Hyper Sentinel15.05.2018, Benjamin Schmädig

Im Test: Braybrooks Erbe?

Endlich! Endlich erscheint ein Spiel, das in die Fußstapfen von Andrew Braybrooks Uridium tritt. Denn Hyper Sentinel (ab 11,24€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ist nicht nur grob vom C64-Klassiker inspiriert, sondern sieht schon auf den ersten Blick wie ein auf alt gemachtes Remake aus. Besser noch: Andrew Hewson, dessen Firma einst Uridium herausgebracht hat, steht höchstselbst hinter dem Projekt, das von seinem Sohn Rob geleitet wird. Also dann: Unsere Manta, Verzeihung: unser Sentinel startet in den Test!

Die Rückkehr eines Klassikers

Ein Traum: Mit atemberaubender Geschwindigkeit donnert man einer feindlichen Formation hinterher, während man den Jäger mit ruhiger Hand durch Engpässe manövriert. Das beinharte Uridium gehört zu den Klassikern der Arcade-Spiele und mit dem Nachfolger setzte Erfinder Andrew Braybrook die Messlatte sogar noch höher – hier geht’s zu unserem Klassiker.

Hyper Sentinel erinnert nicht nur vage an Uridium, sondern will dessen geistiger Nachfolger sein.

Es hat viel zu lange gedauert, dass der einen zumindest geistigen Nachfolger erhält, doch mit Hyper Sentinel hat das Warten jetzt ein Ende. Das mit Kickstarter-Hilfe entwickelte Spiel fängt den Schwung und die Spannung des Oldies so hervorragend, als hätte es die letzten 25 Jahre nie gegeben. Uridium ist zurück!

So funktioniert Uridium

Wie sehr wünschte ich, dass die letzten Worte der Wahrheit entsprächen.

Tatsächlich ist Hyper Sentinel nämlich nur ein enttäuschend dröger Abklatsch: spannungsarm, einfallslos, mehr ermüdend als unterhaltsam. Klar prescht man auch hier über den Decks außerirdischer Zerstörer von links nach rechts, weicht Mauern sowie Geschossen aus und zerlegt sowohl Flieger als auch Geschütze in ihre Einzelteile. Mit aufgelesenen Extras erhält man besonders dicke Wummen und sind alle Bodenziele ausgeschaltet, tauchen Boss-Geschütze oder -Flieger auf.

Das ist das Einmaleins, so funktioniert Uridium, mehr ist nicht dran – das scheint Rob Hewson zu denken. Und er könnte damit nicht weiter daneben liegen. Denn gerade Uridium war viel mehr als das Managen von Angriffswellen und

Moderne Interaktion?

Wer Hyper Sentinel über Microsofts Streaming-Plattform Mixer spielt, erlebt ein besondere Zusammenarbeit mit seinen Zuschauern. Die werden nämlich in zwei Teams aufgeteilt: Die Verteidiger werfen dem Spieler Waffen oder Schilde zu, während die Angreifer Asteroiden, Raketen oder Gegner aktivieren und teilweise sogar selbst steuern. Die Mixer-Spiele finden in speziellen Versionen der normalen Levels statt, man kann es sich damit also nicht besonders leicht oder schwer machen.

Zum einen ist es allerdings schwer einen mit Hyper Sentinel aktiven Kanal bzw. interessierte Zuschauer zu finden und zum anderen geht die Bildrate mitunter dermaßen in die Knie, dass man die Aktualisierungen pro Sekunden zählen kann. Abgesehen davon steht der Dienst nur auf PC und Xbox One zur Verfügung.

Aus den genannten Gründen geht diese Online-Anbindung nicht in unsere Wertung ein. Für eine Verbesserung würde sie ohnehin nicht sorgen. Kugelmustern. Spätestens im zweiten Teil musste man nur auf einzelne, dafür recht clevere Gegnerformationen reagieren, während man das eigene Schiff durch teils enge Mauerdurchlässe manövrierte. Dass man es dabei beschleunigen, verlangsamen und sogar die Richtung ändern konnte, verlieh den Verfolgungsjagden eine bis heute einzigartige Dynamik.

Analog ist eben doch stärker

Und genau die geht Hyper Sentinel völlig ab! Unterschiedliche Geschwindigkeiten gibt es hier schon mal nicht – jedenfalls nicht so, dass man sie variabel ändern könnte. Man aktiviert lediglich einen Boost, der den Sentinel stark beschleunigt. Ist er aktiv, kann man aber nicht feuern. Und so reduziert Hewson eins der wichtigsten Merkmale seines Vorbilds auf eine digitale Uniformität, die es in jedem anderen Shooter geben könnte.

Schlimmer noch: Mauern spielen praktisch keine Rolle. Es gibt sie zwar, aber im Gegensatz zur Manta fliegt der Sentinel einfach drüber weg. Nur auf ein paar bewegliche Laserschranken muss man aufpassen – aber auch die sind ein hervorragendes Beispiel dafür, wie wenig die Erben das Original verstehen. Die Schranken wirken nämlich wie Fremdkörper, weil sie über den Zerstörern schweben, anstatt Teil der Umgebung zu sein. So verkommt der ursprünglich so wichtige Hintergrund noch mehr zur Nebensache.

Anstatt wie damals den Flow auszukosten und gegen anspruchsvolle Gegnerformationen an der richtigen Stelle die richtigen Manöver zu fliegen, ist man ständig dabei vor einer praktisch beliebigen Kulisse irgendetwas Zufälligem auszuweichen. Ich rede dabei nicht mal von den Schranken; mir geht es vor allem um die einfallslosen Fliegerstaffeln, deren einzige Stärke die relative Vielzahl ihrer Geschosse ist.

Management statt Fluggefühl

Auf ähnliche Art sind selbst Geschütze schreckliche Langweiler. Denn haben die in Uridium 2 meist nur kurz geschossen, bevor sie wieder im Inneren der Großkampfschiffe verschwanden, so dass man zur rechten Zeit am rechten Ort in der richtigen Position sein musste, stehen hier dauerfeuernde Posten herum, für deren Zerstörung man lediglich einen riesigen Topf Geduld benötigt. Weil die Türme ständig schießen, kann man ja immer nur kurz Treffer landen, muss anschließend wieder auszuweichen und wiederholt das Spielchen so lange, bis es endlich knallt.

Man fliegt nie gegen die Feinde. Man managt fast immer nur deren Dauerfeuer. Sprich, das Spiel macht genau das, was irgendein beliebiger Shooter macht – und das nicht mal besonders gut.

Extrawaffen muss man sich z.B. nicht erarbeiten. Die fliegen einfach durchs Level und wieder zurück, falls man sie verpasst. Krallt man sich eine, beseitigt man Geschütze dann zwar im Handumdrehen, besonders spannend ist es aber nicht, wenn profanes Draufhalten plötzlich ausreicht. Ach, und liest man ein solches Extra sinnvoller Weise auf, kurz bevor ein Boss erscheint – auf dem Papier ein durchaus gescheiter Plan –, dann verliert man es ebenso wie den Punkte-Multiplikator. So

Ihr sucht eine brauchbare Alternative?

Futuridium EP Deluxe ist zwar nur vage von Uridium inspiriert, im Vergleich zu Hyper Sentinel aber das mit Abstand bessere Spiel. macht die Highscore-Jagd erst Laune!

Doch ein bisschen back to the roots?

Okay... Hyper Sentinel ist keine Katastrophe. Als harmlosen Zeitvertreib kann man es mal anwerfen. Manche Bosse überraschen sogar mit ein, zwei kniffligen Schussarten, die zumindest kurz zum Grübeln animieren. Praktisch außerdem, dass Bodenziele, die man hier unbedingt zerstören muss, deutlich markiert sind, sodass man nicht lange vergebens sucht.

Eine halbwegs nette Abwechslung sind zudem zwei Spielvarianten, in denen man so lange wie möglich überleben soll oder wo sich von Beginn an mindestens ein Boss auf dem Zerstörer befindet. Und zumindest im Ansatz ist die Grafik auch eine halbwegs gelungene Hommage an 8-Bit-Zeiten, wobei verschiedene Filter (C64, Spectrum, Vibrant sowie CRT, was einen

Filter erinnern an bessere Zeiten. Spielerisch ist Hyper Sentinel aber weit vom Original entfernt.
Röhrenfernseher imitiert) zusätzliches Retro-Flair versprühen.

Voll retro!

Ach, und apropos: Es gibt sogar einen Schwierigkeitsgrad, der genauso heißt, also „Retro“. Und in dem sind die sonst nur eingezeichneten Mauern sogar echte Hindernisse. Oha! Steckt vielleicht mehr in Hyper Sentinel, als es den Anschein hat? Zumindest nähert es sich mit „eingeschalteten“ Wänden weiter an Uridium an als ohne.

Wirklich überzeugt hat mich aber auch dieser Modus nicht. Erstens fliegt man nämlich nicht hoch und runter, sondern stets nur nach links oder rechts. Stimmt, das war im Original schon so. Dessen 16-Bit-Fortsetzung hätte für einen geistigen Nachfolger im Jahr 2018 aber gerne ebenfalls als Inspirationsquelle dienen können! Zweitens verschwinden die Mauern bei Bossen ohnehin und drittens verfügt der Sentinel nicht über einen Radar, sodass man schon mal unvorbereitet in eine Wand donnert. Ist ja nicht schlimm; schließlich zerschellt das Schiff nicht sofort, weil es über eine Energieleiste verfügt, die einiges aushält, bevor sie sich – viertens – doch tatsächlich von selbst auflädt. Dann fliegt man eben mal ein paar Runden ohne Feindkontakt umher...

Und genau das ist es eben: Hyper Sentinel ist keine knackige, auf den Punkt gebrachte Arcade-Herausforderung, sondern ein gleichförmiges Managen von Energie und Geschossen. Die Raffinesse seiner Vorbilder fehlt ihm fast komplett.

Fazit

Mag sein, dass das ein viel zu langer Text für eine so kleine Ballerei ist. Und sicherlich hat Hyper Sentinel bei mir einen besonders schweren Stand, weil der Vergleich mit einem meiner liebsten Spiele seiner Art naturgemäß ein undankbarer ist. Aber zum einen ahmt es dessen Spieldesign so unmissverständlich nach, dass es dieser Gegenüberstellung standhalten muss, und zum anderen müsste es vor allem für sich genommen Spaß machen. Doch genau das tut es eben kaum. So sehr manche Details das große Vorbild etwa zitieren: Alles in allem ist Hyper Sentinel eine recht öde Ballerei, bei der man den immer gleichen und ohnehin nicht besonders einfallsreichen Angriffen die immer gleichen Antworten entgegensetzt. Abwechslung wird klein geschrieben, wenn sich feindliche und eigene Angriffsmuster so lange wiederholen, dass sie auf die Nerven gehen, während sich der spielerische Anspruch in Grenzen hält. Hoffentlich ziehen nicht wieder 25 Jahre ins Land, bis sich ein Spiel als geistiger Nachfolger zu Uridium versucht! Ein gelungenes Retro-Revival ist das hier jedenfalls nicht.

Zweites Fazit von Jörg Luibl:

Ich habe an Uridium 1 & 2 nur beste Erinnerungen. Daran wird auch diese verkorkste Wiedergeburt nichts ändern, die weder nostalgische Gefühle wecken noch meinen modernisierten Arcade-Nerv treffen kann. Gut, der wurde von Housemarque & Co in den letzten Jahren verwöhnt. Aber diese gut gemeinte Hommage demonstriert nur einmal mehr auf recht drastische Art, wie schlecht manche Spielprinzipien altern - selbst wenn die kreativen Urväter an der Entwicklung beteiligt sind. Hoffentlich ist das kein weiteres böses Omen für andere Wiedergeburten. Ich empfehle euch lieber Bens schönen Rückblick auf den zweiten Teil ins Jahr 1993.

Pro

sympathischer, wenn auch nicht besonders schicker Zeichenstil mit verschiedenen Filtern
drei Spielmodi für einen Hauch Abwechslung
Ziele werden markiert, was langes Suchen verhindert

Kontra

digitales Boosten statt dynamisches Beschleunigen bzw. Verlangsamen
langweilige Angriffsmuster mit wenig Abwechslung
entnervend langes Kaputtschießen großer Geschütztürme und vieler Bosse
Extrawaffen muss man sich nicht verdienen, sondern einfach auflesen
ödes Energiemanagement, da sich Schildenergie einfach wiederauflädt
Multiplikator und Extras gehen mit Auftauchen der Bosse verloren
Mauern bereichern die Dynamik nur auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad
langes Anschauen der Punkteauswertung zwischen nach Abschluss eines Levels ohne Möglichkeit zum Überspringen

Wertung

PlayStation4

Ein gelungener Nachfolger von Uridium ist Hyper Sentinel leider nicht, sondern eine recht öde und eintönige Ballerei.

XboxOne

Ein gelungener Nachfolger von Uridium ist Hyper Sentinel leider nicht, sondern eine recht öde und eintönige Ballerei.

Switch

Ein gelungener Nachfolger von Uridium ist Hyper Sentinel leider nicht, sondern eine recht öde und eintönige Ballerei.

PC

Ein gelungener Nachfolger von Uridium ist Hyper Sentinel leider nicht, sondern eine recht öde und eintönige Ballerei.

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