Vorschau: Ein gewaltiger Überlebensk(r)ampf?
Hunger und Durst
Metal Gear Survive (ab 8,94€ bei kaufen) macht es einem am Anfang nicht leicht, es zu mögen: Zum einen muss man die hanebüchene Story verarbeiten, wonach am Ende von Metal Gear Solid 5: Ground Zeroes die zerstörte Motherbase samt ihrer Crew in ein Wurmloch gezogen wird und in einem alternativen Universum landet, in der ein gefährlicher Parasit wütet und Menschen in blutrünstige Monster verwandelt. Zum anderen muss man akzeptieren, dass das Spiel zwar Metal Gear heißt, aber nicht viel in ihm steckt, was man mit der Serie verbindet: Hier gibt es keinen vorgefertigten Helden, keine klassische Tactical Espionage Action oder filmreife Zwischensequenzen. Stattdessen erstellt man in einem Editor seine eigene Figur und muss schnell erkennen, dass Konami den Untertitel „Survive“ nicht nur aus Spaß gewählt hat: Im zähen Einstieg ist man zunächst vornehmlich damit beschäftigt, seinen Hunger und Durst zu stillen. Also hält man bei ersten
Der Meisterkoch
Glücklich kann man sich schätzen, wenn man noch eine Wasserflasche findet, die den Sprung in die neue Dimension heil überstanden hat. Denn das verschmutzte Wasser der Seen, Flüsse und Rinnsale birgt immer das Risiko, sich bei einem Schluck zu viele Keime einzufangen und die Gesundheit zu gefährden. Das Fleisch von Tieren, die man vor der tödlichen Speer-Behandlung aufgrund der trägen Angriffe am besten zunächst mit Händen und Füßen bewusstlos prügelt, sollte man ebenfalls nur im Notfall roh verzehren. Hat man noch genügend Kraftreserven, empfiehlt sich zuerst der Gang zurück ins Lager, wo man nicht nur seine gesammelten Ressourcen einlagern oder an Werkbänken verwerten, sondern auch Gerichte an der Kochstelle zubereiten und den Spielstand speichern kann. Egal ob Schrauben, Stoff, Stahl oder Holz: Man sollte alles mitnehmen, was nicht niet- und nagelfest ist. Denn früher oder später eröffnen sich Möglichkeiten, all den Sammelkram sinnvoll zu verarbeiten, um nützliche Gegenstände herzustellen, darunter Waffen, Klamotten, Ausrüstung und sogar ganze Gebäude. Teilweise muss man allerdings erst die entsprechenden Anleitungen aufstöbern, um das entsprechende Objekt bauen zu können. Praktisch: Fundstellen von Ressourcen dürfen manuell mit einer vorgefertigten Auswahl an Stempeln auf der Karte markiert werden, von der zu Beginn ein Großteil verdeckt ist und erst nach ausgiebiger Erkundung langsam sichtbar wird.
Schleichen statt Kämpfen
Atemnot und Verteidigung
Neben mehr oder weniger leckeren Gerichten feiert man mit der Gasmaske einen ersten großen Crafting-Erfolg. Denn nur mit dieser Schutzausrüstung ist es möglich, die verseuchten Areale zu betreten, in denen nicht nur die Sicht durch eine dicke Staubschicht beeinträchtigt wird, sondern auch ein guter Orientierungssinn nötig ist, da die Bereiche erst nach der Rückkehr ins Hauptquartier kartographiert werden. Dort begibt man sich u.a. auf die Suche nach so genannten Wurmloch-Generatoren: Sie fungieren als Portale innerhalb der fremden Welt, mit denen man seine Mobilität massiv steigern kann. Schwache Lichter innerhalb der dichten Suppe geben Hinweise, wo sich die Mini-Stargates befinden. Vor der Verwendung müssen sie allerdings erst aktiviert werden, doch lockt die Lautstärke beim Hochfahren Gegnerhorden an, vor deren Attacken man den Generator beschützen muss. Hier zeigt Survive eine neue Facette im Spielverlauf, die sich am besten mit einer klassischen Tower Defense vergleichen lässt. Bevor man die Aktivierung des Portals startet, befestigt man die nähere Umgebung zunächst mit den in der Basis zusammengeschusterten Zäunen, Sandbarrieren, Fallen sowie anderen Hindernissen, um den Vormarsch der aufgehetzten Meute zu verlangsamen. Hier entsteht durchaus eine situative Spannung, wenn man dem Ende des heruntertickenden Timers entgegenfiebert und hofft, die Stellung lange genug halten zu können. Ist man erfolgreich, werden übrigens alle verbliebenen Gegner durch einen Energie-Impuls des frisch aktivierten Wurmlochs vernichtet. Auch das Knacken gut gesicherter Kisten lässt den Puls steigen: Meistert man das simple Minispiel? Oder vergeigt
Mehr Fantasy als Realismus
Eines ist nach dem Anspielen klar: Metal Gear: Survive ist mit seinem umfangreichen Ressourcen-Management sowie den Survival-Aspekten durchaus anspruchsvoll und bietet eine überraschende Spieltiefe, hat mit Aspekten wie Wurmlöchern, parasitären Gegnern, merkwürdigen KI-Pods und den ganz eigenen Regeln der Parallelwelt aber dennoch einen deutlichen Arcade-Touch. Dieser spiegelt sich auch im Sammeln der mysteriösen Kuban-Energie wider, die auch als Währung beim Craften und dem Kauf von Skill-Punkten fungiert. Tatsächlich ist es sogar möglich, den schwindenden Sauerstoffgehalt in den verseuchten Zonen durch die Investition von Kuban wieder im Handumdrehen aufzufüllen. Dieser Metal-Gear-Ableger bleibt also immer noch mehr ein Spiel und ist weniger eine knallharte oder gar übertrieben realistische Überlebens-Simulation. Später wird man auch eigene Nahrung anbauen und die Überbleibsel der alten Motherbase zu einer gut geschützten Festung ausbauen können. Auch das Personalmanagement, wie man es schon aus vergangenen Teilen der Reihe kennt, wird wieder von Bedeutung sein, wenn man sein Hauptquartier Schritt für Schritt erweitert und sein Personal mit diversen Aufgaben wie der Entwicklung neuer Gadgets beauftragt. Das große Ziel ist allerdings nicht, sich in der fremden Welt gemütlich einzurichten, sondern wieder einen Weg nach Hause zu finden.
Die Story kann bisher noch nicht fesseln und leidet sogar eher unter langweiligen sowie mäßig inszenierten Dialogen. Selbst wenn man den Wurmloch-Unsinn irgendwann akzeptiert, gibt das Szenario rund um den geheimnisvollen Parasiten in den ersten Stunden nicht unbedingt viel her. Gleiches gilt für die Technik: Zwar ist die Bildrate überwiegend ordentlich, doch enttäuscht die Kulisse zumindest auf der Standard-PS4 durch karge Landschaften, eine geringe Weitsicht mit häufige Pop-ups sowie stark ausgeprägten Flimmerkanten.
Booster-Alarm
Ausblick
Eigentlich beinhaltet Metal Gear: Survive so ziemlich alles, was ich an der aktuellen Spielewelt verabscheue: Sammelwahn, Crafting-Zwang und Mikrotransaktionen! Hinzu kommt, dass es mit dem klassischen Schleichansatz der Reihe nur noch sehr wenig gemeinsam hat, obwohl es inhaltlich mit seiner lächerlichen Wurmloch-Geschichte an Ground Zeroes anknüpft und auch technisch auf Metal Gear Solid V basiert. Privat hätte ich den Ableger schon allein aufgrund der mühsamen Nahrungssuche und dem penetranten Magenknurren nach den ersten 15 Minuten enttäuscht abgebrochen und nie wieder angefasst. Doch im Rahmen der mehrstündigen Anspiel-Session stellte sich nach dem zähen Einstieg dank zunehmend besserer Ausrüstung tatsächlich noch eine gewisse Erkundungslust mit gelungenen Spannungsmomenten ein, wenn man sich orientierungslos durch den toxischen Nebel schlägt, Wurmloch-Transporter im Tower-Defense-Stil vor anrückenden Gegnerwellen verteidigt oder eine verletzte Zielperson evakuiert. Trotzdem ist der Metal-Gear-Fan in mir extrem enttäuscht von der Ausrichtung, die Konami mit diesem Ableger verfolgt. Der Spieler in mir ist dagegen positiv überrascht, wie viel Tiefe und Anspruch in Survive steckt. Wer Überlebens-Simulationen mit einem gewissen Fantasy-/Arcade-Einschlag und Basis-Management etwas abgewinnen kann, könnte hier vielleicht ähnlich gut unterhalten werden wie Schnetzel-Freunde mit dem Action-Ableger Metal Gear Rising. Wer aber auf eine Fortsetzung der Saga mit einer packenden Geschichte hofft, dürfte hier den Untergang der Marke Metal Gear wittern.
Einschätzung: befriedigend
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