MXGP Pro12.07.2018, Michael Krosta

Im Test: Motocross für Profis?

Milestone reicht es offenbar nicht mehr, die Motocross-Fans mit nur einem Spiel pro Jahr zu beglücken. Nachdem es bei Monster Energy Supercross im Februar vornehmlich in Stadien und Arenen auf den staubigen Holperpisten zur Sache ging, warten bei MXGP Pro (ab 15,09€ bei kaufen) bei Ausflügen in die Natur wieder Positionsduelle und waghalsige Sprünge unter freiem Himmel. Lohnt es sich, schon wieder auf den Sattel zu steigen?

Neue Engine noch nicht ganz im Griff

Wie schon bei MXGP 3 zeigt sich erneut, dass sich der Umstieg auf die Unreal Engine rentiert hat. Die Kulisse wirkt längst nicht mehr so angestaubt wie früher, sondern hat trotz der recht tristen Umgebung und hölzernen Zuschauer durchaus ihre ansprechenden Momente – vor allem, wenn man unter nassen Bedingungen über die Pisten brettert, dabei Matsch aufwirbelt und beobachtet, wie aufgrund der dynamischen Deformation der Oberfläche die Pfützen größer werden oder sogar neue entstehen. So ganz haben die Italiener die neue Technik aber immer noch nicht im Griff: Das zeigt sich neben den langen Ladezeiten daran, dass Texturschichten auf Objekten erst mit einer gewissen Verzögerung erscheinen. Das fällt vor allem in Menüs und der Wahl von Fahrern oder Motorrädern negativ auf. Doch auch während der Rennen springen einem nicht nur die Matsch-Bröckchen, sondern immer wieder auch hässliche Pop-ups ins Auge. Zudem wird der Regen wieder genauso lieblos inszeniert wie im Vorgänger. Die Polygon-Pendants der realen Vorbilder sehen aufgrund der groben Modellierung ebenfalls nicht besonders gut aus – sei es bei der Fahrerauswahl oder den mager inszenierten Siegerehrungen. Auch bei der Performance ist noch Luft nach oben: Zwar laufen die Rennen meist flüssig über die Mattscheibe, doch auf manchen Pisten

Nettes Detail: Im Pulk fliegen einem die aufgewirbelten Matschbrocken entgegen.
kommt selbst die PS4 Pro ins Schwitzen und die Bildrate ist nicht länger konstant. Trotzdem ist man noch weit weg von der Katastrophe, die Nordic Games und Rainbow Studios zuletzt mit MX vs ATV: All Out abgeliefert haben.

Weniger Grip

Im Vergleich zu MXGP 3 stellt man fest, dass es hier etwas anspruchsvoller zugeht – ganz unabhängig davon, wie man die Fahrphysik angepasst hat. Schon auf der zugänglichsten der drei Stufen reagiert vor allem das Heck deutlich nervöser und Kurvenfahrten erfordern mehr Gefühl beim Anbremsen und Herausbeschleunigen. Auch die dynamischen Deformationen scheinen sich stärker auf das Fahrverhalten der Maschinen auszuwirken und machen den holprigen Ritt dadurch eine Spur unberechenbarer. Zudem sind die Ausführungen von Scrubs anspruchsvoller geworden bzw. erfordern mehr Übung, denn die Landung endet häufig in einem Sturz, wenn das Bike nicht perfekt ausgerichtet ist. Überhaupt hat man nur noch selten die Möglichkeit, die Maschine nach einem kleinen Fehler abzufangen. Ein Glück, dass man optional wieder auf eine Rückspulfunktion zurückgreifen darf.

Bei den Rangeleien mit der KI zieht man meist den Kürzeren.
Die weiß man auch dann vornehmlich zu schätzen, wenn man mal wieder im Pulk unterwegs ist und von der rücksichtslosen KI ständig über den Haufen gefahren wird. Leider ist es hier häufig so, dass man als Spieler im Gerangel mit anderen Fahrern fast immer den Kürzeren zieht, während die Pistensäue unbeirrt weiterfahren dürfen, auch wenn sie hin und wieder selbst stürzen. In diesem Zusammenhang gibt auch wieder die Kollisionsabfrage Anlass zur Kritik. Nicht nur bei Rempeleien im Feld, sondern auch Berührungen mit der Streckenbegrenzung beobachtet man immer noch physikalisch fragwürdige Folgen, wenn man irgendwo hängen bleibt oder leichte Hindernisse plötzlich die Stoppwirkung eines Rammschutzpollers aufweisen.

Übung macht den Meister

Das unsinnige Tutorial kann man sich sparen, weil man auf der Testrunde sämtliche Hinweise einfach ignorieren oder bei den geforderten Aktionen komplett versagen kann. Wer sich mit den Mechaniken vertraut machen will, darf sich zum einen bei der freien Fahrt auf einem Trainingsgelände austoben. Um seine Fähigkeiten zu perfektionieren, sollte man sich allerdings lieber an die mitunter ziemlich knackigen Herausforderungen im Spielmodus Probefahrt heranwagen, die ähnlich aufgebaut sind wie die Fahrschule aus Gran Turismo. Schöner Nebeneffekt: Man lernt nicht nur den Umgang mit den Motocross-Maschinen, sondern verbessert auch die Fähigkeiten seines eigenen Fahrers, den man zuvor im oberflächlichen Editor erstellt hat. Dazu gehören z.B. eine höhere Neigungsgeschwindigkeit in Kurven, die schnellere Ausführung von Scrubs oder eine präzisere Steuerung in der Luft.

Darüber hinaus gibt es selbstverständlich wieder eine riesige Anzahl an kosmetischen Gegenständen lizenzierter Hersteller, mit denen man seinen Biker von Kopf bis Fuß ausstatten kann. Die Motorräder lassen sich dagegen nicht nur optisch

Wer hat die beste Reaktion beim Start und sichert sich den Holeshot?
aufmotzen. Mit Upgrades wie einem besseren Auspuff, hochwertigen Reifen oder speziellen Federn erhöht man auch die Leistung und Fahreigenschaften der Bikes.

Grinden füllt das Sparbuch – oder lieber echtes Geld?

Problem dabei: Nicht nur die Anschaffung neuer Maschinen und Tuning-Teile, sondern selbst Lackierungen und Kleinkram wie Schutzbrillen oder Stiefel kosten eine Menge Credits, die man sich mühsam durch gute Leistungen auf der Strecke verdienen muss. Um sich das Leben des zähen Grinds einfacher zu machen, bietet Milestone gegen die zusätzliche Zahlung von fünf Euro ein Boost-Paket an, bei dem die Ausschüttung der Ingame-Währung erhöht wird. Leider merkt man ziemlich deutlich, dass die Italiener angesichts der künstlich hoch angesetzten Preise die zusätzliche Investition schmackhaft machen wollen. Sind ja auch „nur“ fünf Euro, oder? Und es ist ja nicht so, als würde man sich dadurch einen Vorteil erkaufen? Doch, genau das tut man! Denn durch die Bonuszahlungen erhält man deutlich schneller Zugriff auf bessere Tuning-Teile zur Steigerung der Leistung oder höherwertige Maschinen, die auch in Online-Rennen zum Einsatz kommen können. Es mag kein Pay-to-win sein, aber schaut man sich die hohen Preise im Ingame-Store an, ist es einfach nur eine

Es stehen zahlreiche Upgrades und kosmetischer Schnickschnack zur Auswahl. Doch alles hat seinen Preis...
Sauerei, diesem elendigen Grind-Zwang nur mit Mikrotransaktionen entkommen zu können, denn selbst wenn man ständig ganz oben auf dem Podest steht, lassen die Preisgelder in Relation zu wünschen übrig.

Das bewährte Programm

Bei den Spielmodi findet sich die übliche Auswahl, die von simplen Einzelrennen über offizielle Meisterschaften der MX2- und MXGP-Klasse bis hin zur Karriere reicht, in der man sich als Nobody zur Spitze vorkämpfen muss und mit Aufgaben wie Sponsoren-Deals und dem Einstellen von Personal auch noch die Aufgabe des Team-Managers übernimmt. Wie zuvor wird die Karriere leider immer noch staubtrocken präsentiert und zudem mit einem dämlichen Rivalensystem erweitert, bei dem die Bewertung der Beiträge von anderen Fahrern in einem fiktiven sozialen Netzwerk im Mittelpunkt steht – was für ein Unsinn! Und obwohl man die FIM-Lizenz besitzt, fehlt mit dem britischen Matterley Basin mal wieder eine Strecke des offiziellen Rennkalenders. In der Vergangenheit gab es zudem immer Lücken beim Fahreraufgebot. Ärgerlich auch, dass man immer zumindest die beiden Hauptrennen innerhalb der Karriere an jedem Schauplatz bestreiten muss und den Umfang nicht auf einen Lauf beschränken darf. Schön dagegen, dass sich die Rennwochenenden ansonsten den eigenen Wünschen anpassen lassen. Wer also das komplette Programm inklusive Qualifikation, Überraschungen beim Wetter und realistischer Rundenanzahl auf sich nehmen will, bekommt diesen Wunsch erfüllt.

Extrem-Karriere für Profis

Oder man versucht sich direkt an der Extrem-Karriere, die sich an die Hardcore-Spieler richtet. Hier wird nicht nur die Rückspulfunktion gesperrt, sondern es geht ausschließlich bei kompletten Rennwochenenden inklusive realistischer Distanzen und gegen die höchste KI-Stufe an den Start – und das bei maximalem Anspruch hinsichtlich der Fahrphysik. Im Klartext heißt das: Das Pro-Modell ist vorgegeben und die Haltung bzw. Positionswechsel des Fahrers liegt komplett in den Händen des Spielers, der zudem auch Vorder- und Hinterbremse getrennt voneinander bedienen muss. Einzig beim Getriebe darf man sich optional auch in diesem Hardcore-Modus von einer Automatikschaltung unter die Arme greifen lassen. Generell wird man nicht nur hier, sondern auch in anderen Modi für den Verzicht auf Fahrhilfen mit einer höheren Gewinnausschüttung belohnt – an den viel zu hoch angesetzten Preisen ändert sich trotzdem nicht viel. Bei Meisterschaften ist es außerdem möglich, einen individuellen Streckenkalender zusammenzustellen – und das nicht nur offline, sondern auch innerhalb der eigenen Online-Lobby für bis zu zwölf Teilnehmer.

Schwacher Online-Auftritt

Leider werden die Duelle auf den Onlinepisten durch mehrere Faktoren getrübt: Zum einen stehen Verbindungsprobleme auf der Tagesordnung und die Rennen werden häufig von nervigen Lags begleitet. Zum anderen gibt es keinen Server-Browser mit einer Übersicht verfügbarer Lobbys. Stattdessen hat man nur die Option, ein eigenes Spiel zu erstellen oder per Zufall einer Partie zugewiesen zu werden – und das ohne Filteroptionen hinsichtlich Fahrphysik oder Klassen. Zudem wird man

An der Inszenierung muss Milestone noch weiter feilen.
feststellen, dass die Lobbys nur selten gut gefüllt sind. Da trifft es sich immerhin gut, dass freie Plätze auf Wunsch auch mit KI-Fahrern aufgefüllt werden dürfen. Lokale Duelle gibt es mangels einer Splitscreen-Funktion mal wieder nicht.

Wer lieber alleine die Pisten unsicher machen und vor allem schnelle Runden hinlegen will, kann beim Zeitfahren neue Rekorde aufstellen, die mit einiger Verzögerung auch in der Online-Bestenliste angezeigt werden. Im Gegensatz zu normalen Rennveranstaltungen, in denen man sich durch Abkürzungen oder Ausflüge neben die Strecke sogar unfaire Vorteile verschaffen kann, wird hier fast schon etwas zu penibel darauf geachtet, dass die Streckenführung ganz genau eingehalten wird. Schon das kleinste Übertreten der Begrenzung – und sei es nur mit einem der beiden Reifen – wird meist als Verstoß registriert und die Rundenzeit für ungültig erklärt. Ein gutes Setup kann helfen: Wie in den Vorgängern kann man auch hier Einstellungen an der Federung, am Getriebe und dem Radstand vornehmen. Auch darf man das Ansprechverhalten der Bremsen und des Gaszugs den eigenen Wünschen anpassen. Wer dagegen allerdings hofft, nach Monster Energy Supercross auch hier wieder einen brauchbaren Strecken-Editor zu finden, wird leider enttäuscht.

Fazit

Die Technik ist zwar nicht mehr die größte Baustelle bei Milestone, dafür hapert es auch bei MXGP Pro an inhaltlichen Schwächen. Diese reichen einmal mehr von der staubtrocken präsentierten Langeweiler-Karriere über das magere Online-Angebot bis hin zu den extrem hohen Anschaffungspreisen für weitere Maschinen und Ausrüstungsgegenstände, mit denen man vor allem die Miktrotransaktionen schmackhaft machen will. Auch die rücksichtslose KI kostet wieder viele Nerven – vor allem, wenn man auf die Rückspulfunktion als Frustventil verzichtet oder im Fall der Extrem-Karriere verzichten muss. Im Kern steckt dennoch eine solide Motocross-Erfahrung, wenn man sich auf den unberechenbaren Ritt über die Holperpisten einlässt und das nötige Feingefühl für die Beherrschung des nervösen Hecks und der anspruchsvolleren Scrubs entwickelt. Trotzdem ist man mit dem mittlerweile günstigen MXGP 3 mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser bedient, denn mit dem Monster Energy FIM MXoN hat der Vorgänger inhaltlich mehr zu bieten und die KI agiert dort nicht ganz so rabiat. Und warum hat man hier eigentlich auf den durchaus brauchbaren Strecken-Editor verzichtet, den man bei Monster Energy Supercross Anfang des Jahres noch vorgefunden hat? MXGP Pro wirkt auf mich eher wie ein Rückschritt und man muss weiter darauf hoffen, dass sich Milestone irgendwann endlich die Zeit nimmt, seinen Rennspielen auch inhaltlich mehr Aufmerksamkeit zu widmen anstatt einfach nur eins nach dem anderen rauszuhauen.

Pro

ordentliche und anpassbare Fahrphysik...
offizielle FIM-Lizenz...
Echtzeit-Deformierung der Oberfläche
zahlreiche Anpassungsmöglichkeiten an Fahrer und Motorrädern
diverse Setup-Einstellungen
offener Spielplatz zum Austoben
diverse Probefahrt-Herausforderungen
verschiedene Witterungsbedingungen
optionale Rückpulfunktion
immersive Ego- und Helmansicht
eigene Meisterschaften erlaubt
Rennwochenenden lassen sich anpassen (inkl. Qualifikation)
Hardcore-Karriere für Profis
Online-Meisterschaften möglich

Kontra

...aber sehr nervöses Heck
...die wieder nicht lückenlos abgedeckt wird
verspätetes Nachladen von Texturschichten
lange Ladezeiten
rabiate Rempel-KI wird bevorteilt
Scrubs erfordern viel Feingefühl
sinnloses Tutorial
vereinzelte Einbrüche der Bildrate (z.B. Mexiko)
lieblose Präsentation
Abfangen des Bikes kaum möglich
z.T. merkwürdige Kollisionsabfrage
dröge Karriere
Einnahmen-Boost durch Mikrotransaktionen
hohe Ingame-Preise fördern Grind (und Mikrotransaktionen)
keine Rennen am geteilten Bildschirm
dämliches Rivalensystem
deutlich sichtbare Pop-ups
kein Server-Browser (online)
kein Strecken-Editor (mehr)

Wertung

PlayStation4

MXGP Pro ist nur ein weiteres Ergebnis der mittlerweile unermüdlichen und langsam unerträglichen Fließband-Arbeit von Milestone. Im Kern steckt zwar solide Motocross-Action, aber mit dem Vorgänger fährt man mindestens genauso gut.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt Käufe für Fähigkeiten, Karten, Figuren, Waffen, Geld, XP oder Spielmodi.
  • Man kann die Spielzeit über Käufe verkürzen, Pay-to-Shortcut.
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