Rasen, fliegen, basteln
Vor gut einem Jahr startete Distance in Steams Early-Access-Programm – mittlerweile wirken die futuristischen Stunt-Rennen schon erfreulich poliert und technisch sauber. Ähnlich wie im Arcade-Rennspiel Trackmania düst ein Vehikel mit einsteigerfreundlicher Steuerung über halsbrecherische Rampen, durch Loopings und sich windende Streckengebilde. Um den Zieleinlauf nicht zu einfach zu machen, müssen allerlei fiese Fallen wie bewegliche Kreissägen oder fette Laserstrahlen umgangen werden. Passend dazu glüht die Welt im futuristischen Neon-Design. Wer möchte, kann den etwas faden Elektro-Soundtrack auch mit eigenen mp3s ersetzen, damit die Welt im Takt pulsiert – die Musik bleibt hier trotzdem nur eine Nebensache.
Größer, besser, bunter: Distance ist der mit Kickstarter und Early-Access finanzierte Nachfolger zum kostenlos erhältlichen Indie-Experiment "Nitronic Rush".
Spielerisch dreht sich alles darum, möglichst schnell an den Fallen vorbei ins Ziel zu düsen – und nebenbei noch ein paar einfache Tricks vom Stapel zu lassen. Salti und andere Überschläge kühlen nämlich den Motor ab, der mir bei exzessivem Nitro-Einsatz sonst um die Ohren fliegen würde. Auch Checkpoint-Ringe kühlen die Maschine, so dass der Boost danach wieder voll aufgeladen ist. Bevor ich mich mit solchen Feinheiten beschäftige, um noch die letzten Sekunden aus einem Kurs zu quetschen, muss ich ihn aber erst einmal überleben und einen möglichst effektiven Weg finden. Immer wieder gibt es Sprünge zu alternativen Abkürzungen oder Abgründen, über denen ich die Flügel ausklappe, um wie ein Düsenjet hinüberzugleiten. Auch hier überhitzt die Maschine schnell, was geschickt ins Streckendesign eingebaut wurde: Immer wieder kann ich einfach an eine Steilwand springen und seitlich an der Schlucht vorbei rasen, um den empfindlichen Motor zu schonen. Außerdem lässt sich auf Rädern mehr Schwung ausnutzen als beim langsamen Gleiten.
Gleiten statt driften
Als alter Ridge-Racer-Fan war ich zunächst ein wenig enttäuscht, dass die Handhabung so schlicht ausfällt und nicht einmal eine Handbremse zum stilvollen Driften eingebaut wurde. Zur Not lässt sich das Auto aber auch mit der gewöhnlichen Bremse durch die Kurve schleudern. Andererseits bleibt das Spiel so sehr zugänglich: Einsteiger und Trackmania-Fans brauchen keine Berührungsängste zu hegen und können sofort loslegen. Doch auch Könner kommen auf ihre Kosten: Unter den zahlreichen Kursen von Entwicklern und Community gibt es schon einige richtig knackige Exemplare, auf denen jeder Sprung sitzen muss und schon kleine Schlenker in den Abgrund führen können. Landet mein Auto in einer Kreissäge oder einem Laser, eiert danach nur noch eine abgesäbelte Hälfte der Karosserie über den Kurs, die sich allerdings noch erstaunlich gut navigieren lässt. Ein paar Sekunden später repariert der Checkpoint das Vehikel – oder ich jage es einfach in die Luft, um neu durchzustarten. Schon nach wenigen Minuten schlug bei mir die Sucht eiskalt zu. Ähnlich wie Trackmania ist auch Distance eines dieser Spiele, die man einfach nicht beiseite legen kann.
Vorsicht, Falle: Entwickler Refract nennt sein Spiel nicht ohne Grund einen "Survival-Racer".
Immer wieder geisterte der perfekte Lauf durch meinen Kopf: Diesmal habe ich das Lasergitter durchschaut! Diesmal springe ich einfach stylish durch die Mitte und lande ganz weit oben in der weltweiten Bestenliste! Kurz danach war ich natürlich doch wieder im durchgesäbelten Wrack unterwegs, was die Motivation aber nicht trüben konnte. Besonders cool ist es, sich im Netz mit bis zu drei anderen Spielern zu messen. Kaum habe ich mich über den Absturz des dämlichen Vordermanns kaputtgelacht, segle ich schon selbst wieder über die nächste Rampe hinweg. Die Entwickler hätten ihr Spiel auch "Hochmut kommt vor dem Fall" nennen können. Für Freunde lokaler Demütigungen ist übrigens auch ein Splitscreen-Modus für bis zu vier Spieler dabei.