Im Test: Kann Lara die Apokalypse verhindern?
Der Dschungel ruft
Es war ja schon immer bekannt, dass man Grabstätten der Maya, Azteken oder Inka aufgrund möglicher Todesfallen und finsteren Prophezeiungen mit einer gewissen Vorsicht erkunden sollte. Das hindert Lara Croft in ihrer mittlerweile fast schon krankhaften Besessenheit im Kampf gegen die Illuminaten-Sekte Trinity aber nicht daran, beim Fund eines wunderschön verzierten Dolches beherzt zuzugreifen. Dumm nur: Ohne die dazugehörige Schatulle, mit der man im Zusammenspiel mit dem mächtigen Artefakt eine neue Welt formen kann, kommt die Apokalypse mit Riesenschritten näher. Dessen wird man sich bereits kurz nach der fatalen Aktion bewusst, wenn das beschauliche Cozumel von einem verheerenden Tsunami heimgesucht wird, dem viele unschuldige Menschen zum Opfer fallen. Lara überlebt knapp und macht sich gemeinsam mit ihrem treuen Begleiter Jonah auf den Weg von Mexiko in den peruanischen Dschungel. Dort warten auf der verzweifelten
Shadow of the Tomb Raider verwendet im Prinzip die Schablone, mit der man schon den Vorgänger erschaffen hat. Es werden also wieder Unmengen an Ressourcen gesammelt, mit denen man Kräutermischungen für Gesundheit, Ausdauer und Konzentration herstellen, mit diversen Vorteilen behaftete Klamotten nähen oder das Waffenarsenal vom einfachen Messer über Gewehre bis hin zum Bogen aufwerten kann. Letzterer erweist sich einmal mehr als mächtiges Allzweck-Werkzeug, mit dem man nicht nur Feinde und Tiere lautlos erlegen, sondern auch Seilvorrichtungen spannen oder versperrte Zugänge einreißen darf. Darüber hinaus hat Lara für ihren vorerst finalen Auftritt noch ein paar neue Tricks auf Lager: Zum einen kann sie sich jetzt endlich von Mauern abseilen und hat mittlerweile auch den Wandlauf gelernt. Zum anderen ist auch ein spektakuläres Überhang-Klettern mit dem entsprechenden Equipment kein Problem. Kurzum: Auch wenn die Positionierung hin und wieder immer noch etwas fummlig ausfällt und das Treffer-Feedback mitunter zu wünschen übrig lässt, stellt Shadow of the Tomb Raider spielmechanisch den besten Teil innerhalb der Reboot-Reihe dar.
Mehr Spannung und Möglichkeiten beim Schleichen
Generell wird außerdem der Schleichaspekt gestärkt. Zwar kann man sich meist immer noch mit purer Feuerkraft ins offene Gefecht gegen die recht stupiden Trinity-Schergen oder Plünderer stürzen. Aber der Schleichweg verspricht trotz der auch dort spürbaren KI-Defizite deutlich mehr Spannung. Lara stehen mit Ranken an Wänden, zahllosen Büschen und Bäumen eine ganze Reihe an Versteckmöglichkeiten zur Verfügung, mit denen sie sich an Feinde heranpirschen kann, um sie anschließend
Neben menschlichen Widersachern wird man aber auch mit der Fauna konfrontiert. Zwar dienen viele Tiere wie Hasen oder Käfer vornehmlich als weitere Quelle für wichtige Ressourcen und lassen sich recht einfach erlegen, doch bekommt man es auch mit Raubtieren zu tun – allen voran die majestätischen Jaguare, die sowohl eine größere Gefahr ausstrahlen als auch mehr einstecken können. Und auch unter Wasser lauern Gefahren in Form von Muränen oder Schwärmen von Piranhas, vor denen man sich im dichten Schilf verstecken sollte. Trotzdem hätte es gerade im Dschungel gerne noch mehr aggressive Spezies geben dürfen, darunter z.B. Giftschlagen, denen man hier allerdings nur in einer Todessequenz begegnet, wenn man sich bei einem Rätsel dumm anstellt.
Auf Rambos Spuren
Zudem darf sich Lara neuerdings für eine bessere Tarnung an Pfützen mit Matsch einschmieren, um dann aus der Deckung heraus im Rambo-Stil das Messer sprechen zu lassen. Genau wie im Film Predator erweist sich die Gesichtsmaske zudem als gewaltiger Vorteil, sobald Trinity mit Infrarotgeräten auf die Jagd nach Lara geht. Wie zuvor kann man Gegner durch das Werfen von Objekten gezielt ablenken oder Leichen im Nachhinein mit Sprengfallen präparieren und dabei das Opfer gleichzeitig mit einem Piepston anlocken. Oder man injiziert ihnen mit speziellen Pfeilen ein Nervengift, was dazu führt, dass die innerhalb weniger Sekunden austicken und dabei im Wahn sogar auf ihre eigenen Kameraden losgehen.
Trotz des größeren Schwerpunkts und mehr Möglichkeiten wird in Sachen Schleichmechanik und KI nur eine Light-Variante geboten, die erst gar nicht bei Größen wie Metal Gear Solid oder Splinter Cell mithalten will. Das Verstecken der Leichen wird z.B. erst durch das Freischalten eines entsprechenden Upgrades möglich, läuft dann aber trotzdem automatisiert ab. Vorteile kann man sich zudem durch die Zusammensetzung des Outfits verschaffen, darunter z.B. leisere Trittgeräusche. Darüber hinaus warten zahlreiche weitere Verbesserungen in den Kategorien Sammler, Sucher und Krieger, mit denen man Laras
Sammeln, Craften, noch mehr sammeln
Um die dafür nötigen Fähigkeitspunkte zu erhalten, muss man vor allem eines: Erfahrung sammeln! Und die gibt es in der Spielwelt praktisch überall – sei es durch das simple Öffnen von Kisten, das Weiterbilden der Sprachkenntnisse an Schreinen, die erfolgreiche Tierjagd oder Kopftreffer. Gefühlt wird nahezu jede noch so kleine Aktion belohnt und man wird mit Erfahrungspunkten regelrecht zugeschüttet; inklusive der ständigen XP-Einblendungen als Begleiterscheinung, die sich im Gegensatz zum Überlebensinstinkt mit seinen visuell hervorgehobenen Objekten leider nicht deaktivieren lassen. Davon abgesehen kann man das Spielerlebnis nahezu perfekt auf die eigenen Bedürfnisse zuschneiden, denn der Schwierigkeitsgrad für Kampf, Gelände und Rätsel lässt sich jeweils getrennt in drei Stufen anpassen. Euch nerven die penetranten weißen Markierungen an Mauern und Wänden? Dann erhöht einfach die Geländeschwierigkeit! Ihr hängt bei einem der überwiegend gelungenen Umgebungsrätsel fest? Senkt die Stufe und lasst euch vom detaillierteren Überlebensinstinkt und Laras Ausführungen unter die Arme greifen, der mittlerweile durch farbliche
Weniger schön dagegen, dass die Spielwelt mit ihren abwechslungsreichen und grafisch imposanten Schauplätzen wieder dermaßen mit Sammelkram zugemüllt wird. Das gilt nicht nur für natürliche Ressourcen wie Pflanzen und Kräuter, sondern auch die Unmengen an Kisten, Behälter oder andere Dinge, die sich alle paar Meter aufdrängen, mitgenommen zu werden. Ganz unnütz ist all das Zeug dabei selbstverständlich nicht, denn es wird u.a. zur Herstellung von Pfeilen, Medizin und Waffenupgrades benötigt. Trotzdem fühlt man sich vom omnipräsenten Aufnahmepotenzial erschlagen und oft auch einfach nur genervt.
Artefakte mit Info-Wert
Denn es sind ja nicht nur die Ressourcen. Wie schon im Vorgänger hat man es auch wieder mit Audiologs und Fundstücken übertrieben: Es gibt Stellen, an denen man gleich drei Dokumente auf engstem Raum findet. Generell hat man das Gefühl, als würde man alle paar Meter über einen neuen Fund stolpern. Es ist schlichtweg viel zu viel und weniger wäre hier definitiv mehr gewesen! Gleiches gilt für die zahlreichen Artefakte, wobei man hier im Gegensatz zu Uncharted einen besseren Bezug zum Szenario erkennt und in den Beschreibungen interessante Informationen erhält, die durch weitere Untersuchungen sogar noch ergänzt werden können. Trotzdem: Der übertriebene Sammel-Aspekt in Kombination mit dem XP-Wahn und dem aufgesetzten Fähigkeitensystem sorgt leider erneut dafür, dass sowohl Atmosphäre als auch Spielspaß leiden.
Immerhin geht das Crafting leicht von der Hand: Genau wie bei Horizon: Zero Dawn reicht es aus, einfach nur eine Taste zum Erstellen neuer Pfeile oder Spezial-Munition gedrückt zu halten. Ähnlich simpel werden Teile für Outfits und Waffen gefertigt, darunter mehrstufige Verbesserungen in Bereichen wie Schaden, Präzision, Nachladetempo und Munitionskapazität. Dabei
Mehr Erkundung statt Action
Dabei machen die Entwickler im Ansatz viel richtig: Obwohl Lara in manchen Situationen wieder mehr den Eindruck einer Auftragskillerin oder Terminatrix erweckt, und damit weiterhin ein störender Widerspruch zur Charakterzeichnung in den Zwischensequenzen entsteht, wird die Action insgesamt stärker zugunsten der ausgedehnten Erkundung zurückgefahren. In den Gräbern warten ein paar interessante Herausforderungen inklusive klaustrophobischer Momente unter und über der Wasseroberfläche, die entweder in die Story eingebunden oder erst durch Zufall oder Hinweise wie Archivar-Karten aufgespürt werden.
Leider landet man dabei immer wieder in Sackgassen, weil man die nötige Ausrüstung noch gar nicht besitzt und oft auch noch gar nicht besitzen kann. Ärgerlich zudem, dass manche Artefakte oder Dokumente auf der Karte bereits enthüllt werden, sie zu diesem Zeitpunkt faktisch aber noch nicht erreicht werden können. Im ersten Anlauf lassen sich daher nur selten alle Geheimnisse innerhalb eines Gebiets lüften, so dass man gezwungen wird, erst später mit dem entsprechenden Equipment oder dem erforderlichen Spielfortschritt wieder zurückzukehren. Das funktioniert dank der Schnellreise-Funktion zwischen den zahlreichen Feuerstellen zwar recht komfortabel, doch muss man dabei ähnlich lange Ladezeiten in Kauf nehmen wie beim initialen Start. Schön dagegen, dass man im Rahmen der Installation schon recht früh loslegen und schon mal etwa die erste Stunde der Kampagne spielen kann, während im Hintergrund weiter die restlichen Daten geladen werden. Auch das
Prächtige Kulissen, starke Technik
Von solch kleinen Patzern abgesehen zählt die Technik aber eindeutig zu den großen Stärken. Auch wenn hinsichtlich der Architektur nicht ganz das Niveau von Uncharted 4 oder dem Ableger The Lost Legacy erreicht wird, sind die Schauplätze auch hier eine wahre Augenweide und begeistern mit ihrer Liebe zum Detail, wunderschönen Panoramen und viel Abwechslung. Das ist ohne Zweifel eine der schönsten Dschungel-Kulissen, die ich bisher in einem Videospiel gesehen habe! Und auch die meist düsteren Gruften und Gräber haben es mir sowohl visuell und atmosphärisch angetan, weil neben fordernden Sprung- und Kletterpassagen auch viel mit Elementen wie Wind und Feuer gespielt wird. Nur die Fallen lassen mich etwas enttäuscht zurück: Zum einen kennt man die Varianten bereits aus den Vorgängern und zum anderen wird im Vorfeld zu schnell ersichtlich, wo die Fallen sind und wie man sie deaktivieren kann, wenn man nicht gerade im Dauersprint durch die Ruinen hetzt. Schöner wäre es gewesen, wenn auch vorsichtige Grabräuber zwischendurch von plötzlichen Ereignissen überrascht würden und dabei nur durch schnelle Reaktionen dem sicheren Tod entkommen könnten. So bleibt dagegen alles recht vorhersehbar, auch wenn manche Schauplätze, Gegner und Story-Wendungen noch die eine oder andere Überraschung bereit halten.
Eine verborgene Zivilisation
Dämlich sind dagegen wieder die billigen Beschäftigungstherapien nach dem Motto „Finde und zerstöre fünf Todesflöten-Schnitzereien“. Klar, das muss man nicht machen. Aber es gibt in der Welt so viel zu tun und so viel zu entdecken, dass man auf diesen Arcade-Unsinn wirklich verzichten könnte. Und auch Brüche in der Regie fallen zwischendurch immer wieder negativ auf: Es geht nicht nur darum, dass die Lara aus den Zwischensequenzen in einem starken Kontrast zu der Killerbraut steht, die sich anschließend wieder im Akkord durch Gegner meuchelt, metzelt oder ballert. Das lässt sich auch nur schwer vermeiden. Doch wenn die Hölle los bricht und das Chaos innerhalb von jetzt auf gleich komplett verschwindet oder mal einfach ausgeblendet wird, fällt es manchmal schwer, der Handlung mit diesen sprunghaften Wendungen zu folgen. Gut dagegen, dass man die zunehmend stärkere Lara hin und wieder etwas entmachtet und es z.B. für einen beschränkten Zeitraum ohne Schusswaffen mit den Gegnern aufnehmen muss. Zwar wirkt die Kampagne stellenweise künstlich gestreckt, doch will man sämtliche Geheimnisse lüften und alle zusätzlichen Gräber meistern, dürfte man weit über 20 Stunden mit Lara verbringen. Selbst nach dem finalen Bosskampf, der leider nicht sonderlich kreativ ausgefallen ist, kann man wieder zum vorherigen Speicherpunkt zurückkehren und sich den restlichen Aufgaben widmen oder ein New Game Plus mit seiner bereits vorhandenen Ausrüstung starten. Apropos Ausrüstung: In Laras Kleiderschrank finden sich auch ein paar Retro-Outfits, die es z.B. erlauben, mit der recht eckigen Polygon-Dame aus Tomb Raider 2 durch die schicke Spielwelt zu streifen – eine herrliche Kombination aus Retro und Moderne.
Auflösung oder Bildrate?
Besonders imposant wirkt die Kulisse selbstverständlich auf PS4 Pro und Xbox One mit 4K-Auflösung und HDR. Das angenehmere Spielgefühl erhält man dagegen unter 1080p und der verbesserten Darstellung mit 60 Bildern pro Sekunde, muss dafür aber leichte grafische Abstriche in Kauf nehmen. Das heißt nicht, dass sich die 4K-Lara mit 30fps schlecht steuert, aber der Unterschied ist einfach spürbar. Etwas in den Hintergrund rückt der Soundtrack, der das Geschehen durch die interaktive Aufmachung zwar passend untermalt und sogar Aktionen im Spiel dynamisch abbildet, aber sich insgesamt
Fazit
Shadow of the Tomb Raider bildet einen guten Abschluss für die Reboot-Trilogie! Auch wenn mir der zu stark ausgeprägte Fokus auf Sammeln, Looten sowie Craften immer noch ein Dorn im Auge ist und es mir bei den ständigen XP-Einblendungen weiterhin schwer fällt, komplett in die technisch und architektonisch imposante Spielwelt einzutauchen, hatte ich trotzdem eine Menge Spaß mit Lara. Das liegt neben der starken Inszenierung und Technik vor allem daran, dass ihr jüngster Auftritt trotz kleiner Defizite die mit Abstand beste Spielmechanik innerhalb der Reihe bietet und neben dem von mir favorisierten Schleichansatz auch die Erkundungsanreize mit tollen Zusatzgräbern, ansprechenden Umgebungsrätseln, starken Kletter- und Sprungpassagen sowie vielen Verstecken aufgewertet wurden. Außerdem gefällt mir, wie ich den Schwierigkeitsgrad wunderbar auf meine Bedürfnisse anpassen kann: Ohne die visuellen Hilfen – sei es der Überlebensinstinkt oder die weiß bepinselte Umgebung – bekommt man ein völlig anderes Spielerlebnis, das allerdings weiterhin an einer recht stupiden KI, der übertriebenen Masse an Audiologs und Brüchen innerhalb der Regie leidet. Manchmal ist es einfach bedauerlich, wenn man mit Lara in erster Linie ein großartiges Abenteuer erleben möchte, dabei aber so viel Zeit mit dem Sammelgedöns oder uninspirierten Botengängen und Herausforderungen verschwenden soll. Dass am Ende trotzdem das Positive überwiegt, verdankt Shadow of the Tomb Raider vor allem den abwechslungsreichen sowie stimmungsvollen Schauplätzen und dem guten Gefühl, dass sich Lara Croft trotz des Fluchs moderner Design-Entscheidungen und teils rabiater Krachbumm-Action wieder verstärkt durch Tugenden auszeichnet, die eine echte Grabräuberin ausmachen.
Pro
Kontra
Wertung
XboxOne
Shadow of the Tomb Raider ist ein würdiger Abschluss der Reboot-Trilogie. Wenn Lara eines Tages zurückkehrt, sollte sie den ganzen Sammelkram und das überflüssige Fähigkeitensystem aber zu Hause lassen...
PlayStation4
Shadow of the Tomb Raider ist ein würdiger Abschluss der Reboot-Trilogie. Wenn Lara eines Tages zurückkehrt, sollte sie den ganzen Sammelkram und das überflüssige Fähigkeitensystem aber zu Hause lassen...
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
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