Dragon Quest Heroes: Der Weltenbaum und der Tyrann aus der Tiefe30.07.2015, Mathias Oertel
Dragon Quest Heroes: Der Weltenbaum und der Tyrann aus der Tiefe

Vorschau: Action-Helden für Arboria

Dynasty Warriors sowie andere Ableger der Massenprügler machen seit Jahren nur marginale mechanische Fortschritte. Dabei zeigen Spiele wie Hyrule Warriors, dass das verantwortliche Team von Omega Force durchaus interessante Ideen einbringen kann. Das ebenfalls auf einer Fremdlizenz basierende Dragon Quest Heroes möchte den Gefechten auch abseits eines neuen Grafikdesign frische Facetten abgewinnen. Wir haben im Vorfeld der gamescom ein paar Abschnitte spielen können.

Echter Fanservice?

Schon bei Hyrule Warriors haben viele Fans von Legend of Zelda die Augen verdreht. "Die Massenprügeleien passen nicht zu Link!" "Knallbunt ist es ja!" "Ist ja gut und schön, aber ich will ein echtes Zelda-Abenteuer!" So oder ähnlich lautete das Feedback vieler Spieler, als Nintendo den Titel ankündigte und im gleichen Zug vermeldete, dass sich Omega Force (Dynasty Warriors) um die Produktion kümmern werde. Das Ergebnis (4P-Wertung: 70%) war besser, als sich viele (ich eingeschlossen) haben träumen lassen. Bei Dragon Quest Heroes war der Aufschrei nicht mehr ganz so groß. Lag es daran, dass der Untertitel "Heroes" nicht unmittelbar auf die Assoziationen mit den "Warriors" von Tecmo Koei führt? Oder  dass Links Massenkampf den Weg bereits für andere Lizenzen geebnet hat? Denn eigentlich wäre das Aufruhr-Potenzial bei der Dragon-Quest-Reihe nicht geringer einzuschätzen. Die Serie hat (wie Zelda) ihre Ursprünge auf dem NES. Und vom Prinzip der Massenkeilerei, das unheimlich tief in der DNA von Omega Force verwurzelt scheint, ist Dragon Quest als Rollenspiel-Serie gefühlt noch weiter entfernt als die hyrulische Zipfelmütze.

In Dragon Quest Heroes ist man mit einer Vierergruppe unterwegs. Die KI-gesteuerten Kameraden verhalten sich ordentlich.
Doch diese vermeintliche Schwäche nutzt Omega Force, um sie zu einer Stärke von Dragon Quest Heroes zu machen, wie ich nach ein paar gespielten Abschnitten feststellen konnte. Dabei fällt auf, dass sie wieder einmal das Artdesign auf den Punkt gebracht haben. Heroes ist mechanisch weit von der Rollenspiel-Tradition entfernt, die zuletzt mit einer 3DS-Umsetzung von Dragon Quest 9 sowie dem in Japan veröffentlichten Online-Abstecher Dragon Quest 10 in Erscheinung trat. Doch audiovisuell besteht kein Zweifel, in was für einer Serie man sich befindet: Es sieht so bunt aus, wie man es von Dragon Quest erwartet, das Charakterdesign trifft den Nagel auf den Kopf und die Akustik bringt alte und neue Effekte, Jingles und Einspieler unter einen Hut - sehr schön, sehr stimmungsvoll. In Fernost ist der Titel übrigens bereits seit Februar auf PS3 sowie PS4 erhältlich und mit insgesamt knapp 800.000 verkauften Einheiten (Quelle: vgchartz.com) so erfolgreich, dass ein Nachfolger bereits angekündigt wurde. Hierzulande wird der Titel Mitte Oktober erscheinen - allerdings nur auf der PlayStation 4.

Action-Rollenspiel

Kein Dragon Quest kann auf Schleim als Gegner oder Freund verzichten.
Nachdem man in der Konzeptphase von Dragon Quest 9 ganz kurz mit einem Echtzeit-Kampfsystem experimentiert hat, sich dann aber doch für klassische Runden entschieden hatte, ist Heroes der erste Ableger der Serie, bei dem man auf Action-Gefechte setzt. Das wiederum ist angesichts von Omega Force als Entwickler keine Überraschung. Und auch wenn ähnlich wie bei Hyrule Warriors die Einflüsse der Massenkämpfe im feudalen China deutlich spürbar sind, hat Omega Force zusammen mit Square Enix einige Elemente eingebaut bzw. Änderungen eingebracht, die sich positiv auf das Spielerlebnis auswirken dürften und die Distanz zu den altbekannten Keilereien vergrößern. Neben den bekannten simplen Kombos, die für jüngere Spieler per Option sogar noch einfacher zugänglich sind, gibt es auch hier eine Variante der Musou-Angriffe. Diese werden "Konzentration" genannt, geben einem temporäre Unverwundbarkeit, unendlich Mana sowie einen besonderen Angriff, der jedoch manuell aktiviert werden muss und die "Konzentration" beendet - dementsprechend sollte man den richtigen Moment abpassen, um nicht unnötige Konzentrationszeit zu verschwenden.

Die Spezialität von Omega Force: Kämpfe gegen größere Gegnergruppen.
Neu ist die Option, dass man mit seiner aktiven Figur unter Einsatz von Mana bis zu drei Zauber wirken kann. Ebenfalls neu: Man ist nicht solo unterwegs, sondern hat außer im Tutorial stets bis zu drei Begleiter, die man aus einem üppigen Team frei wählen kann. Im Gegensatz zum ebenfalls von Omega Force produzierten Warriors Orochi, das auch auf Teams setzt (dort ist es ein Trio, das man durchschalten kann), kämpfen in Arboria die drei Mitläufer jedoch jederzeit aktiv mit und setzen auch ihre Fähigkeiten selbsttätig effektiv ein. So entsteht auf den Schlachtfeldern, die im Übrigen deutlich überschaubarer sind als noch in Hyrule, eine Dynamik, die es bei Omega Force in dieser Form noch nicht gab. Sehr schön: Alle Schlachtteilnehmer erhalten am Ende die gleiche Zahl an Erfahrungspunkten, egal ob man sie nun zehn Minuten oder zehn Sekunden gespielt hat. Doch auch die im Lager gebliebene "Bereitschaft" müssen nicht verzagen: Sie bekommen ebenfalls einen gewissen Anteil Erfahrung, so dass sie im Zweifelsfall nicht so weit hinter die Stammkräfte zurückfallen und bei einem eventuellen Einsatz erst mühsam aufgepäppelt werden müssen.

Spürbare Rollenspiel-Ursprünge

Dass die Vorlage für die actionreichen Schlachten stärker im Rollenspiel verwurzelt ist als andere Spiele aus der Warriors-Serie (und unter dem Strich muss man die Heroes dazu zählen), macht sich in zahlreichen kleinen anderen Mechaniken bemerkbar. Bei den Charakterübersichten z.B. sind deutlich mehr Eigenschaften zu sehen als nur Lebenspunkte oder Mana. Auf diese Eigenschaften hat man zwar bei einem Figurenaufstieg keinen direkten Zugriff. Doch die beim "Level-up" gewonnenen Fähigkeitspunkte kann man in drei Bereichen ausgeben. Man kann sich für individuelle Zauber entscheiden, bestimmte Eigenschaften wie Lebenspunkte etc. oder besondere Effekte entscheiden - die allerdings jeweils für alle Figuren identisch sind. Dennoch geht man bei der Entwicklung der Figuren einen Schritt weiter als noch in Hyrule. Zumal man hier auch noch mehr Möglichkeiten hat, über Alchemie die Ausrüstung zu verfeinern.

Der treudoof-fröhlich dreinschauende Zyklop als Endboss tut einem beinahe leid - aber er kann auch ordentlich austeilen.
Denn man kann  sich nicht nur bei zahlreichen Händlern mit neuen Waffen, Schilden oder Kugeln (das arborianische Gegenstück zur klassischen Rüstung) eindecken, wobei gleich gezeigt wird, wer das gute Stück anlegen  kann und welche Verbesserungen es ggf. mit sich bringt. Zusätzlich darf man per Alchemie von den Monstern fallen gelassene Rohstoffe einschmelzen und daraus weitere Ausrüstung wie Ringe etc. anfertigen. Allerdings muss man vorher entsprechende Rezepte gefunden haben. Weitere Optionen, die einem im Lager bzw. in einem Luftschiff, das einen später zu den Kriegsgebieten transportiert, zur Verfügung stehen: In der Taverne kann man die Mitglieder seiner Gruppe austauschen. Im Briefkasten findet man immer wieder spielinterne Post, die Berichte Arborias, Nebenmissionen oder Schatzsuchen beinhalten kann. Bei einem Sammler kann man während der Ausflüge gefundene Minimedaillen gegen weitere Ausrüstung eintauschen.

Mach, was du willst

Die Effekte können sich sehen lassen.
Nach der Einstiegsphase, in der man Tutorials folgt und man weitgehend fest an die Hauptgeschichte gebunden ist, soll Arboria immer weiter geöffnet werden. Auf einer übersichtlichen Karte sind alle jeweils zur Verfügung stehenden Haupt- und Nebenmissionen sowie Schatzsuchen verzeichnet, so dass man schließlich die freie Wahl hat, was man als nächstes in Angirff nimmt. Es wird sich übrigens auch lohnen, bereits besuchte Gebiete erneut zu betreten: Nach den Hauptaufgaben werden dort zahlreiche Herausforderungen warten. Die Vielfalt bzw. Qualität konnte aber noch nicht in Augenschein genommen werden. Dennoch dürften diese zusätzlichen Aufgaben nicht nur wegen der zusätzlichen Erfahrung für Motivation sorgen.

Ebenfalls dazu beitragen dürften die Bosskämpfe, von denen wir einen anspielen konnten. Die Auseinandersetzung mit einem Zyklop ließ sich sogar auf verschiedene Art und Weisen bewältigen, die natürlich auch gemischt werden können. Hier konnte man versuchen, ihn mit stationären Geschützen zu besiegen, wobei Treffer in sein einziges Auge als "kritisch" gewertet wurden. Alternativ stand natürlich auch der "klassische" Kampf unter Einsatz von Magie und vor allem der Konzentrations-Fähigkeit im Mittelpunkt. Die Möglichkeit, über gefundene Münzen Buffs anzubringen oder andere Monster zu beschwören, die bis zu ihrem Ende an der Seite der Helden kämpfen, wäre auch eine Option. In einigen der Tutorial-Levels haben diese sich als probates Mittel erwiesen, bei einer Gebietsverteidigung die Gegner zumindest so lange von ihrem Ziel abzuhalten, bis man die aus einer anderen Richtung stürmenden Gruppe erledigt und das Dimensionstor samt Wächter ausgeschaltet hat.

Ausblick

Ich verstehe nicht, wieso Omega Force bei den hauseigenen Serien so konservativ vorgeht. Denn sobald sie mit einer anderen Lizenz arbeiten, werden sie sehr kreativ. Das war schon bei Hyrule Warriors so und wird bei Dragon Quest Heroes noch stärker beherzigt. Die Kämpfe gegen dutzende Feinde und mächtige Bosse  werden durch Figurenwechsel à la Orochi Warriors sowie einem Fokus auf kleinere Gebiete aufgewertet, wobei die von der KI gesteuerten Kameraden effektiv helfen. Mit dem Einsatz von Magie, Inventar, Charakterentwicklung oder Alchemie als globaler Handwerkskunst zitiert man ebenfalls die Rollenspiel-Herkunft. Und obendrauf gibt es wie schon beim Abstecher nach Hyrule ein klasse Artdesign, bei dem sowohl visuell als auch akustisch der namhaften Lizenz Rechnung  getragen wird. Derart Spaß wie mit den ersten Abschnitten in Dragon Quest Heroes hatte ich jedenfalls schon lange nicht mehr mit einem Spiel von Omega Force – auch nicht mit Hyrule Warriors. Im Oktober wird sich zeigen, ob dieses Gefühl auch mittelfristig Bestand haben wird.

Einschätzung: gut

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