Warhammer 40.000: Inquisitor - Martyr12.01.2018, Mathias Oertel
Warhammer 40.000: Inquisitor - Martyr

Vorschau: Brutales Sandkasten-Schlachtfest

Mit dem Steampunk-Hack&Slay The Incredible Adventures of Van Helsing sowie King Arthur: The Roleplaying Wargame hat sich Neocore Games eine stattliche Fangemeinde gesichert. Die dürfte mit dem neuen Projekt der Ungarn nochmals anwachsen. Denn bald steht ein Action-Rollenspiel-Abstecher in das düstere Universum von Warhammer 40K auf dem Programm. Wir haben uns anlässlich des frischen Content-Patches für die Alpha-Version von Inquisitor: Martyr erneut in die brutalen Schlachten begeben – mehr dazu in der Vorschau.

Ungeschliffene Diamanten

Zugegeben: The Incredible Adventures of Van Helsing ist als Action-Rollenspiel manchmal spröde, mitunter etwas sperrig und kein Teil lief in der Anfangsphase wirklich sauber. Und doch ging von der Serie, die mit drei Teilen, dem Tower-Defense-Ableger Deathtrap sowie dem alles bündelnden Final Cut die letzten Jahre das Schaffen von Neocore Games definierte, eine enorme Faszination für mich aus. Natürlich baute man dort im Wesentlichen auf Elemente, die spätestens seit Diablo das Hack & Slay definieren. Doch mit einem stimmungsvollen Artdesign und diversen kleinen Veränderungen der Erfolgsformel für Action-Rollenspiele wie z.B. bei dem Sidekick Katarina, den interessanten Klassen in den späteren Teilen sowie der variantenreichen Charakterentwicklung wussten die Abenteuer zu unterhalten. Dementsprechend gespannt war ich, als angekündigt wurde, dass Neocore sich um ein Action-Rollenspiel aus dem düsteren Universum von Warhammer 40.000 kümmern wurde – genauer gesagt: Das erste Hack & Slay, das in diesen kriegshaltigen Welten spielt.

Hinter der weitgehend konventionell wirkenden Hack&Slay-Mechanik verbergen sich einige interessante Aspekte wie aktive Deckung.
Natürlich muss man dazu sagen, dass Games Workshop die Lizenz in den Jahren nahezu inflationär an Entwickler vergeben hat. Und dass bedingt durch diese allgemeine Streuung die Qualität der daraus entstandenen Spiele gewaltige Unterschiede zeigt, dabei aber eher nach unten tendiert. Und als ich vor ein paar Monaten in eine frühe Alpha schauen konnte, hielt sich meine Euphorie in Grenzen. Natürlich war mir bewusst, dass die damalige Version in erster Linie nur das spielmechanische Fundament sowie die Technik bzw. Kulisse präsentierte. Doch nachdem man mit Van Helsing im Final Cut die hauseigene Engine gut im Griff zu haben schien, war ich in dieser Hinsicht zuerst stark ernüchtert. Zumindest hatte die seinerzeit stark schwankende Bildrate großen Anteil daran, dass meine Skepsis wuchs: Vielleicht hat sich Neocore hier übernommen? Doch in den folgenden Wochen und Monaten wurde nicht nur an der Technik geschraubt. Es wurden kontinuierlich Inhalte hinzugefügt und schließlich wurde Warhammer 40K Inquisitor: Martyr im August letzten Jahres in den Early Access auf Steam entlassen.

Die Features sind da

Man bereits bei seinen "Reinigungs-Aufgaben" ein offenes Universum mit dutzenden Planeten.
Mit der jüngst veröffentlichten Alpha-Version 0.7 (bzw. dem direkt nachgeschobenen Hotfix auf 0.7.1) scheint man nicht nur die Engine-Probleme massiv reduziert zu haben. Zusätzlich wurde die dritte spielbare Klasse hinzugefügt, eine kleine Tutorialkampagne ergänzt und allgemein viel Feinschliff betrieben. Das hat allerdings alles dazu geführt, dass dieses Alpha-Update mit etwa zwei Monaten Verspätung erschien. Was wiederum den angestrebten Termin im ersten Quartal dieses Jahres in Frage stellen dürfte – von den ebenfalls für diesen Zeitraum vorgesehenen Fassungen für PlayStation 4 sowie Xbox One ganz zu schweigen. Doch nach dem gegenwärtigen Eindruck würde ich sagen, dass sich die Wartezeit für alle Hack&Slay-Fans lohnen dürfte, gleichgültig ob sie nun heißblütiger Anhänger von Warhammer 40K sind oder nicht. Zwar hangelt sich Neocore auch hier an wesentlichen definierenden Elementen des Action-Rollenspiels entlang wie z.B. dem durch abkühlende Sonderattacken ergänzten Klick-und-Weg-Kampfsystem, das den drei grundsätzlichen Klassen Crusader, Assassin und Psyker zur Verfügung steht. Doch drumherum gibt es einige interessante Elemente, die es in dieser Form noch nicht in einem Hack&Slay gab. Wie z.B. ein aktives Deckungssystem, das vor allem den ballistischen Auseinandersetzungen eine neue taktische Tiefe Verleiht. Denn gleichzeitig gibt es eine Wechselwirkung mit der in vielen Bereichen zerstörbaren Umgebung.

Auch solche Gegner sind einem Inquisitor nicht gewachsen.
Man kann sich hinter der Säule, der Kiste oder dem Vorsprung, in dem man sich verschanzt hat, nur kurzzeitig sicher fühlen. Zum einen gibt es auch Gegner, deren Munition zumindest teilweise die Deckung durchdringt. Und wenn bestimmte Elite-Soldaten der Chaos-Truppen mit Raketensalven den Schutzwall aufs Korn nehmen, löst der sich schnell formschön in seine Einzelteile auf, so dass man wie auf dem Präsentierteller steht. In solchen Momenten bleibt nur noch der taktische Rückzug – ein Element, das Neocore in der Van-Helsing-Serie auf den höheren Schwierigkeitsgraden nahezu perfektioniert hat. Dass man wie in einschlägiger Dual-Stick-, Schulter- oder Ego-Perspektiven-Action Geschütze einnehmen kann und auch ggf. manuell seine Waffe nachladen muss, wenn der Munitionsclip geleert wurde, ist ebenfalls ungewöhnlich und sollte bei den Auseinandersetzungen mit den teils großen Gegnergruppen einkalkuliert werden. Da die defensiven und offensiven Möglichkeiten, die einem als Inquisitor, einer Elite-Einheit innerhalb des Warhammer-40K-Universums zur Verfügung stehen, aber auch für die Gegner gelten, wenn sie z.B. Deckung suchen, hat man nie das Gefühl, das die Kontrahenten abseits der Masse übervorteilt werden. Rätsel sucht man in den abwechslungsreichen Umgebungen allerdings bislang vergeblich – die Action steht absolut im Fokus. Und nachdem man bereits in Van Helsing mit Tower-Defense-Elementen gespielt hat, überrascht es nur wenig, dass man auch hier mit einer Variation dieses Konzepts in einigen Missionen konfrontiert wird. Man befehligt einen Trupp, kann ihm rudimentäre Befehle geben und muss Welle auf Welle an Angreifern abwehren. Allerdings sorgt die Ansammlung an Effekten von Leuchtspurgeschossen, Partikeln beim Giftgaseinsatz der Gegner bis hin zum Splatter der auseinanderplatzenden Feinde in ihrer Gesamtheit dafür, dass die Engine hier an ihre Grenze geführt wird. Und mitunter darüber hinaus, wenn die ansonsten stabile Bildrate hier in gerade noch zweistellige Bereiche abrutscht.

Drei Klassen, neun Wege zu spielen

Die Action kann man mit den in jeweils drei Unterkategorien eingeteilten Klassen sehr unterschiedlich erleben. Der Crusader z.B. spielt sich in seiner auf Nahkampf fokussierten „Assault“-Form angenehm anders als der „Heavy Gunner“, der mit Shotgun und Lasgun hantiert oder der „Tactical“, der sich mit einem Teleport-Signal und kleinen Geschütztürmen aus der Affäre ziehen kann. Die Unterklassen des Assassin (Infiltrator, Sniper, Eradicator) sowie des Psyker (Empyreanist, Aetherwalker, Scryer) folgen der groben Einordnung in Nahkampf, Fernkampf sowie Hybrid, reichern sie aber durch Eigenheiten an, die jede (Sub-)Klasse zu einer interessanten Erfahrung machen. Zusätzlich gibt es breit gefächerte Optionen, die Werte und damit die Effektivität der Angriffe zu steigern. Zum einen natürlich ganz klassisch durch Aufwertungen von Fähigkeiten bzw. passiven Werten im breit gefächerten Techtree jeder Klasse. Dabei fällt allerdings auf, dass angesichts der Fülle an Möglichkeiten (einige werden erst beim Erreichen bestimmter Meilensteine freigeschaltet), die zur Aufwertung nötigen Punkte spärlich ausgeschüttet werden. Ich hoffe, dass dies der Vorbote auf reichliche motivierende Inhalte ist und weniger von den Entwicklern als eine Aufforderung interpretiert wird, Grind zur Verkaufssteigerung von XP-Boosts etc. anzubieten.

Die Action wird brachial inszeniert, muss aber noch beweisen, dass sie innerhalb des teils zufällig generierten Missionsdesign auf Dauer nicht an Wucht verliert.
Die Effektivität im Kampf wird natürlich auch von der angelegten und entweder käuflich erworbenen, auf den Schlachtfeldern gefundenen, selbst hergestellten oder als Belohnung ausgegebenen Ausrüstung beeinflusst. Es gibt ein reichhaltiges Arsenal an Gegenständen, Rüstungen oder Waffen, die sich auf die unterschiedlichen Werte auswirken und in ihrer Gesamtheit quasi die Kampffähigkeit des Inquisitors in einer Zahl bündeln. Das wiederum wird wichtig, nachdem man das Tutorial hinter sich gebracht hat, in dem nicht nur grundlegende Mechaniken vermittelt werden, sondern man auch eine Erklärung bekommt, wieso man in dem von Chaos-Truppen überrannten Caligari Sektor die ansehnlichen Gebiete von den Ungläubigen reinigen muss. Denn ab hier öffnet sich die Karte, von der aus man zu verschiedenen Sonnensystemen fliegen kann, um dort teils geskriptete, aber auch viele zufällig generierte Missionen zu erfüllen. Dabei verfolgt Neocore ein hehres Ziel: Nicht nur, dass man sowohl solo als auch mit bis zu vier Spielern kooperativ die Jagd auf die Ketzer aufnehmen kann oder im PvP andere Inquisitoren herausfordert, in dem man versucht, ihre Festung einzunehmen. Besonders den Multiplayer-Aspekt sehe ich skeptisch, da man sich bei den Online-Komponenten von Van Helsing nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. Das alles soll zudem in einer persistenten Welt passieren, die mit wöchentlichen Events, Mini-Kampagnen sowie Ereignissen, die teils auf den Entscheidungen der Community basieren, locken soll. Dabei muss Inquisitor allerdings erst noch beweisen, dass sowohl der Charakterfortschritt als auch die Beuteausschüttung und vor allem das Design der zufällig generierten Abschnitte sowie Missionen in der Lage sind, länger als ein oder zwei Wochen zu motivieren. Das 40K-Universum bietet theoretisch genug Inhalte, um für Abwechslung sorgen zu können. Und dass auch und vor allem auf Beute fokussierte Action-Rollenspiele die Spieler durch „Saisons“ langfristig binden können, hat Diablo 3: Reaper of Souls eindrücklich unter Beweis gestellt. Wenn Neocore hier etwas Ähnliches plant, zusätzlich einen erzählerischen Fokus setzt und entsprechend seine Hausaufgaben macht, könnte Inquisitor in der Tat zu einem ungewöhnlichen Action-Rollenspiel werden.

Ausblick

Das erste Hack&Slay vor dem Hintergrund des düsteren Tabletop-Universums von Games Workshop nimmt langsam Gestalt an. Die technischen Probleme der PC-Version in der frühen Alpha-Phase scheinen weitgehend gelöst, u.a. auch durch die ordentlich skalierbare Kulisse, die mit ihrem neogothischen Artdesign die Vorlage gut widerspiegelt. Es läuft allerdings noch nicht alles sauber. Vor allem bei den Belagerungen, in denen zig Gegner zu entsprechendem Effekt-Einsatz führen, geht die Engine ab und an in die Knie. Das ist jedoch nichts, was man nicht in den Griff bekommen könnte. Denn viel wichtiger: Die Inhalte sind auf einem richtig guten Weg. Die drei Klassen samt jeweils drei Subklassen spielen sich angenehm unterschiedlich, während die erstmals in einem Action-Rollenspiel eingesetzte Deckungs-Mechanik mitsamt zerstörbarere Umgebung sowie aktivem Nachladen der Projektilwaffen für zusätzliche taktische Optionen bei den teils sehr brutal dargestellten Auseinandersetzungen sorgt. Ganz abgesehen davon, dass man damit den Elementen des Tabletop-Ursprungs Respekt zollt. Der Charakteraufstieg ist zwar mitunter etwas langwierig, doch so lange der Fortschritt in den umfangreichen Fähigkeitsbäumen in der finalen Version nicht durch Echtgeldeinsatz verkürzt werden kann, soll es mir recht sein. Dass Neocore mittlerweile viel Erfahrung mit Action-Rollenspielen gesammelt hat, merkt man Warhammer 40K Inquisitor – Martyr in vielen Bereichen an. Jetzt müssen nur noch die Geschichte als verbindendes Element, der Sandbox-Aspekt sowie das Missionsdesign mittelfristig beweisen, was in ihnen steckt. Derzeit ist die Veröffentlichung für PC, PS4 und One noch für das erste Quartal dieses Jahres vorgesehen.

Einschätzung: gut

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