Brettspiel-Test: Bora Bora (Worker Placement (Arbeitersetzspiel))

von Jörg Luibl



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Würfelglück und Blockadetaktik

Wo setzt man welchen Würfel? Im Spiel zu zweit, was übrigens ebenso spannend ist, werden die Aktionskarten leicht angepasst.
Wo setzt man welchen Würfel ein? Will man den Gegner blockieren? Im Spiel zu zweit, was übrigens ebenso spannend ist, werden die Aktionskarten leicht angepasst.
Schon beim Setzen der eigenen drei Würfel kommt Taktik ins Spiel: Denn es gilt die Regel, dass man ein bereits belegtes Aktionsfeld nur dann nutzen darf, wenn der folgende Würfel eine niedrigere Augenzahl anzeigt. Falls der Mitspieler bereits mit einem Dreierwürfel auf der Gebietseroberung liegt, kann ich dort also nur einen Zweierwürfel platzieren. Da alle Spieler zu Beginn einer Runde gleichzeitig und offen würfeln, aber nacheinander die Würfel setzen, kann man schon vor seiner Aktion abschätzen, wo man evtl. eine Aktion mit niedriger Zahl blockieren könnte. Ich will nicht, dass mein Mitspieler den Tempel besucht? Dann lege ich dort eine 1 – da geht theoretisch nichts drunter!

Praktisch bietet Bora Bora allerdings viele Alternativen an, so dass man fast immer ausweichen oder gegensteuern kann: Wer die passende Karte auf der Hand hat, darf nämlich Würfelergebnisse modifizieren und sogar die Regel der absteigenden Platzierung durchbrechen, falls er denn auch Opfergaben hat . Die bekommt man wiederum sowohl durch Gebiete als auch Tempelaktionen. Und so geht es fast allen Karten, Rohstoffen und Aktionen: In Bora Bora kommt man auf viele Arten an sein Ziel, es gibt kaum eine exklusive Sackgasse, so dass alles dynamisch tauschbar ineinander fließt. Aber wie sammelt man bloß effizient Siegpunkte? Soll man sich spezialisieren oder lieber alles machen?

Fleißige Männer und Frauen

Ein Blick auf das Spielertableau: Oben die eingesetzten Männer und Frauen, unten die Hütten, die man noch im Atoll verbauen kann.
Ein Blick auf das Spielertableau: Oben die eingesetzten Männer (blau) und Frauen (orange), unten die Hütten, die man noch im Atoll verbauen kann.
Denn nicht nur hinsichtlich der Aktionen hat man die Wahl, auch was den Ertrag angeht: Neben Holz, Sand, Stein und Opfergaben kann man auch andere Dinge ernten oder meistern. Hinzu kommen zum einen Muscheln, die lediglich Frauen sammeln und die sie in wertvollen Schmuck verarbeiten – das gibt mächtig Punkte! Zum anderen kann man Prestige gewinnen, das lediglich Männer einbringen, aber das die Zugreihenfolge bestimmt und Siegpunkte bringt. Und jede Runde wechselt auch noch das Angebot an verfügbaren Bewohnern mit unterschiedlichen Fähigkeiten! Wer schlägt wo zuerst zu?

Wer Muscheln oder Prestige ernten möchte, muss einen Mann oder eine Frau auf seinem Tableau haben und tätowieren (=aktivieren), was wiederum einen freien Platz voraussetzt, den man u.a. über die Expansion seiner Hütten bekommt! Und so schlägt Bora Bora sehr clever die Brücke von den Gebieten zu den Aktionen und zurück; es entsteht ein angenehmer Kreislauf. Was das Spiel letztlich richtig genial macht, ist die Tatsache, dass Männer und Frauen neben Muscheln oder Prestige noch jeweils eine Aktion ausführen können – und zwar am Ende jeder der sechs Runden.

Kommentare

HoloDoc42 schrieb am
Bei Spielen von Stefan Feld stehen im Prinzip immer die Mechanismen im Vordergrund, das Thema kommt danach. Muss man mögen bzw. drüber hinwegsehen können. Bei Burgen von Burgund und Bora Bora kann ich das, bei Luna und Trajan nicht... Mal schauen wie Brügge wird.
Jörg Luibl schrieb am
Ja, das mit der Atmosphäre stimmt schon. In Village wird das dörfliche Thema mit dem Übergang der Generationen bildlich und inhaltlich gut eingefangen. Es ist auf den ersten Blick charmanter.
Aber selbst wenn die Männer und Frauen in Bora Bora (für Polynesien) ganz untypisch und unentspannt um Siegpunkte schuften müssen (man könnte das Thema auch mit Aliens und Robotern umsetzen), sind die Wege zum Ziel so vielfältig und so gut miteineinander verflochten, dass man nach drei, vier Partien noch verblüfft wird. Bora Bora war wie Burgen von Burgund ein Spätzünder. :wink:
AngryDwarf schrieb am
Ich konnte das Spiel letztens spielen und war sehr ernüchtert. In einer sehr positiven BGG-Kritik wird das Spiel als "mechanical exercise in point scoring" bezeichnet. Das trifft für mich vollständig zu. Allerdings würde ich das hier dem Spiel durchaus negativ ankreiden. Es ist absolut egal, ob da nun Männer, Frauen und Fische sind oder man einfach gesagt hätte Plättchen A gibt dir Plättchen B und3x B gibt dir x Punkte.
Die Spielmechanik ist natürlich in einer beeidruckenden Weise austariert und komponiert, aber ich jedenfalls bin nie von dem Gefühl weggekommen, eben diese Spielmechanik zu spielen und nicht das Spiel (hm,hoffentlich wird klar, was ich meine). Insoweit hat mich das Spiel sehr an das ebenfalls oft gelobte Caylus erinnert, welches ich auch unglaublich fade finde. Wem das gefällt, der wird aber sicherlich auch Bora Bora mögen. Zumal die bunten Farben das Spiel zumindest fröhlich scheinen lassen.
Um den Vergleich mit Village aufzugreifen: Hier haben es die Autoren für mich geschafft, die Atmosphäre stimmig umzusetzen. Allein der Meeple-Tod und der Familien-Nachschub ergeben schon deutlich mehr Flair als jede der Mechaniken in Bora Bora. Ich für meinen Teil spiele in jedem Fall lieber 50 Runden Village als eine Runde Bora Bora. Aber vielleicht liegt das ja auch nur daran, dass ich mich im Beruf als Jurist täglich mit extrem trockenen Mechaniken (Paragraphen) rumschlagen darf und mich in der Freizeit gerne mit etwas Lebhafterem beschäftige :P
Aber um meine Ansicht nochmal klarzustellen: Wer Hardcore-(Euro-)Strategiespiele insbesondere wegen der Verwaltungsoptimierung mag, auf eben die genannten mechanischen Punktesammel-Übungen steht und wem das Thema eigentlich nebensächlich ist, der ist mit Bora Bora hervorragend bedient. Die Verzahnung der Mechaniken ist schon fast mit einer Bach-Fuge vergleichbar :-) Die spiele ich aber auch nicht gerne...
schrieb am