Marvel's Spider-Man04.09.2018, Mathias Oertel
Marvel's Spider-Man

Im Test: Kinoreife Story in offener Welt

Seit nunmehr fast 20 Jahren schwingt sich Spider-Man auf diversen Systemen unter der Fahne von Activision durch offene Welten oder kämpft in klassischen Action-Adventures gegen seine Erzfeinde. Das neue Abenteuer des Spinnenmannes ist nicht nur exklusiv auf der PS4 zu haben. Mit Insomniac Games (Ratchet & Clank, Resistance) steht zugleich ein Studio hinter der Entwicklung, das es versteht, klassischen Konzepten neue Facetten abzugewinnen. Im Test klären wir, ob sich Peter Parker unter frischer Regie zu Hochform aufschwingen kann.

Gestandener Held

Insomniac verzichtet darauf, zum x-ten Mal die Ursprungsgeschichte von Spider-Man bzw. seinem zivilen Alter Ego Peter Parker zu erzählen. Stattdessen wird man mit einem nahtlosen Übergang von Zwischensequenz zum Spiel direkt ins Geschehen geworfen, in dem Spidey seit gut acht Jahren für Ordnung sorgt. Genauer gesagt: Man schwingt sich sehr intuitiv durch Manhattan, auf dem Weg zum ersten Ganoven, den man in Form von Wilson „Willy“ Fisk, besser bekannt als Kingpin, dingfest machen möchte. Der Kniff, auf die Ursprünge zu verzichten, hat hier positive Auswirkungen. Nicht nur, weil mittlerweile eigentlich jedem halbwegs interessierten Fan bekannt sein müsste, dass Peter von einer genetisch veränderten Spinne gebissen wurde und er sich bedingt durch den gewaltsamen Tod seines Onkels zum Verbrechensbekämpfer aufgeschwungen hat. Sondern vor allem auch, weil man dramaturgisch gleich Vollgas geben kann. Und das Tempo hält man über drei Akte und insgesamt gut 28 bis 35 Stunden (je nach Nebenaufgaben) bis zum spannenden Finale. Hier zahlt sich aus, dass Insomniac für die Erstellung der Figuren und Hauptgeschichte eng mit Marvel zusammengearbeitet hat. Kinoreif inszeniert sowie unterstützt von einem richtig guten Drehbuch und überzeugenden virtuellen Protagonisten, wird hier bei der Kerngeschichte eine Tour de Force abgefackelt, die inhaltlich keine Probleme hätte, sich in das aktuelle „Cinematic Universe“ einzusortieren.

Die Inszenierung der Hauptgeschichte ist von Anfang bis Ende überzeugend und legt nicht nur einen Fokus auf Action, sondern setzt auch ruhige Momente ein.
Ruhige Momente wechseln sich ab mit dramatischen, wobei natürlich auch die Action nicht zu kurz kommt und teils pompös eingefangen wird. Dass zudem die wesentlichen Story-Elemente oder –Konsequenzen mehr oder weniger mit den ersten Aktionen von Spider-Mans Jagd auf Kingpin zusammen hängen, ist dabei erzählerisch ein sehr gelungener Kniff. Ebenfalls gelungen: Insomniac gibt Spider-Man und vielen mit ihm verbundenen Personen wie Mary Jane Watson (MJ), Harry Osborne oder Tante May, bislang eher selten oder noch gar nicht genutzte Rollen und neue Facetten, so dass auch Fans, die nahezu jedes Abenteuer von Peter Parker herunterbeten können, überrascht werden dürften. Aus Spoiler-Rücksicht möchten wir an dieser Stelle allerdings nicht auf Details eingehen. Dass Insomniac bei der Gestaltung eines „eigenen“ Spider-Man die volle Unterstützung von Marvel hatte, zeigt sich auch in dem ganz speziellen Anzug, den er trägt und den es (bislang) nur im Spiel gibt. Dennoch gibt es leichte Berührungspunkte zum Filmuniversum: Die Augen der Spider-Maske können sich hinsichtlich der Größe ähnlich verändern wie bei dem Anzug, den Tom Holland als Peter in Spider-Man Homecoming oder Avengers: Infinity War trägt. Und wer genau hinhört, dürfte auch bei der in jeder Hinsicht gelungenen dynamischen Hintergrundmusik Themen entdecken, die an Homecoming erinnern. Zusätzlich scheint sich Insomniac aber auch die Filme von Sam Raimi mit Tobey Maguire angeschaut zu haben, da auch hier einige Zitate bzw. Verbeugungen ausgemacht werden können.

Postkarten-Grüße aus Arkham City

Im angenehm großen, aber nicht überfrachteten New York City kann man mit Spider-Man immer wieder stimmungsvolle Panoramen erleben.
Bei der Mechanik, die einen von Anfang bis Ende begleitet, zeigt sich einerseits die Erfahrung, die sich Insomniac mit dem Xbox-One-Ausflug Sunset Overdrive angeeignet hat: Wenn man mit Spidey durch den urbanen Dschungel des erstaunlich großen und teils sehr akkurat nachgebildeten New York City vom Central Park bis zur Freiheitsstatue schwingt, kommt eine angenehme Dynamik auf. Dass man sich dabei nur höher schwingen kann, wenn entsprechende Gebäude in der Nähe sind, erhöht den „Realismus“ dieser Fortbewegungsart, die einen über 97% der Zeit beschäftigt. Später kommen auch noch Sonderbewegungen hinzu, mit denen man die Schwunggeschwindigkeit erhöhen und den Hochhaus-Parcours des Big Apple schneller durchqueren kann. Gleichzeitig werden aber auch Erinnerungen an Rocksteadys Batman-Abenteuer heraufbeschworen, bei denen der letzte Ausflug Arkham Knight bei Weitem nicht an den mit Gold prämierten Vorgänger Arkham City heranreichen konnte. Die Dynamik und auch die Übergänge zwischen der Erkundung der Stadt auf der einen Seite sowie Kämpfen oder Nebenaufgaben auf der anderen, erinnert ebenfalls an den Dunklen Ritter. Doch nicht nur in diesem Bereich hat sich Insomniac ganz genau angeschaut, welche Mittel bei Batman zum Erfolg geführt haben.

Das Kampfsystem zeigt in Grundzügen sowohl die Wucht des Dunklen Ritters als auch die Dynamik mit ihrem gelungenen Kontersystem. Über nur wenige Tasten lassen sich sowohl eindrucksvolle Kombos abfackeln, wobei man die Gegner auch in die Luft befördern und sich mit seinen Spinnenfäden allerlei Modifikatoren für seine Attacken schaffen kann. Zusätzlich setzt Spider-Man auf einen verstärkten Fokus der Umgebungsinteraktion. Man kann sich seiner Kontrahenten z.B. entledigen, indem man sie an die Wand (s)pinnt. Und man kann über die Schultertasten z.B. Baugerüste auf die Gegner einstürzen lassen oder Autotüren, Gullideckel etc. zweckentfremden und sie auf die Feinde schleudern. Zusammen mit den Upgrade-Möglichkeiten, die man sich für seine Gagdets oder Erweiterungen besorgen kann, ergeben sich zahlreiche Optionen, die Feinde effektiv und visuell eindrucksvoll auszuschalten – bis hin zu Finishern, die man über die aufgeladene Fokus-Leiste aktivieren kann, um sich besonders gefährlicher Feinde schnellstmöglich zu entledigen. Dennoch lässt sich nicht verhindern, dass auf lange Sicht eine gewisse Routine Einzug hält. Zwar gibt es mit diversen Fraktionen, die ihre Schergen entsenden, nominell viel Abwechslung, während optionale Aufgaben in jedem Kampf eine bestimmte Herangehensweise belohnen. Doch bis auf wenige Ausnahmen setzen sich die Armeen aus den gleichen Prototypen zusammen, sprich: z.B. den normalen Schlägern, denen mit Schlagstock, Schild, den muskelbepackten „Brutes“ usw. Dadurch verlaufen die Gefechte irgendwann sehr ähnlich, da man sich für jeden Typus eine bestimmte Strategie zurechtgelegt hat. Das versucht man zwar meist erfolgreich durch eine entsprechende abwechslungsreiche Zusammenstellung der angreifenden Feinde aufzulockern, wobei natürlich die wenigen Fraktions-spezifischen Gegner wie z.B. die Sable-Agenten mit ihrem Raktenrucksack oder die Schwertkämpfer der „Dämonen“ immer wieder eine gern gesehene Ausnahme bilden. Dennoch hätte es nicht geschadet, wenn man innerhalb der Fraktionen häufiger auf unterschiedliche Kampftaktiken reagieren müsste.

Nicht wie Sam Fisher

Die oberflächlichen Schleichelemente werden nicht nur in Missionen, sondern auch Herausforderungen eingesetzt.
Doch ähnlich wie bei Batmans Rocksteady-Abenteuern ist manchmal das Agieren aus dem Verborgenen die beste Lösung. Allerdings bietet man hier meist nur Stealth-Light-Varianten. So gibt es z.B. keine aktive „Schleichhaltung“, die man einnehmen könnte, um sich hinter Objekten noch kleiner zu machen. Entweder man befindet sich im Sichtfeld der Feinde oder nicht. Um den zumeist aufmerksamen Blicken der KI-Schergen zu entgehen, sollte man die Bewegungsmöglichkeiten ausnutzen, mit deren Hilfe Spidey sich z.B. an Wänden oder an Trassen über den Köpfen der Feinde bewegen kann. So kann man gezielt über Netzschwünge an Positionen gelangen, von denen aus man die nichts ahnenden Gegner mit nur einem Angriff ausschalten kann. Allerdings sollte man eventuell nachfolgende Patrouillen einkalkulieren. Wenn diese über einen eingesponnenen Kameraden stolpern, lösen sie zumeist Alarm aus, wodurch das Vorwärtskommen massiv erschwert wird und in manchen Fällen sogar zum Scheitern der Mission führt, da die Geiseln in diesem Fall getötet werden. Ähnlich wie Batman kann man aber auch Gadgets einsetzen, um die Kontrahenten aus dem Verkehr zu ziehen – allen voran die Netzmine, die man im Laufweg platzieren kann und die einmal aktiviert, den Gegner umgehend einspinnt und damit unschädlich macht.

Viele Aktivitäten wie z.B. das Freischalten von Funktürmen sind nur Varianten von Elementen anderer Spiele.
Obwohl man  in diesem Bereich nicht mit „ausgewachsenen“ Stealth-Abenteuern mithalten kann, sorgen diese Abschnitte jedoch stets für einen angenehmen Tempowechsel und erfordern normalerweise ein bedachtes Vorgehen. Zumindest hat man hier häufig mehrere Methoden zur Auswahl, um die Feinde auszuschalten. Bei den Story-Missionen, in denen man nicht mit Spider-Man, sondern anderen Figuren wie z.B. MJ unterwegs ist, sieht das schon anders aus. Ebenfalls als prinzipielle Schleichlevel konzipiert, versucht man der Verletztlichkeit dieser Charaktere Tribut zu zollen, indem sie über einen Großteil der Zeit nicht entdeckt werden dürfen, da sie keinerlei Verteidigungsoption haben – in diesem Fall muss man am letzten der fair gesetzten Kontrollpunkte einen neuen Versuch unternehmen. Das Leveldesign wurde zwar darauf abgestimmt, sorgt aber mit viel zu wenigen Ausnahmen für ein Trial&Error-System, da es nur einen „richtigen“ Weg gibt, bei dem man das richtige Timing treffen muss, während man zusätzlich an vorgesehenen Positionen Ablenkungsmanöver auslösen kann. Als Tempoabweichung und vor allem als dramaturgisches Mittel, um die Geschichte aus einer anderen Perspektive zu zeigen, sind diese Einschübe gelungen. Spielmechanisch haben sie trotz der entstehenden Spannung gehörig Luft nach oben.  

Keine Selfie-Flut

Das gilt übrigens auch für die offene Welt. Visuell gibt es zwar nicht viel an ihr auszusetzen: Die Stadt wirkt mit ihren stark befahrenen Straßen und ihren Zivilisten sehr belebt – und das gilt auch für die Vertikale. Pausiert man z.B. beim Wandlauf, stellt man fest, dass sich in den Fenstern nicht nur die Umgebung formschön spiegelt, sondern auch der Blick durch Fenster in schick modellierte Zimmer ermöglicht wird. Zusätzlich kann man ebenfalls auf einigen Hochhausdächern Personen finden, die feiern oder sich in einem angeregten Gespräch befinden. Im Central Park flanieren Familien und scheinen vom Alltagsstress in New York City abzuschalten und der Times Square mit seinen mächtigen Lichtreklamen ist geschäftiger als ein Bienenstock. Der Avengers Tower ist ebenfalls einen Kletterausflug wert. Und mit den unterschiedlichen (vorgegebenen) Licht- und Wetterstimmungen (erst nach dem Abschließen der Story hat man die Option, die Tageszeit zu ändern) bekommt der Big Apple immer wieder einen neuen sehenswerten Anstrich verpasst, der mich über die gelegentlich bei schnellen Schwüngen in Bodennähe aufpoppenden Detailtexturen hinweg sehen lässt. Doch sobald man sich die Zivilisten genauer anschaut, kriegt der eigentlich sehr gute Eindruck erste Risse. Nicht nur, dass sie hinsichtlich des deutlich verringerten Detailgrades im Vergleich zu den Protagonisten aus einer anderen Welt zu kommen scheinen. Hier werden auch zunehmend Klone eingesetzt, die das Bild der lebendigen Stadt zwar nicht ausradieren, aber mit leichten Störstreifen versehen.

Dass mit Spider-Man ein Held in ihrer Mitte weilt, wird von zu vielen Passanten ignoriert. Eine gelungene Interaktion mit der Zivilbevölkerung findet nur selten statt - hier war Sucker Punch mit Infamous effektiver.
Und für den Fall, dass man nicht schwingend die 5th Avenue entlang rauscht, sondern z.B. nach einer Nebenmission oder der Bekämpfung eines „spontanen“ Verbrechens länger auf den Straßen verweilt, stellt man fest, dass die Interaktion der Zivilbevölkerung mit Spider-Man eingeschränkt ist. Ja: Von Zeit zu Zeit kommen aufmunternde Zurufe oder Aufforderungen, die Maske herunter und sich erkennen zu geben. Doch größtenteils passiert rein gar nichts. Die Passanten starren einen an, durch einen durch oder an einem vorbei und zücken nicht einmal ein Mobiltelefon, um ein Foto von dem Superhelden zu machen – selbst wenn man gerade vielleicht einen massiven Unfall oder einen Überfall verhindert hat. Das ist schwach und auch nicht dadurch zu erklären, dass Spidery schon seit Jahren durch New York schwingt und sich viele an seinen Anblick gewöhnt haben. Dass sich Spider-Man dieses Schicksal mit einigen anderen Open-World-Titeln teilt und in diesem Bereich in etwa auf dem Niveau von Assassin’s Creed Origins mit seiner ebenfalls eher verhaltenen Zivilisten-Reaktion auf den Helden liegt, ist nur ein schwacher Trost. Denn hier hat Insomniac eine große Chance verpasst, Batman zu zeigen, wie es gehen kann. Rocksteady hat bei Arkham City durch das fast vollkommene Fehlen von Zivilisten dieses Fass wohlweislich gar nicht erst aufgemacht. Doch hier ist es eine verpasste Chance, die Lebendigkeit der Stadt zusätzlich zu betonen. Und Sony hat zusammen mit Sucker Punch in Infamous auf der PS3 gezeigt, wie eine bessere Interaktion mit Passanten aussehen kann – von Open-World-Schwergewichten aus dem Hause Rockstar möchte ich gar nicht erst anfangen.    

Fluch der offenen Welt

Das Schwingen durch New York City ist intuitiuv und glaubwürdig: Der Seilfaden braucht einen Ankerpunkt.
Doch auch mechanisch hängt Insomniac zwischen vielen Stühlen, die eine offene Welt mit sich bringt. Einerseits muss man genug Missionen anbieten. Dann wieder sollen Erkundungsreize gegeben werden. Und zu guter Letzt soll es auch noch so wirken, als ob man nicht mit einem Flugzeug über die Karte gejagt ist und wahllos Pakete mit Missionen und Goodies abgeworfen hat – so wie es bei Ubisofts offenen Welten vor ein paar Jahren der Fall war. Zumindest Letzteres ist nicht der Fall. Sämtliche Nebenmissionen und Aktivitäten sowie die glücklicherweise wenigen Sammelaufgaben wurden gut platziert. Doch bei der Qualität gibt es starke Unterschiede. Die Nebenmissionen, die man entdecken kann, sind zwar nicht mit der Hauptgeschichte verbunden, erzählen aber durchaus unterhaltsame Anekdoten – auch wenn sie zu großen Teilen nur den mechanischen Kern von Schwingen und Kämpfen zitieren. Hier ist Arkham City abwechslungsreicher, das mit den Riddler-Puzzles oder ebenfalls von der Hauptgeschichte losgelösten Storybögen mehr Vielfalt bietet.

Bei den Aktivitäten wie dem Hacken von Polizei-Funkmasten, der Jagd auf entflohene Tauben, den Überwachungsstationen von Oscorp, die auf Umwelt-Missstände in New York hinweisen, dem „Einnehmen“ von gegnerischen Stützpunkten oder auch der allgemeinen Verbrechensbekämpfung verliert man sich nach anfänglicher Neugier und Motivation zumeist in Routine. Man wird der zumeist kleinen Aufgaben zwar nicht überdrüssig – auch, weil sie durchaus plausibel mit dem Spider-Man-Universum verknüpft sind wie z.B. die Logikrätsel, in denen man Schaltkreise optimiert oder im Spektograph Muster übereinander legt. Doch sie haben keinen großen Anteil daran, einen ans Pad zu fesseln. Dazu sind sie zu durchschnittlich designt oder als Variation von Elementen anderer Spiele mit offener Welt erkennbar. Neben der wuchtigen Story-Inszenierung als Hauptfokus hätten aber auch hochwertigere Nebenaktivitäten Probleme, sich zu etablieren. Denn nur die Präsentation der Geschichte war maßgeblich dafür verantwortlich, dass ich mich über 30 Stunden lang mit Spidey durch New York geschwungen und dabei auch den immer wieder im Radio zu hörenden Hass-Tiraden von JJ Jameson gelauscht habe, die passenderweise immer dann eingespielt wurden, wenn es vorher zu Schlüsselmomenten kam. Eine kleine Randnotiz: Dass ich schließlich auf die englische Originalversion umgeschaltet habe, liegt an persönlichen Präferenzen und nicht an der Qualität. Die ist wie bei den letzten großen Sony-Produktionen à la Uncharted, Horizon oder God of War durch die Bank hochklassig – zumindest bei allen wesentlichen Sprechrollen. Bei den Passanten, Zivilisten und sonstigem Leben auf den Straßen New Yorks bleibt allerdings auch viel Englisch. Man sollte sich daher nicht wundern, wenn die Polizisten an der nächsten Absperrung die Bevölkerung mit „There is nothing to see here“ vom Unfallort fernhalten wollen oder man mit einem „You did it!“ gefeiert wird.

Anzugflut

Immerhin erfüllen die Nebenaufgaben und Aktivitäten auch noch einen zusätzlichen Zweck: Nur über sie kann man verschiedene Symbole akquirieren, die man wiederum benötigt, um die über 25 Spidey-Anzüge freizuschalten (darunter z.B. auch einer aus der Noir- oder der 2099-Zeitlinie), die Gadgets zu entwickeln oder aufzuwerten. Über die Sinnhaftigkeit der Anzugflut lässt sich allerdings streiten – auch wenn sie unterschiedliche aufzuladende Spezialfunktionen bieten, die nach erstmaligem Anlegen auch in anderen Anzügen eingesetzt werden dürfen und somit durchaus Auswirkungen auf das Spiel

Die Kämpfe setzen auf eingängige Kombos, den Einsatz der Spinnenfähigkeiten sowie Interaktion mit der Umgebung.
haben können. So aufwändig und abwechslungsreich sie auch modelliert bzw. designt sind, waren sie für mich unter dem Strich nur ein weiterer Komplettierungshaken, der gesetzt werden kann und können wohlwollend zumindest als Fanservice ausgelegt werden.

Immerhin kann man auf diesem Weg auch abseits der drei Schwierigkeitsgrade, bei dem der mittlere einigermaßen erfahrene Spieler adäquat fordert (ein vierter soll mit einem Update zum Launch hinzugefügt werden), die Herausforderung leicht anpassen. Wer sich nicht auf die Sammelaufgaben einlässt, verpasst nicht nur die eine oder andere interessante Minigeschichte, sondern wird auch in späteren Abschnitten stärker in den Kämpfen gefordert, da einem unter Umständen wichtige Hilfsmittel fehlen. Und im Falle der Rucksäcke, die Peter im Laufe der letzten acht Jahre in der Stadt zurückgelassen hat, bekommt man sogar noch ein paar Erinnerungsstücke, die von ihm kommentiert werden und kleine Rückblicke in seine Vergangenheit präsentieren.

Fazit

Man kann eine Menge Spaß mit Spider-Man haben. Vor allem wenn man sich auf die klasse erzählte sowie kinoreif inszenierte Hauptgeschichte konzentriert, die Drama, Action und Intensität, dazu interessante Überraschungen und eine Spielzeit jenseits von 20 Stunden bietet. Die an Rocksteadys Batman erinnernde Kampfdynamik wird durch Spideys Netzfähigkeiten und die Umgebungsinteraktion aufgewertet, während das Schwingen durch New York City gleichermaßen intuitiv wie glaubhaft ist. Die Schleichelemente sind ein gelungener Tempowechsel, aber entweder oberflächlich und gelegentlich sogar von reinem Trial&Error geprägt. Die Stadt wirkt mit den prall gefüllten Straßen sowie den akkurat nachgebildeten Touristenattraktionen sehr lebendig, zumal Fans auch Avengers Tower oder das Sanctum Sanctorum finden können. Diese Lebendigkeit wirkt allerdings nur, solange man durch den Großstadtdschungel schwingt. Sobald man auf Tuchfühlung mit der Zivilbevölkerung geht, werden nicht nur die visuellen Diskrepanzen im Detailgrad von Hauptfiguren und den häufig geklonten New Yorkern deutlich, sondern fallen auch die nicht bis ins letzte übersetzten Ausrufe der Passanten auf, so dass es zu einem ständigen Deutsch-Englisch-Mix kommt – der angesichts der eigentlich hervorragenden Lokalisierung bedauerlich ist. Doch auch die Interaktion mit der Bevölkerung lässt viele Wünsche offen. Zu häufig reagiert sie gar nicht und ignoriert einen auch nach größten Heldentaten, so dass die paar gelungenen Reaktionen wie Tropfen auf dem heißen Stein der offenen Welt verdampfen. Und beim Rest bietet Insomniac nur selten mehr als gehobenen Standard mit Routine-Aktivtäten wie Freischalten von Türmen, Sammelobjekten oder der Stürmung gegnerischer Festungen. Immerhin wurden alle Erkundungsreize, Mini- oder Nebenmissionen gut mit dem Spidey-Universum verknüpft, so dass ein homogener Eindruck entsteht. Trotz aller Mankos in der häufig oberflächlichen offenen Welt sorgt die Kombination aus klasse Story, mitunter fantastischer Inszenierung sowie der unter dem Strich gelungenen Mechaniken in der Summe dafür, dass Spider-Man von Anfang bis Ende richtig gute Superhelden-Unterhaltung bietet.

Pro

lebendige Spielwelt...
sehr gutes Drehbuch
kinoreife Inszenierung der Hauptgeschichte mit überzeugenden virtuellen Darstellern
dynamischer Kampf mit Konter und Einbeziehung von Umgebungselementen
gut gelungene Fortbewegung mit zahlreichen Modfikations-Optionen
passable Erkundungsreize
über 25 Spider-Man-Anzüge können angelegt werden
drei Fähigkeitenbäume
Gadget-Aufwertungen
Schleicheinlagen sorgt für angenehmen Tempowechsel
interessante Logik-Rätsel
routiniert inszenierte Aktivitäten in der offenen Welt
Figurenwechsel zeigt Geschichte aus anderer Perspektive
sehr ansehnliches New York City
gut reagierende Steuerung
sehr gute Lokalisierung (Hauptfiguren)

Kontra

... die aber im Detail Schrammen bekommt
nur wenig Interaktion mit der Zivilbevölkerung
visuelle Diskrepanz zwischen Protagonisten und häufig geklonten Passanten
Aktivitäten weitgehend ohne Überraschungen und nur selten mit erzählerischem Überbau
Schleichsequenzen mit anderen Figuren auf Trial&Error reduziert
viele Passanten-Ausrufe nicht eingedeutscht
Schleichen bleibt oberflächlich

Wertung

PlayStation4

Man kann eine Menge Spaß mit Spider-Man haben. Vor allem, wenn man sich auf die klasse erzählte sowie kinoreif inszenierte Hauptgeschichte konzentriert.

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  • Season Pass, dessen Inhalte keine bzw. nur minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.
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Kommentare

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Hokurn

Mal schauen, wann die unterklassigen und unwichtigen Menschen - also die wahren Käufer - diesen Titel dann auch mal auf der PS5 genießen dürfen.
Hä? :o

vor 3 Jahren