Zusammen ist man weniger allein
Unterlegt mit verträumter Musik startet The Last Guardian mit einer Abfolge gezeichneter Tiere, bis endlich die Skizze eines großen Wesens namens Trico erscheint, das an einen Mix aus Vogel und Katze erinnert. Übersät mit merkwürdigen Markierungen auf den Armen, erwacht man als kleiner Junge in einer dunklen Höhle direkt neben diesem Wesen, das mit einer schweren Kette angebunden wurde. Während
Ico und
Shadow of the Colossus eher stumme Spiele waren, wird man in The Last Guardian subtil von einer Erzählerstimme begleitet, bei der es sich scheinbar um die ältere Version des Protagonisten handelt. Er berichtet, dass Trico zu der Sorte Biest gehört, das Menschen frisst. Als ich das Wesen näher betrachten will, schlägt er mit seinem Vogelgefieder wie wild um sich und brüllt so laut, dass ich nach hinten geschleudert werde.
Die akustische und visuelle Darstellung nimmt mir den Atem. Es ist verdammt schwer in Worte zu fassen, wie echt sich dieser Moment anfühlt. Man hat tatsächlich das Gefühl auf ein lebendiges, bedrohliches Wesen zu treffen. Trico winselt vor Schmerz, schüttelt seinen Kopf wie ein echtes Tier und jedes einzelne Schnurrhaar und jede einzelne Feder bewegt sich. Die Erzählerstimme erwähnt, dass er keine Angst habe und so ziehe ich Trico einen Speer aus dem Gefieder. Ob das so eine gute Idee war? Der Junge wird gegen die Wand geschleudert und der Bildschirm färbt sich schwarz. Als wir wieder aufwachen, krümmt sich Trico immer noch vor Schmerzen. Ich will ihm helfen, ihn streicheln, sein allerbester Freund
Der Protagonist wacht mit lauter Zeichen auf seinen Armen in einer Höhle neben dem Biest auf.
werden. Sein riesengroßer Kopf hat etwas Liebevolles - mir doch egal, dass er angeblich Menschen frisst! Doch jeder Versuch ihn zu erklimmen, endet darin, dass ich in die Höhlenecke geschleudert werde und seine Augen wie wild aufleuchten. Im dunklen Anspielraum der E3 ertappe ich mich dabei wie ich leise murmle „Ich will dir doch nur helfen“.
Auf die Stimme des Spiels hören
Hektisch versuche ich immer wieder weiter zu kommen. Wann geht es endlich in den nächsten Raum und wieso funktioniert das Klettern nicht? Ich bin so konditioniert darauf, gerade im Einstieg eines Spiels alles vorgekaut zu bekommen, dass ich zunächst gar nicht auf die Idee komme, dass mich bereits jetzt ein Rätsel erwartet. Ich sammle mich nochmal und lasse mich auf diese ruhige Spielart ein. Nach und nach komme ich endlich drauf, dass ich Trico mit den im Raum versteckten Fässern füttern muss. Ich lege ihm eins vor die Füße, entferne mich etwas und erst dann schnappt er gierig zu. Immer wieder spricht der Junge ihm gut zu, oder fragt ihn ob seine Flügel gebrochen sind. Er scheint genauso fasziniert von Trico zu sein wie ich. Erst nach drei Snacks kehren Tricos rot leuchtende Augen wieder in den Normalzustand zurück und ich kann endlich an seinem Gefieder Schritt für Schritt hinaufklettern, um die Speere herauszuziehen. Mit der Viereck-Taste kann ich Trico sogar streicheln. Er neigt vorsichtig seinen Kopf, blinzelt müde und ich blicke ihm tief in seine riesengroßen Augen und betrachte seine putzigen katzenartigen Ohren. Schon jetzt ist mir der sanfte Riese tierisch ans Herz gewachsen und ich frage mich, wie Team Ico das in diesen wenigen Minuten geschafft hat.
Das Abenteuer beginnt
Man kann Trico auch streicheln...
Nachdem ich Trico von seinen Ketten befreit habe und er sich erstmal ausgiebig schüttelt und hinterm Ohr kratzt, erkunden wir zusammen die Höhle. Doch es scheint nirgendwo weiter zu gehen. Während ich den Boden erkunde, vertreibt sich Trico alleine die Zeit, stromert in der Höhle rum oder greift mit seinen vogelartigen Füßen nach Fässer-Snacks in der Wand. Durch einen engen Schlitz komme ich in einen nebligen Raum voller mysteriöser Symbole an der Wand. Ich wünschte, ich hätte Trico mitnehmen können, doch nur der kleine Junge kann durch enge Gänge kriechen. Immer wieder fragt man sich, wo man sich eigentlich genau befinden könnte und wieso man zu diesem gefährlichen Biest gebracht wurde.
Es scheint sehr kalt zu sein. Der Protagonist zittert am ganzen Körper und versucht sich warm zu rubbeln. Obwohl die Höhle einen ausgestorbenen Eindruck hinterlässt, lassen die liebevollen Animationen und Gesten der Charaktere die Spielumgebung unheimlich lebendig wirken. Ich finde einen sonderbaren Schild, der einen grünen Strahl von sich gibt. Als ich den Strahl mehrmals an die Wand richte und nichts passiert, bin ich etwas enttäuscht. Erneut werde ich ungeduldig. Keine Statuswerte, keine Erklärung und keine Möglichkeit den Schild direkt einzusetzen. Dies wird nicht der letzte Moment sein, in dem The Last Guardian mich dazu zwingt, sich auf ein ruhige Atmosphäre einzulassen, bei der der Aha-Effekt erst nach und nach einsetzt.