Vorschau: Der eingebildete Doppelgänger
Unfreiwilliger Heimweg
Wenn Samuel Higgs in seine alte Heimat Basswood zurückkehrt, befindet er sich in einer denkbar schlechten Phase seines Lebens. Nach der Trennung von seiner Freundin hatte er den Halt verloren, die Stadt verlassen und ist nur deshalb wieder da, weil sein bester Freund gestorben ist. Weder will er seine Familie sehen noch seine Freunde und zu allem Überfluss redet eine sehr selbstbewusste, in feinem Zwirn gekleidete Version seines eigenen Egos auf ihn ein, das so genannte „Double“. Und dann wacht Sam eines Morgens in seinem Hotelzimmer auf – mit nacktem Oberkörper, aber einem blutigem Hemd neben dem Waschbecken.
Übergeben oder Wäsche waschen?
Er kann sich freilich nicht daran erinnern, wie das Blut auf sein Hemd gekommen ist, also denkt er sich in seinen „Gedankenpalast“: eine Visualisierung seiner bruchstückhaften Erinnerung, deren Teile wie in einem schwerelosen Raum ohne Boden schweben. Dort betritt er eine unvollständige Version seines Hotelzimmers, um zentralen Bruchstücken ein Attribut zu verpassen. Er muss sich z.B. entscheiden, ob er im Bett sofort eingeschlafen ist oder vorher noch ferngesehen hat. Und hat er sich im Bad übergeben oder versucht das Blut von seinem Hemd zu waschen?
Welche Optionen ihm dabei zur Verfügung stehen, hängt davon ab, welche Informationen er überhaupt hat. Und so dreht sich ein großer Teil des Spiels darum, alle entscheidenden Informationen in Sams realer Welt aufzuspüren, um anschließend zu überlegen, in welcher Reihenfolge welche Ereignisse geschehen sein müssen. Interessant, dass sich Dontnod nach Remember Me und in Teilen auch Life is Strange einmal mehr mit dem Wiederherstellen von Erinnerungen beschäftigt.
Der Doppelgänger im Geiste
Twin Mirror ist allerdings kein Actionspiel wie Remember Me, sondern ein Adventure. Genauer gesagt handelt es sich um einen psychologischen Thriller, der die Wertevorstellungen seiner Spieler herausfordert, weil sie Entscheidungen treffen müssen, die zum einen natürlich Konsequenzen haben, zum anderen aber nicht eindeutig „gut“ oder „böse“ sind.
Das ist in ähnlichen Abenteuern längst Standard – Dontnod will mit dem psychisch angeschlagenen Sam und seinem fiktiven Double, aber offenbar zwei Seiten einer Persönlichkeit darstellen, die sich beide nicht gerade auf dem Pfad der Tugend befinden. Immerhin taucht das Double immer wieder auf, um Sam Alternativen anzubieten. Ob er diese annimmt, ist dann Sache der Person vor dem Monitor.
Eine Erinnerung, eine Wahrheit
Spielbar war auf der gamescom allerdings nur das Wiederherstellen einer Erinnerung, eine Art Tutorial des Adventures. Ich habe mich anschließend aber noch mit dem Produktmanager unterhalten, der den Rest des Spiels ganz klar in die selbe Sparte einordnet, in der sich auch Life Is Strange befindet. Man wird also Unterhaltungen führen und kann sich oft relativ frei umsehen.
Mich hatte außerdem interessiert, ob es stets nur eine Lösung für Zusammenstellen der Erinnerungen geben wird oder ob man sich die Vergangenheit innerhalb bestimmter Grenzen so zusammenstellen kann, wie man es gerne möchte – ähnlich wie es in Wirklichkeit ja funktioniert. Doch tatsächlich sind die Rekonstruktionen geradlinige Puzzles, deren Teile man alle finden muss, um sie in der einzigen richtigen Folge zusammenzusetzen.
Ausblick
Ein bisschen schade ist es also schon, dass Dontnod nicht stärker mit der oft irreführenden Erinnerung spielt. Trotzdem bin ich auf diesen Thriller gespannt! Immerhin erzählen die Entwickler nicht nur eine nach außen getragene Geschichte, sondern sind im Kopf ihres Protagonisten drin – nicht nur beim Kombinieren der Tatfolgen vergangener Ereignisse, sondern auch beim Darstellen seines fiktiven Alter Egos. Wie sich Handlung, Dialoge und Entscheidungen entwickeln, ist dabei noch gar nicht klar, denn die Messe-Demo drehte sich ausschließlich um den Gedankenpalast. Einen guten ersten Eindruck hinterließ sie dabei aber allemal.
Einschätzung: gut
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