The Assembly11.12.2015, Jan Wöbbeking

Vorschau: Wüste Experimente

Welches Spiel-Szenario passt am besten zur virtuellen Realität? Der englische Entwickler nDreams hat bereits eine mögliche Antwort gefunden: Abgeschottet muss es sein, passend zum Headset. Im Adventure The Assembly (ab 8,72€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) erkundet der Spieler eine geheime Forschungs-Station in der Wüste Nevadas, inklusive moralisch nicht immer einwandfreier Experimente sowie alternativer Entscheidungen. Wir haben einen ersten Abstecher gewagt.

Geheime Experimente und moralische Entscheidungen

In der Geschichte dreht sich alles um die Angst vor dem Ausbruch von Viren, wie bereits der tote Vogel auf der offiziellen Website andeutet. Das Spionage-Abenteuer versetzt mich abwechselnd in die Rolle der Virologen Cal Pearson und Madeleine Stone. Ersterer stieß bei seinem Forschungsprojekt an gesellschaftliche Grenzen und entschied sich deshalb bewusst dazu, in den Untergrund zu gehen. „The Assembly“ ist auch der Name der Geheimgesellschaft, die in dem ehemaligen Atombunker ohne Rücksicht auf ethische oder andere gesellschaftliche Einwände forschen kann. Erklärtes Ziel ist der Fortschritt um des Fortschritts willen. Madeleine dagegen ist nicht ganz so freiwillig an den fremden Ort geraten. Ihre Finesse auf ihrem Fachgebiet wird ihr zum Verhängnis, denn sie wird einfach vom „Geheimbund“ entführt. Mit dieser Szene beginnt das Spiel und auch die Demo, die ich mit Sonys PS4-Headset PlayStation VR ausprobiert habe. Die Sequenz dient als Einführung und dazu, sich erst einmal in Ruhe an die VR-Welt zu gewöhnen. Gespielt wird übrigens ausschließlich in der sitzenden Position. An eine Mischung aus Krankenbahre und Sackkarre gefesselt werde ich aus einem Fahrzeug entladen und in stehender Position langsam in die Basis gerollt. Offenbar waren meine Entführer bei der Betäubung etwas zu nachlässig, denn ich kann mich bereits frei umsehen und ihr komplettes Gespräch über den unterirdischen Forschungsalltag belauschen.

Welche der Puppen ist der Mörder? Als Versuchskaninchen muss der Spieler die Hinweise im Raum aufstöbern und untersuchen.
Im Bunker muss Madeleine eine Reihe von Logik-Tests über sich ergehen lassen, um zu beweisen, dass sie wirklich so clever ist wie erhofft. Zunächst erklärt der Entführer per Lautsprecher, dass man den Mörder an einer langen Tafel ermitteln soll – ganz wie in einem klassischen Landhaus-Krimi. Die Gäste sind allerdings nur Blechfiguren. Um den Schuldigen zu bestimmen und in einem Zug hinzurichten, soll ich ihm Schwerter in den Rücken rammen – sehr subtil. Auch der durch den Lautsprecher grummelnde Erzähler macht sich über den dramatischen Unterton in seinen Anweisungen lustig: „Jesus - wer denkt sich nur diesen Schwachsinn aus?“ Die oft selbstironischen Dialoge machen an jeder Ecke deutlich, dass trotz Wüstenschauplatz ein englisches Team am Spiel arbeitet.

VR-gerechte Rätsel-Häppchen

Da es rund um den Präsentations-Stand ziemlich laut war, habe ich die dumpf aus dem Lautsprecher murmelnden Anweisungen zunächst nicht verstanden, weshalb meine Nachforschungen nicht allzu erfolgreich verliefen (im Spielszenen-Video versteht man mehr). Also bin ich einfach ein wenig in der Umgebung umher spaziert und habe erste Beweisstücke wie aufgehängte Fotos unter die Lupe genommen. Die Rätselqualität kann ich daher noch nicht beurteilen. Die Entwickler erklärten mir, dass sie sich bewusst gegen ein Inventar entschieden haben. Stattdessen gibt es in sich abgeschlossene Rätsel in jeweils einem überschaubaren Raum. Das passe besser zum Erlebnis, statt VR-Neulinge noch zusätzlich mit ausgelagerten Elementen zu überfordern. Einige Dinge kann man mit virtuellen Händen aufnehmen, allerdings nicht mehrere gleichzeitig mit sich herumtragen.

Organisations-Mitglied Cal kann sich freier im geheimen Forschungs-Bunker bewegen.
Begonnen wurde die Entwicklung in Unity, dann wechselte man zur Unreal Engine 4. Visuell wirkt der Schauplatz bisher nicht besonders beeindruckend, dazu mangelte es den Blechfiguren, Labormöbeln und Maschinen aus der Nähe noch an Details. Das gelungene Design und die sauber auf VR abgestimmte Kulisse haben mich aber trotzdem sofort glaubwürdig in die unterirdische Welt versetzt. Laut den Entwicklern ist es übrigens deutlich aufwändiger, solch einen Raum in VR zu modellieren, weil man alles aus jeglichen Blickwinkeln mit Details versehen muss statt tricksen zu können. Besonders wirkungsvoll sind die vielen kleine Reflexionen, z.B. auf dem polierten Tisch oder dem Notebook-Monitor. Ich hätte es vorher nicht gedacht, aber diese kleinen Effekte sorgen in der Welt für den glaubwürdigen Räumlichkeits-Effekt. Auch räumlicher Dampf unterstützt den Eindruck.

„Wir haben die Motion-Sickness besiegt!“

Um Übelkeit vorzubeugen, konnte ich mich übrigens nur gemächlich durch den Raum bewegen. Besonders stolz sind die Entwickler auf ihr Teleportations-System, mit dem man sich schnell in eine andere Ecke des Raums beamen kann: „Wir glauben, dass wir damit die Motion-Sickness besiegt haben!“ lautete die kühne Behauptung. Es benötigte ein wenig Gewöhnung, wirkte danach aber bequem und nützlich: Per Knopfdruck rief ich einen Pfeil auf, den ich in per Kopf-Tracking im Raum umher bewegte. Ein weiterer Knofpdruck und ich wurde dorthin gebeamt, während das Bild behutsam überblendete. Wenn ich wollte, konnte ich vorher noch bestimmen, in welche Blickrichtung ich am Ziel schauen sollte. Dazu ließ sich mit dem rechten Stick ein kleiner Pfeil um den Zielpunkt drehen. Komplett ohne Motion-Sickness blieb meine Spiel-Session zwar nicht, mir wurde allerdings nur ganz zu Beginn auf der Sackkarre ein wenig mulmig.

Unter dem Mikroskop werden gefährliche Viren unter die Lupe genommen, was in Form eines Minispiels abläuft.
Später bin auch noch einmal kurz in die Rolle von Cal geschlüpft: Da er als Mitglied der Organisation bereits im Komplex arbeitet, kann er die Station viel freier erforschen – dementsprechend fällt seine Hälfte des Abenteuers weitaus explorativer aus. Als er Kollegen auf die Spur kommt, die selbst für Assembly-Verhältnisse an inakzeptablen Experimenten arbeiten, begibt er sich auf die Spur des Projekts. Es birgt offenbar extreme Gefahren für die komplette Menschheit. Wie die Geschichte ausgeht, entscheidet der Spieler übrigens selbst, in einer Reihe alternativer Entscheidungen und Story-Abzweigungen. Eine wichtige Rolle sollen dabei vor allem die gegensätzlichen Charakterzüge der beiden Hauptfiguren spielen.

Ausblick

Ich brauchte zwar eine Weile, um die Steuerungs-Schemata von The Assembly zu verstehen, doch genau das soll im Spionage-Adventure auf lange Sicht für angenehme Spielbarkeit sorgen. Sowohl im Kampf gegen Motion-Sickness als auch beim Spieldesign haben sich die Entwickler eine Reihe sinnvoller Gedanken gemacht. Grafisch wirken die Labore zwar noch ein wenig karg, doch damit kann ich leben, wenn das Gefühl der Immersion glaubwürdig bleibt. Wie motivierend sich die häppchenweisen Rätsel letztendlich präsentieren, lässt sich nach der kurzen Session noch nicht einschätzen; die Erkundung der Station und die Ausgangslage der Geschichte haben mich aber neugierig gemacht. Falls die moralischen Entscheidungen ähnlich unterhaltsam eingebunden werden wie die bisherigen Dialoge, könnten sie das Spiel auch erzählerisch interessant machen. nDreams möchte mit seinem Titel möglichst zum Start der drei großen VR-Plattformen im kommenden Jahr dabei sein.

Einschätzung: gut

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