweite spielbare Protagonist Adam Newman lebt: Auch er ist Journalist, hatte einen mysteriösen Unfall, lebt mit Frau und Sohn in einem ähnlich geschnittenen Loft, wurde allerdings befördert statt gefeuert. Klingt nach etwas zu vielen Zufällen, oder? Dieser Meinung ist auch Richard, der nach Recherchen in der Unterwelt Berlins (und einer Tracht Prügel) Kontakt zu Adam aufnimmt. Auch in seinem Saubermann-Universum herrscht nicht nur eitel Sonnenschein: Regelmäßig stolpert er nach Erdbeben über Erinnerungsfetzen, die wie ein Riss in der Matrix über dem Boden flackern. Eine wichtige Aufgabe des Spielers ist es, immer wieder diese Artefakte aufzusammeln, um Licht ins Dunkel der Vergangenheit zu bringen.
Nicht besonders clever
Weniger ambitioniert präsentiert sich das Spieldesign: Es gibt zwar ein Inventar; statt mit klassischen Kombinations- und Umgebungsrätseln zu arbeiten, hat sich Daedalic aber für diverse Minispiele entschieden, die sich größtenteils ziemlich fade gestalten. Mal ist es ein waberndes Puzzle mit Erinnerungsteilen, später das Übernehmen einer Drohne, um eine simple Schleichsequenz im Luftschacht zu meistern. Anderswo hackt man z.B. im Techno-Club oder in der Androidenfabrik einen Laser, um simplifiziert auf Drohnen zu ballern – Moorhuhn lässt grüßen! Manch menschenähnlicher Roboter mit intaktem Memory-Modul scheint auch hier eine gewisse Persönlichkeit zu entwickeln. Das einzige Minispiel, das sich etwas weniger aufgesetzt anfühlt, ist die Zuordnung von Verdächtigen, die man mithilfe gehackter Infos aus Bewegungsprofilen und anderen Datenbanken gewinnt.
Irgendwie sperrig
Auf Nintendos Konsole sieht die kantige Kulisse aufgrund niedrigerer Auflösung zudem nicht mehr so knackig scharf aus. Als interaktive Geschichte schlägt sich State of Mind (ab 1,75€ bei kaufen) aber gut. Während die Story zwischen den zwei Welten mit ihrer Vielzahl an Figuren, Informanten aus der erotischen „Erlebnisindustrie“, Wissenschaftlern mit Gewissensbissen und Konzernspitzen wechselt, kann man zwar schon mal die Übersicht verlieren. Doch gleichzeitig baut sich ein schöner Spannungsbogen auf, wenn sich immer mehr Facetten unterschiedlicher Parteien und Akteure auftun und weitere Fragen aufwerfen.
Sonderbare Begegnungen
Fazit
State of Mind spricht einige interessante technologische und ethische Themen rund um die Zukunft der Menschheit an. Die mit einem Familiendrama verwobene Verschwörungs-Story hat mich im Laufe des Abenteuers immer stärker gefesselt. Wenn Protagonist Richard sich nach einem nebulösen Unglück auf die Suche nach seiner verschwundenen Familie macht, kann es schon mal verwirrend werden. Meist habe ich es jedoch genossen, wenn sich die Puzzleteile nach und nach zusammensetzten. Schade, dass sich Erzählung und Spielmechanik so gespalten zeigen wie das Thema des Spiels: Statt vertrackte Inventar- und Umgebungsrätsel zu inszenieren, wird man mit faden Minispielen abgespeist, die meist nur als Lückenfüller taugen. Auch die technische Umsetzung lässt zu wünschen übrig: Die hübsch glühende Kulisse wird von der gelungenen Kameraregie schön in Szene gesetzt. Doch der eigentlich passende Low-Poly-Stil der Akteure verhindert weitgehend die Darstellung von Emotionen, zumal die Figuren ohnehin derart steif durch die Kulissen traben als hätten sie einen Besenstiel verschluckt. Wer über die holprige Umsetzung und spielerische Schwächen hinweg sehen kann, erlebt aber ein angenehm vielschichtiges SciFi-Drama.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Die unterhaltsame Geschichte mit spannenden Themen leidet unter anspruchslosen Minispielen und einer holprigen Steuerung.
XboxOne
Auf der alten Xbox One nervt das leichte Dauerruckeln stärker als auf den übrigen Konsolen, was vor allem angesichts des eckigen Designs mit wenigen Polygonen unverständlich ist.
PlayStation4
Die unterhaltsame Geschichte mit spannenden Themen leidet unter anspruchslosen Minispielen und einer holprigen Steuerung.
Switch
Die unterhaltsame Geschichte mit spannenden Themen leidet unter anspruchslosen Minispielen und einer holprigen Steuerung.
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