Paragon03.03.2016, Benjamin Schmädig

Vorschau: Altes MOBA, neue Tricks

Wenn Epic Games, also die Macher von Gears of War und Unreal Tournament, ein MOBA (Multiplayer Online Battle Arena) ankündigen: Denkt man dann nicht an schnelle Action mit taktischem Einschlag, mit heißen Feuergefechten und brachialem Nahkampf? Mir schwebte jedenfalls ein Spiel vor ähnlich Gigantic oder Paladins, das die Regeln dieses Genres als rasanten Shooter interpretiert. Doch rasant ist in Paragon gar nichts! Es ist nicht das Spiel, das ich erwartet hatte – aber was dann?

Nur ein MOBA

Ich will es damit nicht geringschätzen, doch im Wesentlichen ist Paragon ein stinknormales MOBA. Auch hier bewegen sich zehn Helden, fünf je Team, von den gegenüberliegenden Enden zweier Karten aufeinander zu, um die feindliche Basis zu zerstören. Auf dem Weg dorthin töten sie vom Spiel gesteuerte Gegner, schalten Geschütztürme aus und bekämpfen ihre menschlichen Widersacher. Das Prinzip könnte man auf einen Bierdeckel krakeln...

Drei-Wege-Kampf und Dschungelfieber

... für seine Finessen bräuchte man wie für jedes MOBA eine Speisekarte. Denn die Helden – vom bulligen "Panzer" über den Fernkämpfer bis zum agilen Unterstützer ist alles dabei – gewinnen im Kampf nicht nur Erfahrung, mit der sie offensive, defensive, heilende und andere Fähigkeiten stärken. Aus abgeschlagenen Köpfen erhalten sie auch

Dank Unreal Engine 4 sieht kein MOBA schöner aus. Doch was steckt spielerisch dahinter?
Bernstein, von dem sie eine dauerhaft höhere Durchschlagskraft, schnellere Bewegung, zügiges Auffüllen der magischen Kräfte, geringe Abklingzeiten ihrer Fähigkeiten und andere Verstärker kaufen.

Der Kampf ist aber nicht der einzige Weg, Bernstein und Verstärker zu sammeln: Abseits der zentralen Wege lauern unterschiedlich starke Gegner, deren Tod ebenfalls die jeweils gekennzeichnete Ressource freigibt. Immerhin ist das Schlachtgebiet kein freies Areal, sondern ein dichter Dschungel, durch den gerade mal drei befestigte Wege führen. Auf diesen wird der Großteil der Echtzeit-Kämpfe ausgetragen. Auf den verschlungenen Pfaden des Dschungels bewegen sich Helden hingegen unbemerkt und sammeln Verstärker oder Bernstein.

Eine neue Sicht

Eine überlegte räumliche Aufteilung, das kluge Zusammenspiel und eine präzise Absprache stehen also im Mittelpunkt, und zwar in jedem einzelnen MOBA. Doch Paragon soll nicht jedes MOBA sein: Epic Games will dem

PC und PS4 - Gleichzeitig gemeinsam

Paragon erscheint sowohl auf Sonys Konsole als auch auf PC. Das Besondere: Besitzer beider Plattformen können miteinander spielen und jeweils dasselbe Konto mit demselben Fortschritt auf PS4 und PC nutzen.

Ob Paragon auch auf Xbox One erscheint, kann Steve Superville nicht sagen. "So sieht unsere Partnerschaft derzeit aus", sagt der Creative Director über die Veröffentlichung auf PS4. Prinzip neue Facetten abgewinnen und deshalb steuert man seinen Helden nicht aus der Vogelperspektive, wie aus League of Legends, Heroes of the Storm oder Dota 2 bekannt, sondern bewegt sie wie in einem Actionspiel vom Blick über die Schulter aus. Creative Director Steve Superville erklärt mir nach dem dreistündigen Anspielen im Beisein der Entwickler, dass Epic sogar mit der Ego-Perspektive experimentierte. Doch aus dieser fehlte ein wichtiger Grundstein sinnvollen Taktierens: die Übersicht.

Nun ist der Schulterblick im Bereich der MOBAs nicht die Erfindung Supervilles: Verschiedene Spiele nutzen eine ähnliche Perspektive, unter ihnen Smite und damit eins der bekanntesten seiner Art. Und tatsächlich erinnert vieles an dessen bunte Götterwelt, darunter die vergleichsweise langsame Bewegung der Helden. Die Kamera wurde eben nur nur auf Schulterhöhe gesenkt – der Rest bleibt Echtzeit-Taktik. Das hatte ich nicht erwartet. Das ist aber das Spiel, das Epic Games entwickelt.

Gewalt von oben

Aus der Action bekannte Elemente sollen Paragon lediglich um Nuancen erweitern und so ist der Dschungel im Gegensatz zu Smite ein echter Wald, dessen Blätterdach den Blick von oben versperrt. Denn das ist einzigartig: Die Gefechte finden auf mehreren Höhenmetern statt, nicht auf ebener Erde. Weil das Gelände die Sicht einschränkt, gibt es keinen Nebel des Krieges, aus dem manche Gegner wie aus dem Nichts auftauchen.

Die Höhenunterschiede ermöglichen außerdem spielerische Finessen, die Smite nur im Ansatz enthält. Howitzer, einer der Helden, katapultiert sich etwa nach oben, um Raketen auf seine Gegner zu werfen. Auf diese Art richtet er nicht

Miteinander reden

Eine genaue Absprache ist für ambitionierte MOBA-Spieler unabdingbar - die direkte Kommunikation zwischen PC und PS4 aus technischen Gründen allerdings nicht einfach. Sprachchat soll zwar seinen Weg ins Spiel finden, Superville klingt aber nicht sehr zuversichtlich, dass er zum Start verfügbar sein wird und erwähnt externe Möglichkeiten wie Skype.

Ein Chatsystem mit vorgefertigen Anweisungen und Hinweisen gibt es bereits und auch das Markieren von Positionen soll seinen Weg ins Spiel finden. nur Schaden an, sondern kann für kurze Zeit auch nicht von Schlägen getroffen werden. Nur Fernkämpfern ist er dann einige Sekunden lang schutzlos ausgeliefert...

Als Dekker habe ich mich außerdem zwei Gegnern genähert, dich mich auf einem hohen Felsen gar nicht haben kommen sehen. So konnte ich ungestört einen Käfig errichten, der eine Zeit lang ihre Flucht verhindert hat. Solche in diesem Genre neuartigen Möglichkeiten beleben das bekannte Helden-Verschieben.

Übersichts-Karten

Einsteiger will Superville dabei behutsam an die Materie heranführen und eine seiner größten Herausforderungen sind die zahlreichen Verstärker im Austausch gegen Bernstein. Man kauft ja nicht hier einen Verstärker, da noch einen – man wählt aus einer schier grenzenlosen Anzahl an Gegenständen diejenigen, welche die gewünschten Eigenschaften haben. Gerade Neulingen fehlt in einem solchen Wust anfangs jede Übersicht.

Andere Spiele empfehlen deshalb auf einem überschaubaren Bildschirm Gegenstände für Anfänger oder ihre Helden kaufen wahlweise sogar automatisch ein - dennoch kann man in Smite z.B. stets alle Gegenstände kaufen. In Paragon muss man sich einschränken: Hier entscheidet man vor einer Partie, welche Ausrüstung man während eines Matches überhaupt kaufen kann. Genauer gesagt erstellt man aus Sammelkarten ein Deck mit den gewünschten Gegenständen und nur diese stehen später

Das Spiel gleicht bekannten MOBAs - Höhenunterschiede ermöglichen aber neue Finessen.
zum Verkauf. Das erhöht die Übersicht und man ist besser mit dem Angebot  vertraut.

Jeder Held kann zudem nur bestimmte Arten von Karten nutzen, so dass man die Eigenheiten feindlicher Kämpfer schon im Vorfeld einschätzen, aber nie auf den Punkt vorhersehen kann. Und natürlich besitzt man zunächst nur wenige Karten, erhält aber bald weitere Pakete.

Wenn der Wächter fällt

Geht es nach Superville wird das Erstellen spezifischer Decks einen großen Reiz ausmachen. Der Creative Director hofft auf Spieler, die ihre Gegner mit bewährten Kartenkombinationen locken und mit ungewöhnlichen Zusammenstellungen überraschen.

Eine Besonderheit seines Paragon ist in dieser Hinsicht auch der Wächter: eine Figur im Dschungel des Schlachtgebiets, dem nur eine starke Heldengruppe eine Kugel entreißen kann, die sie daraufhin an anderer Stelle einsetzen muss. Gelingt das, aktivieren alle lebenden Helden einen besonders mächtigen Verstärker. Schnappt sich ein Gegner die Kugel, war die Mühe umsonst. Und auch diesen Verstärker wählt jeder Spieler zuvor aus seinen Karten, so dass sich spätestens nach seinem Aktivieren individuelle Helden auf den Weg in die feindliche Basis machen.

Ausblick

Drei bis vier Stunden war ich in Epics Echtzeit-Strategie unterwegs – in seiner Tiefe kann ich Paragon noch nicht einschätzen. Offensichtlich ist der typische Aufbau eines gewöhnlichen MOBA, bei dem zwei mal fünf Helden über drei Wege und durch einen Dschungel in Richtung der gegnerischen Basis marschieren, dabei neue oder stärkere Fähigkeiten erhalten, Verstärker kaufen und feindliche Verteidigungsanlagen zertrümmern. Sind kleine Neuerungen genug, damit sich Paragon von dem sehr ähnlichen Smite abhebt? Die unterschiedlichen Höhenmeter des Geländes erlauben immerhin Aktionen, die es dort nicht gibt, und das Zusammenstellen eigener Kartendecks ist ein interessantes taktisches Element. Nein, einschätzen kann ich Paragon noch nicht. Einen vielversprechenden Eindruck hinterließen die ersten Stunden aber allemal.

Einschätzung: gut

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