Burnout Paradise14.03.2018, Mathias Oertel

Im Test: Hochgeschwindigkeit Remastered

Während nahezu alle größeren Publisher in den letzten Jahren versucht haben, mit so genannten Remaster-Versionen oder HD-Sammlungen ihr Archiv einer neuen Spieler-Generation schmackhaft zu machen, hielt sich einer dezent zurück: Electronic Arts. Doch auch die Kalifornier mischen jetzt mit – und haben sich für ihre Premiere gleich einen Knaller ausgesucht. Kann Burnout Paradise (ab 18,66€ bei kaufen) mehr als zehn Jahre nach seiner Premiere auf PS3- und 360 immer noch begeistern? Der Test gibt die Antwort.

Die Rückkehr des Arcade-Rasers

Als Burnout Paradise Anfang 2008 erschien, war es nicht der erste Arcade-Raser auf PS3 oder 360 in einer offenen Welt. Schon drei Jahre vorher haben Need for Speed: Most Wanted und vor allem Midnight Club 3 Dub Edition von Rockstar Games gezeigt, dass sich Fahrspaß und Freiheit auf einer großräumigen Karte nicht ausschließen müssen. Doch ein paar Jahre nach Test Drive Unlimited und vier Jahre vor dem ersten Forza Horizon, das vor kurzem mit einem 4K-Update quasi ein kostenloses "Remaster" spendiert bekam, war Burnout Paradise etwas Besonderes. Denn man sollte nicht vergessen, dass das Team von Criterion, das im Jahr 2004 von Electronic Arts übernommen wurde (mehr dazu in unserem "Wandel der Zeit"), das Action-Rennspiel quasi im Alleingang definiert hat - damals allerdings alles auf linearen Pfaden. Entgegen aller Skepsis gelang es den Briten, die Essenz der "alten" Burnout-Erfahrung punktgenau zu erfassen und in eine offene Welt zu packen.

Die Geschwindigkeit und Crash-Seqeuenzen machen auch in der Remastered-Version viel her - auf PS4 Pro und One X sogar in einer 4K-Auflösung
Es war blitzschnell, die Kulisse war bis auf ein bisschen Kantenbildung ein Genuss. Und noch viel wichtiger: Das Fahrverhalten der über 70 fiktiven Karren, die man sich auf seinen Schrottplatz (quasi die Garage) holen konnte, stimmte auf den Punkt. Man hatte stets die perfekte Kontrolle über die Boliden und konnte sie bis weit über das Geschwindigkeitslimit oder sein eigenes fahrerisches Können ausreizen. Die Crash-Kreuzungen, die in den älteren Burnouts ein motivierendes Metaspiel waren und später von Three Fields Entertainment (Ex-Criterion-Gründer) in Danger Zone wiederbelebt wurden, wurden hier auf ganze Straßenzüge ausgedehnt, verloren aber durch das Weitläufige etwas ihres Reizes. Dem gegenüber standen jedoch über 100 Offline-Veranstaltungen in verschiedenen Kategorien sowie zusätzlich die Möglichkeit, sowohl im On- als auch im Offline-Betrieb für jede einzelne Straße Zeitrekorde aufzustellen. Sprich: Es gab verdammt viel zu tun. Das Ergebnis war seinerzeit ein Gold-Award mit 86% (zum Test) sowie Platz 2 bei unserer Wahl zum Rennspiel des Jahres 2008. Hier musste man sich nur Midnight Club Los Angeles geschlagen geben, das mittlerweile definitiv ein Kandidat für ein eigenes Remaster oder zumindest die Aufnahme in die Abwärtskompatibilitäts-Liste auf der Xbox One ist.

Der Spaß wird größer – und zeitgemäß

Mit einigen kostenlosen sowie ein paar kostenpflichtigen Updates hat Criterion nicht nur das Spiel am Leben gehalten, sondern die Inhalte enorm aufgestockt. Es wurden mit dem Bikes Pack nicht nur neue Fahrzeugtypen wie z.B. Motorräder, Polizeiwagen oder weitere Mehrspieler-Modi hinzugefügt. Man spendierte ein dynamisches Tag-/Nachtsystem sowie wechselndes Wetter. Mit dem Legendary Car Pack durfte man sogar mit den fiktiven Versionen von Kultkarren wie Ecto-1 (Ghostbusters), KITT (Knight Rider), The General Lee (Dukes of Hazard) oder dem De Lorean (Zurück in die Zukunft) die Straßen von Paradise City unsicher machen. Mit Big Surf Island kam schließlich sogar ein neues Gebiet mit zahlreichen neuen Herausforderungen, mehr Straßen, die man beherrschen konnte sowie frischen Renntypen wie z.B. Kontrollpunkt-Fahrten.

Die Kulisse kann dank hochaufgelöster Texturen auch zehn Jahre nach dem Original problemlos einigen Arcade-Rasern wie Gravel oder Need for Speed Payback Paroli bieten.
Und all das hat man jetzt, zum zehnjährigen Jubiläum des Spiels sowie dem 25-jährigen Bestehen von Criterion, in einer Remaster-Version erneut gebündelt – wie schon 2009 in der  Ultimate Box, bei der alles auf einer Disc zusammengefasst wurde. Doch im Vergleich zu damals hat man es nicht nur bei einer Sammlung gelassen, sondern auch die Kulisse optimiert. Es fehlen zwar weitreichendere Einstellungsmöglichkeiten, wie sie die ebenfalls 2009 erschienene PC-Version bot, doch wenn man mit PS4 Pro oder Xbox One X unterwegs ist, darf man Paradise City in einer 4K-Auflösung und knackscharfen 60 Bildern pro Sekunde erleben. Und hier kommen die überarbeiteten hochaufgelösten Texturen erst richtig zur Geltung, die aus einem Spiel von 2008 eines machen, das dem Vergleich mit aktuellen Arcade-Rasern wie Need for Speed Payback oder Gravel problemlos standhalten sowie sogar in vielen Bereichen übertreffen kann. Immerhin darf man im Vergleich zu den "alten" Fassungen nicht nur die Helligkeit einstellen, sondern auch den Gamma-Wert sowie Kontrast regulieren. Dennoch hätte eine zusätzliche V-Sync-Option nicht geschadet. Zwar flirrt die Kulisse in der Entfernung bei weitem nicht mehr so stark wie vor zehn Jahren. Doch ab und an kann man an den Häusern oder oberirdisch gezogenen Kabeln am Ende einer langen Straße erkennen, dass die Kanten nicht immer optimal geglättet werden. Angesichts des mitunter offensichtlichen Pop-up-Wahns in Payback ist mir dieses Modell allerdings deutlich lieber.

Der Spaß nimmt kein Ende

Zumal man sehr schnell von dem auf jegliche Sperenzchen wie Story oder ähnlichen Kram komplett verzichtenden Renn-Ausflug in Paradise City gefangen genommen wird. Sehr schön dabei: Es richtet sich an Arcade-Piloten aller Art. Egal ob man viel Zeit zur Verfügung hat oder nur ein kurzes Spielchen riskieren kann, ob man on- oder offline spielen möchte. Es gibt für jeden Geschmack Wettbewerbe, Rennen und Herausforderungen. Nicht zu vergessen die über 130 Vehikel, die man auf seinem Schrottplatz versammeln und innerhalb des weit verzweigten Straßennetzes zu neuen Geschwindigkeitsrekorden führen kann. Man macht, worauf man Spaß hat. Und wenn dies bedeutet, dass man sich auf die Suche nach den 400 (bzw. 475 inkl. Big Surf Island) gelb markierten Zäunen oder den zig Plakatwänden macht, die man durchbrechen und die dahinter liegenden Abkürzungen für sich entdeckt, dann ist das so. Natürlich kann man kritisieren, dass dies nicht zielführend sei. Doch bei einem Spiel, bei dem selbst das sinnlose Herumrasen mit einem zwangsläufigen, in bester Burnout-Tradition klasse inszenierten Crash am Ende ein ungemeines Vergnügen bereitet und das einem jederzeit die freie Streckenwahl gibt, führt jeder Weg zum Rennspielspaß.

Keine nervende Story, allerdings auch keine Lizenzen: Alle Fahrzeuge basieren zwar auf realen Modellen, sind aber durchweg fiktiv.
Dies wird auch dadurch begünstigt, da das für die Umsetzung mitverantwortliche Team von Stellar Entertainment reichlich Burnout-Erfahrung hat. Studiochef Paul Ross z.B. war lange Zeit bei Criterion beschäftigt und dort unter anderem als technischer Direktor für die Ultimate Box verantwortlich, bevor er sich schließlich bei Three Fields Entertainment (s.o.) und nun bei Stellar neuen Herausforderungen widmete. Und das macht sich nur in der technisch sehr sauberen Umsetzung bemerkbar. Auch die Steuerung ist über jeden Zweifel erhaben und heute wie damals beispielhaft für den perfekten Spagat zwischen direkter Arcade-Kontrolle der Vehikel auf der einen und dem behutsamen Vortasten hin zum Limit des Fahrzeugs bzw. des Fahrers auf der anderen Seite. Für die jüngere Konkurrenz ist nur bedenklich, dass ein im Kern zehn Jahre alter Titel immer noch mit das Maß aller Dinge ist und eigentlich nur von der Forza-Horizon-Serie übertroffen wird. Apropos: Mit dem 4K-Update bekommt Letzteres zwar nicht die Möglichkeit hinsichtlich der Bildrate mit Burnout Paradise Remastered gleichzuziehen, sondern bleibt im Gegensatz zu den konstant 60 Bildern in Paradise City wie eh und je bei 30. Doch die Kulisse profitiert auf One X von dem kostenlosen Upgrade auf die derzeit höchstmögliche Auflösung noch stärker als Criterions PS-Vergnügen.

Der Zahn der Zeit zeigt sich doch

In Paradise City wird wie vor zehn Jahren unkomplizierter Fahrspaß groß geschrieben.
Ich habe vor zehn Jahren dutzende Stunden in der sowohl mit PS- als auch Altmetall prall gefüllten Stadt verbracht. Und auch Anno 2018 verbringe ich gerne viel Zeit auf dem Asphalt oder den Feldwegen. Da Arcade-Racer aber zusammen mit der immer potenteren Hardware zumindest hinsichtlich der Population bzw. der Verkehrsdichte zugelegt haben, ist die Zahl der Fahrzeuge auf den Straßen von Paradise City kaum einer Großstadt würdig – und das ungeachtet der Tages- oder Nachtzeit. Natürlich war und ist immer noch genug behindernder Zivilverkehr unterwegs, um einen bei einem Rennen, das angenehmerweise ohne Gummiband-KI auskommt, jäh zum Stoppen zu bringen, wenn man nicht aufpasst. Doch vergleicht man dies mit Stadtgebieten in Forza Horizon oder einigen Bereichen in Need for Speed Payback, empfinde ich die gelegentliche Leere mittlerweile als störend. Nicht so störend, dass es mich davon abhalten könnte, den Geschwindigkeitsrausch zu genießen, der sich in leider nur zwei Kameraperspektiven einstellt (hinter dem Auto/leicht erhöht sowie auf der Stoßstange). Aber dennoch störend.

Denn dass auch Burnout Paradise volle Straßen "kann", zeigt sich, wenn man den Crash-Modus einschaltet und sich dort auf die Jagd nach High-Scores macht: Auf einmal verzigfacht sich der Verkehr. Natürlich weiß ich, dass dies in erster Linie nur passiert, um die Crashfreunde mit Punktzahl-Fetisch zufriedenzustellen. Aber ich bin mir auch sicher, dass es auf den aktuellen Systemen auch möglich gewesen wäre, im „normalen“ Fahrbetrieb die Vehikel-Anzahl zu erhöhen oder zumindest dynamisch in Abhängigkeit von Gebieten  oder Tageszeiten zu variieren. Doch so weit geht die Remaster-Version leider nicht.

Die Verschrottungen werden eindrucksvoll inszeniert.
Dafür jedoch bietet man nach wie vor einen coolen Lizenzsoundtrack an, für den im Gegensatz zu anderen Spielen, die wegen des Auslaufens der musikalischen Verwendungserlaubnis mitunter aus den digitalen Stores verschwinden, scheinbar sehr langfristige Vereinbarung getroffen oder erneuert wurden. Apropos: She-DJ Atomica ist schon nach kurzer Zeit so nervig wie eh und je und hätte gerne mittlerweile ausgetauscht werden dürfen. Doch auch sie scheint wie ihr englischsprachiger männlicher Kollege (der auf der Nervskala nicht so hoch ausschlägt) mit einem unbefristeten Vertrag ausgestattet. Und wo wir gerade bei Punkten sind, die man im Rahmen des Remastering hätte optimieren können: Das Zeitfenster für die vom GPS vorgeschlagenen Richtungswechsel, die durch ein Blinken der oben eingeblendeten Straßenschilder an Kreuzungen angezeigt werden, hätte in den letzten zehn Jahren durchaus großzügiger gestaltet werden können. Denn wenn man gerade dabei ist, sich die teils hart am Lack kratzende Konkurrenz vom Leib zu halten, hat man nicht immer die Aufmerksamkeit, um das Blinken zu erkennen, bevor es zu spät ist. Zu guter Letzt hätte man auch den Wagenwechsel komfortabler gestalten und mit einer Teleportfunktion zum nächsten Schrottplatz ausstatten können. Doch nichts davon entpuppt sich als Spielspaß-Bremse. Auch hier ist die Remastered-Version von Burnout Paradise wie beim Rest der Inhalte und der daraus entstehenden Motivation erstaunlich dicht am Original.

Fazit

Als „Remastered“-Version des Crash-Rasers mit offener Welt aus dem Jahr 2008 kann man Burnout Paradise nicht viel vorwerfen. Das Arcade-Fahrgefühl ist nach wie vor beispielhaft, das Geschwindigkeitsgefühl nahezu unerreicht. Die über 100 Rennen werden durch hunderte Nebenaufgaben ergänzt und die Auffahrunfälle sind so spektakulär inszeniert wie eh und je. Sprich: Wer vor zehn Jahren, aus welchen Gründen auch immer, keine Bekanntschaft mit dem Zweiplatzierten unserer damaligen Wahl zum Rennspiel des Jahres gemacht hat und auch nur einen Funken Interesse für Spaßrasen aufbringen kann, wird sich in Paradise City wohlfühlen. Zumal die Kulisse, die auf den Premium-Systemen auch 4K-Auflösungen unterstützt, modernen Arcade-Rasern wie Gravel oder Need for Speed Payback problemlos Paroli bietet und in einigen Momenten den Fehdehandschuh direkt über die Windschutzscheibe zieht. Sprich: Burnout Paradise ist mit all seinen Erweiterungen ein prall gefüllter Spielplatz für Benzin-Junkies. Es hätte allerdings noch viel mehr sein können, wenn man aus Remastered einen „Director’s Cut“ gemacht hätte, der sich mit der modernen Hardware einiger der alten Probleme annimmt. Der Wagenwechsel ist immer noch unnötig kompliziert, die Richtungshilfen bei Rennen werden weiterhin zu spät eingeblendet und mittlerweile wirken die Straßen der fiktiven Adrenalin-Metropole zu leer. Doch damit reicht es für Burnout Paradise immer noch locker, um sich zehn Jahre nach seiner Veröffentlichung erneut als eines der derzeit besten Arcade-Rennspiele zu präsentieren – offene Welt hin oder her.

Pro

weit über 100 Offline-Rennen in verschiedenen Kategorien
über 130 Vehikel
wahnwitzige Geschwindigkeit ohne Slowdowns oder Ruckler
Unterstützung für 4K-Auflösung (PS4 Pro, One X)
optisch imposantes Schadenssystem
cooler Soundtrack aus drei Jahrzehnten
offene Welt
dynamisches Wetter sowie Tag-/Nachtwechsel
online für bis zu acht Spieler
hunderte Online-Herausforderungen
nahtloser Übergang von Off- und Onlinespiel
diverse Modi im Onlinespiel
kein Rennneustart möglich, nur noch Abbruch
hunderte Nebenaufgaben

Kontra

keine klassischen Crash-Kreuzungen
Richtungshilfen kommen sehr spät
Wagenwechsel unnötig kompliziert
DJ Atomica ein nicht zu unterschätzender Nerv-Faktor
nur rudimentäre Grafikeinstellungen

Wertung

XboxOne

Vollkommen auf Spaß fokussierter Arcade-Raser, der kaum etwas seines Reizes verloren hat und mit aufgepeppter Kulisse und Aufgaben an jeder Ecke sein eigentliches Alter Lügen straft.

PlayStation4

Vollkommen auf Spaß fokussierter Arcade-Raser, der kaum etwas seines Reizes verloren hat und mit aufgepeppter Kulisse und Aufgaben an jeder Ecke sein eigentliches Alter Lügen straft.

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