Ungeschliffene Diamanten
Zugegeben: The Incredible Adventures of Van Helsing ist als Action-Rollenspiel manchmal spröde, mitunter etwas sperrig und kein Teil lief in der Anfangsphase wirklich sauber. Und doch ging von der Serie, die mit drei Teilen, dem Tower-Defense-Ableger Deathtrap sowie dem alles bündelnden Final Cut die letzten Jahre das Schaffen von Neocore Games definierte, eine enorme Faszination für mich aus. Natürlich baute man dort im Wesentlichen auf Elemente, die spätestens seit Diablo das Hack & Slay definieren. Doch mit einem stimmungsvollen Artdesign und diversen kleinen Veränderungen der Erfolgsformel für Action-Rollenspiele wie z.B. bei dem Sidekick Katarina, den interessanten Klassen in den späteren Teilen sowie der variantenreichen Charakterentwicklung wussten die Abenteuer zu unterhalten. Dementsprechend gespannt war ich, als angekündigt wurde, dass Neocore sich um ein Action-Rollenspiel aus dem düsteren Universum von Warhammer 40.000 kümmern wurde – genauer gesagt: Das erste Hack & Slay, das in diesen kriegshaltigen Welten spielt.
Hinter der weitgehend konventionell wirkenden Hack&Slay-Mechanik verbergen sich einige interessante Aspekte wie aktive Deckung.
Natürlich muss man dazu sagen, dass Games Workshop die Lizenz in den Jahren nahezu inflationär an Entwickler vergeben hat. Und dass bedingt durch diese allgemeine Streuung die Qualität der daraus entstandenen Spiele gewaltige Unterschiede zeigt, dabei aber eher nach unten tendiert. Und als ich vor ein paar Monaten in eine frühe Alpha schauen konnte, hielt sich meine Euphorie in Grenzen. Natürlich war mir bewusst, dass die damalige Version in erster Linie nur das spielmechanische Fundament sowie die Technik bzw. Kulisse präsentierte. Doch nachdem man mit Van Helsing im Final Cut die hauseigene Engine gut im Griff zu haben schien, war ich in dieser Hinsicht zuerst stark ernüchtert. Zumindest hatte die seinerzeit stark schwankende Bildrate großen Anteil daran, dass meine Skepsis wuchs: Vielleicht hat sich Neocore hier übernommen? Doch in den folgenden Wochen und Monaten wurde nicht nur an der Technik geschraubt. Es wurden kontinuierlich Inhalte hinzugefügt und schließlich wurde Warhammer 40K Inquisitor: Martyr im August letzten Jahres in den Early Access auf Steam entlassen.
Die Features sind da
Man bereits bei seinen "Reinigungs-Aufgaben" ein offenes Universum mit dutzenden Planeten.
Mit der jüngst veröffentlichten Alpha-Version 0.7 (bzw. dem direkt nachgeschobenen Hotfix auf 0.7.1) scheint man nicht nur die Engine-Probleme massiv reduziert zu haben. Zusätzlich wurde die dritte spielbare Klasse hinzugefügt, eine kleine Tutorialkampagne ergänzt und allgemein viel Feinschliff betrieben. Das hat allerdings alles dazu geführt, dass dieses Alpha-Update mit etwa zwei Monaten Verspätung erschien. Was wiederum den angestrebten Termin im ersten Quartal dieses Jahres in Frage stellen dürfte – von den ebenfalls für diesen Zeitraum vorgesehenen Fassungen für PlayStation 4 sowie Xbox One ganz zu schweigen. Doch nach dem gegenwärtigen Eindruck würde ich sagen, dass sich die Wartezeit für alle Hack&Slay-Fans lohnen dürfte, gleichgültig ob sie nun heißblütiger Anhänger von Warhammer 40K sind oder nicht. Zwar hangelt sich Neocore auch hier an wesentlichen definierenden Elementen des Action-Rollenspiels entlang wie z.B. dem durch abkühlende Sonderattacken ergänzten Klick-und-Weg-Kampfsystem, das den drei grundsätzlichen Klassen Crusader, Assassin und Psyker zur Verfügung steht. Doch drumherum gibt es einige interessante Elemente, die es in dieser Form noch nicht in einem Hack&Slay gab. Wie z.B. ein aktives Deckungssystem, das vor allem den ballistischen Auseinandersetzungen eine neue taktische Tiefe Verleiht. Denn gleichzeitig gibt es eine Wechselwirkung mit der in vielen Bereichen zerstörbaren Umgebung.
Auch solche Gegner sind einem Inquisitor nicht gewachsen.
Man kann sich hinter der Säule, der Kiste oder dem Vorsprung, in dem man sich verschanzt hat, nur kurzzeitig sicher fühlen. Zum einen gibt es auch Gegner, deren Munition zumindest teilweise die Deckung durchdringt. Und wenn bestimmte Elite-Soldaten der Chaos-Truppen mit Raketensalven den Schutzwall aufs Korn nehmen, löst der sich schnell formschön in seine Einzelteile auf, so dass man wie auf dem Präsentierteller steht. In solchen Momenten bleibt nur noch der taktische Rückzug – ein Element, das Neocore in der Van-Helsing-Serie auf den höheren Schwierigkeitsgraden nahezu perfektioniert hat. Dass man wie in einschlägiger Dual-Stick-, Schulter- oder Ego-Perspektiven-Action Geschütze einnehmen kann und auch ggf. manuell seine Waffe nachladen muss, wenn der Munitionsclip geleert wurde, ist ebenfalls ungewöhnlich und sollte bei den Auseinandersetzungen mit den teils großen Gegnergruppen einkalkuliert werden. Da die defensiven und offensiven Möglichkeiten, die einem als Inquisitor, einer Elite-Einheit innerhalb des Warhammer-40K-Universums zur Verfügung stehen, aber auch für die Gegner gelten, wenn sie z.B. Deckung suchen, hat man nie das Gefühl, das die Kontrahenten abseits der Masse übervorteilt werden. Rätsel sucht man in den abwechslungsreichen Umgebungen allerdings bislang vergeblich – die Action steht absolut im Fokus. Und nachdem man bereits in Van Helsing mit Tower-Defense-Elementen gespielt hat, überrascht es nur wenig, dass man auch hier mit einer Variation dieses Konzepts in einigen Missionen konfrontiert wird. Man befehligt einen Trupp, kann ihm rudimentäre Befehle geben und muss Welle auf Welle an Angreifern abwehren. Allerdings sorgt die Ansammlung an Effekten von Leuchtspurgeschossen, Partikeln beim Giftgaseinsatz der Gegner bis hin zum Splatter der auseinanderplatzenden Feinde in ihrer Gesamtheit dafür, dass die Engine hier an ihre Grenze geführt wird. Und mitunter darüber hinaus, wenn die ansonsten stabile Bildrate hier in gerade noch zweistellige Bereiche abrutscht.