Assassin's Creed Odyssey13.09.2018, Mathias Oertel
Assassin's Creed Odyssey

Vorschau: Abenteuer-Spielplatz mit Entscheidungen

Ubisoft bleibt der Antike mit Assassin‘s Creed Odyssey treu. War man letztes Jahr im Ägypten zur Zeit Kleopatras unterwegs, darf man nun sein Glück im Griechenland zur Zeit des Krieges zwischen Sparta und Athen suchen. Und das sogar mit zwei Figuren sowie vielen Entscheidungen, für Konsequenzen sorgen sollen. Wir haben eine fast fertige Version gespielt.

Das erste Vorurteil

Es gab eine Zeit, da konnte ich es gar nicht erwarten, einen neuen Teil von Assassin‘s Creed in den Händen zu halten. Genauer gesagt, war dies vor etwa acht Jahren, als Ezio Auditore in der Rolle des Meuchelmörders über drei Episoden hinweg (AC 2, Brotherhood, Revelations) von Florenz bis Konstantinopel Templer bekämpfte. Gleichzeitig kämpfte sein Gegenwarts-Nachfahre Desmond Miles gegen die Schergen von Abstergo, die als moderne Inkarnation der Templer im Kampf zwischen Gut und Böse die dunkle Seite einnahmen. Doch danach verlor Ubisoft mit weiteren jährlichen Veröffentlichungen und stets neuen Helden zunehmend den Faden – auch wenn mit Asssasin‘s Creed 4 – Black Flag karibisches Piratenflair für ein erneutes Aufflammen der Sympathien sorgte. Entsprechend positiv habe ich seinerzeit die Entscheidung von Ubisoft begrüßt, dass man der Serie nach dem mauen „Syndicate“ eine kreative Pause gönnen würde – im entsprechenden Video-Epilog von damals hatte ich genau das gefordert. Und mit der Rückkehr in Form von Assassin‘s Creed Origins schlug man nicht nur interessante neue Wege ein, sondern verpasste den Mechaniken eine dringend benötigte Frischzellenkur, wobei man sich allerlei Elemente aus dem Action-Rollenspiel bediente. Alles schien auf dem richtigen Weg zu sein.

Nicht nur der Adler erinnert an den Vorgänger Assassin's Creed Origins. Auch Kampfsystem sowie weitere Basismechaniken und die bildhübsche Kulisse bleiben im antiken Griechenland nahezu unverändert.
Und jetzt? Jetzt scheint man wieder im jährlichen Turnus verbandelt zu sein, der für mich mit nur ganz wenigen Ausnahmen (ich verweise hier erneut auf die Ezio-Trilogie) die nötigen Fortschritte mit sich brachte, um sich Jahr um Jahr frisch zu präsentieren. Immerhin: Das für Odyssey hauptsächlich zuständige Studio von Ubi Quebec scheint hinsichtlich der grundsätzlichen Ausrichtung als Action-Rollenspiel (und damit den Fußstapfen von Origins folgend) mit Montreal ein gewisses Fundament gegossen zu haben. Wer mit Bayek in Ägypten unterwegs war, kennt sowohl das eingängige, aber dennoch auch Geschick fordernde Kampfsystem und das Inventarmanagement mit seinen zig Rüstungsteilen und Waffenoptionen. Trotzdem und genau deswegen war ich skeptisch, als ich mit einer nahezu fertigen Version in die Zeit von Sokrates, Hippokrates und Perikles abtauchen durfte. Denn auf mich machte Odyssey bis dato nur den Eindruck eines sehr aufwändigen Add-Ons.

Der zweite Eindruck

Gut fünf Stunden später muss ich sagen, dass ich wieder vom Assassin‘s-Creed-Fieber gepackt wurde. Noch nicht wie seinerzeit bei den Ezio-Abenteuern. Und auch noch nicht wie letztes Jahr, als Origins mit seinem neuen Ansatz punktete und mich nicht nur mit dem frischen Kampfsystem oder dem guten Drehbuch der Hauptgeschichte sowie der in 4K sehr ansehnlichen Kulisse dutzende Stunden an den Bildschirm fesselte. Doch Odyssey bringt einige neue Ansätze mit, die zusammen mit der Re-Animierung anderer bewährter Elemente aus der mittlerweile 11 Jahre alten Serie ein sehr stimmiges Gesamtpaket andeuten. Und man hat sogar die eine oder andere Überraschung im Gepäck, die entsprechend umgesetzt das Erlebnis aufwerten könnten. Doch zum einen wird sich vieles davon erst mit der Testversion zeigen, zum anderen eins nach dem anderen: In Odyssey schlüpft man im Jahr 431 v.Chr. wahlweise in die Rolle der Geschwister Alexios oder Kassandra, die als Spartaner aufwuchsen, bevor ein Schicksalsschlag dafür sorgte, dass man auf dem kleinen westgriechischen Eiland Kefalonia aufwächst und sich schließlich als Söldner meist im Dienst des zwielichtigen Markos seine Drachmen verdient. Die

In Assassin's Creed Odyssey (ab 22,19€ bei kaufen) wird man häufig Entscheidungen treffen dürfen, deren Auswirkungen nicht nur kurz-, sondern auch mittel- oder langfristige Konsequenzen haben können.
Entscheidung, die man anfangs trifft, ist endgültig – es ist nicht wie z.B. in Syndicate möglich (hier kamen auch Geschwister zum Einsatz), ggf. im vorgegebenen Wechsel mit Kassandra oder Alexios zu spielen.

Erzählerisch wird dies plausibel begründet, wobei das Drehbuch ohnehin wieder einmal in der Lage scheint, evtl. auftauchende spielerische Schwächen in den Bereichen Kampf oder Gebietserforschung mit Dramaturgie und cleveren Wendungen aufzufangen. Und das, obwohl man die Story deutlich offener anlegt und dem Spieler viele Entscheidungen mit Konsequenzen anbietet, die sich in den gut 30 Stunden Zwischensequenzen mit hunderten gesprochenen Dialogen zeigen. Inwieweit sich dabei sogar Entscheidungen zeigen, die man nur mit einem der Protagonisten erlebt oder ob beide mit ähnlichen Charakteristika gezeichnet werden, wird sich ebenfalls erst genauso im Test zeigen wie viele Auswirkungen der Konsequenzen, die laut Entwickler mal kleiner, aber durchaus auch gravierender ausfallen sollen. Im Rahmen der Vorschau haben wir uns auf Alexios konzentriert, dessen Spartaner-Blut sich vor allem in seinen Kampffähigkeiten äußert, die in Abhängigkeit von der verwendeten Waffe leicht wuchtiger wirken als noch bei Bayek. Dabei überrascht Odyssey mit einer neuen Tendenz zu visueller Gewalt – wenngleich vorrangig in Zwischensequenzen. Die Serie war unter dem Strich nie zimperlich, rote Pixel auszuschütten. Doch im antiken Griechenland scheint man sich in dieser Hinsicht auf einem neuen Hochniveau präsentieren zu wollen – was aber dieser Phase der Menschheits-Geschichte entspricht und sich letztlich an die Visualierung in Zack Snyders Spartaner-Drama „300“ anlehnt, von dem man auch den Kick nach vorne als Spezialbewegung in einem der drei Fähigkeitenbäume ausgeliehen hat.

Besser ohne Vorgaben

Hinsichtlich der Gebietserforschung und da vor allem bei der Suche nach Missionszielen bietet Ubisoft endlich etwas mehr Freiheit an. Zwar werden auf Karte und in der Kompassleiste immer noch (wie bei Bethesdas Rollenspiel-Schwergewichten) interessante Orte etc. markiert. Doch man kann und sollte zum Start mit der Wahl des Schwierigkeitsgrades, von denen vier zur Verfügung stehen (für die Vorschau habe ich „Normal“ gewählt) den Modus „Exploration“ aktivieren. Dann nämlich werden wichtige Questziele nicht umgehend auf der Karte markiert wie bisher. Stattdessen bekommt man Hinweise, mit deren Hilfe man das Gebiet eingrenzen und sich einen ungefähren Zielpunkt setzen kann. Oder aber man versucht, durch Gesprächsoptionen weitere Informationen zu bekommen, um das möglich Zielgebiet weiter zu verkleinern. So ganz ohne Hilfe kommt aber auch die „Exploration“ nicht aus: ist man ca. 200 Meter vom Ziel entfernt, bekommt man eine Mitteilung, dass man seinen Adler, der sich identisch zu dem in Origins steuert, losschicken kann, um das Gebiet auszuspionieren. Diese antike Variante einer Drohne ist hinsichtlich der Entdeckung von Gegnern, Schätzen etc. immer noch etwas zu übermächtig und lässt sich später zudem erneut aufwerten, um Feinde abzulenken oder ihnen mit einem Sturzflugangriff zuzusetzen. Mit den Haupt- und Nebenaufgaben, die einen noch vor der offiziellen Einblendung des Spielelogos als Ende des Einstiegs/Tutorials erwarten, kann man sich einige Stunden angenehm aber weitgehend überraschungsfrei unterhalten – vor allem, wenn man letztes Jahr in Ägypten unterwegs war und daher die Höhlenerforschung etc. kennt.

Die Kämpfe bieten mechanisch zwar nur wenige Unterschiede zum Vorgänger, wirken aber wuchtiger.
Bei der zwar umfangreichen, aber letztlich auch zeitlich eingeschränkten Sitzung für die Vorschau habe ich nach etwa drei bis vier Stunden sogar einige Nebenmissionen links liegen lassen. Das lag aber nicht an der Qualität der Mini-Geschichten, die einige interessante Ansätze boten. Sondern vielmehr daran, dass man mechanisch zumeist Bekanntes aufrief. Bei einigen Aufgaben war allerdings das neue Dialogsystem mit seinen Konsequenzen spürbar. Vorerst zwar nur in Ansätzen, da man zum einen mit nur wenigen Ausnahmen noch keine wirklich gravierenden Entscheidungen treffen konnte. Und zum anderen, da in einer etwa fünf Stunden „kurzen“ Session natürlich keine Zeit war, um feststellen zu können, welche Auswirkungen eine Entscheidung aus der Frühphase in späteren Phasen haben. Doch was zu spüren war, macht Lust auf mehr und soll sich auf verschiedene Bereiche auswirken. Das können Allianzen zu Personen sein, Romanzen und einiges mehr, wobei sich sogar neue Missionen hinter dieser oder jener Dialog-Option verstecken können. Man kann sogar versuchen, sich als Gott auszugeben oder die Erfüllung einer Quest vortäuschen, obwohl man sie nicht beendet hat. Dabei war Ubisoft Quebec wichtig, kein Wertesystem anzusetzen. Hier soll es nicht um richtige oder falsche Entscheidungen gehen, sondern darum, wie man mit der Welt interagiert und wie sie ihrerseits darauf reagiert. Im Test werden wir beantworten, ob es gelungen ist, mit diesem System die Welt von Assassin’s Creed maßgeblich aufzuwerten.

Griechenland ist mein Spielplatz

Hat man Kefalonia den Rücken gekehrt, wird man von einer zurückkehrenden, aber erweiterten sowie einer neuen Mechanik begrüßt. Fans von Assassin’s Creed 4 – Black Flag wird es freuen, dass die Seefahrt samt imposanter Gefechte wieder ein essenzieller Bestandteil der Spielerfahrung sein wird. Neu dabei ist allerdings, dass man Offiziere anheuern und so die Effektivität seiner Triere verbessern kann. Dass diese Offiziere erst gefunden oder im Kampf beim Entern eines gegnerischen Schiffs besiegt werden müssen, macht die Gefechte einen Tick spannender, da man etwas vorsichtiger agieren muss, wenn man sie nicht „aus Versehen“ töten will. Dass beim Durchqueren der Ägäis ähnlich wie beim etwa 2200 Jahre später angesiedelten Piraten-Abenteuer mit Edward Kenway zu viele Schiffe unterwegs sind und auch das Zusammentreffen mit der

Seefahrt und Schiffskämpfe dürften eine ähnlich große Rolle spielen wie seinerzeit bei Assassin's Creed Black Flag.
Meeresfauna zu häufig stattfindet, ist allerdings schade. Wenn man quasi alle Nase lang auf Delfine oder Wale trifft, werden diese Momente ihres „Speziellen“ beraubt. Dennoch scheint die Re-Integration der bei Assassin’s-Creed-Fans beliebten Seefahrerei eine gute Wahl gewesen zu sein.

Ebenfalls interessant ist das Metaspiel, das einem bei seinem Ausflug durch das enorm große Griechenland begegnet. Man kann versuchen, durch bestimmte Aktionen und Kämpfe (sprich: die Dezimierung der gegnerischen Truppen) den Ausgang des Peloponnesischen Krieges zwischen Athen und Sparta maßgeblich zu beeinflussen. Leider hatte die Zeit nicht mehr gereicht, um diesen Bereich etwas weiter auszuloten und so z.B. festzustellen, ob man auf eine Seite (Sparta) festgelegt ist oder sich später in bester Söldnermanier beiden Fronten anbieten kann. Ebenfalls muss im Test geklärt werden, inwiefern die lokalen Einmischungen Auswirkung auf den Kriegsverlauf hat und ob man eventuell sogar das historisch verbürgte Ende verändern kann. Vieles davon wird natürlich auch davon abhängen, wie der Kampf zwischen Assassinen und den Vorfahren der Templer auf der Jagd nach Edensplittern integriert wird. Doch auch davon waren bis hierhin nur interessante Ansätze zu spüren.

Ausblick

Meine ursprüngliche Skepsis, dass Assassin’s Creed Odyssey nur ein extrem aufwändiges Missions-Pack für den Vorgänger Origins sein könnte, wurde in den ersten fünf Stunden im antiken Griechenland fast vollends beseitigt. In der Anfangsphase, in der man die nahezu identischen Kampf- sowie Erforschungsmöglichkeiten einsetzt, während man die abermals sehr ansehnliche Kulisse bestaunt, erinnert zwar vieles an Bayeks Ägypten-Abstecher – inklusive der noch schwach reagierenden KI. Doch sowohl der neue Explorations-Modus, bei dem man nicht direkt das Questziel auf der Karte angezeigt bekommt, sondern durch Auswertung von Informationen sein Ziel eingrenzen muss, die interessanten Nebenmissionen als auch die Hauptgeschichte, die um ein Dialogsystem samt Entscheidungen sowie Konsequenzen ergänzt wurde, machen Lust auf mehr. Zwar ließen sich noch keine gravierenden Auswirkungen der getroffenen Entscheidungen feststellen, doch die in Aussicht gestellten Möglichkeiten wecken die Neugier. Mit der Rückkehr der Seefahrt samt imposanter Schlachten und des ebenfalls interessanten Metaspieles, bei dem man durch kleine und größere Aktionen direkt in den Krieg zwischen Athen und Sparta eingreift, kommen zudem Elemente hinzu, die es in dieser Form bzw. diesem Umfang noch nicht gab. In jedem Fall scheint es so, dass Fans des Vorgängers auch mit Odyssey lange Spaß haben werden.

Einschätzung: gut

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