Brettspiel-Test: Mysterium (Detektivspiel)

von Jörg Luibl



Mysterium (Brettspiel) von Asmodee
Visionen eines Mordes
Publisher: Asmodee
Release:
12.01.2017
12.01.2017
12.01.2017
12.01.2017
01.10.2015
Spielinfo Bilder  
Schon in Essen hat Mysterium von Asmodee einen sehr guten Eindruck hinterlassen und es in unsere Highlights der SPIEL'15 geschafft. Jetzt konnten wir das komplett auf Deutsch erschienene Abenteuer endlich ausführlicher spielen. Kann die kooperative Suche nach dem Mörder über Visionen eines Geistes überzeugen?


Surreale Bilder aus Geisterhand

Was will mir der Geist des Ermordeten bloß damit sagen? Da hockt er hinter seinem hübsch designten Herrenhausschirm und schweigt wie ein Grab, während ich mir beim Anblick seiner Vision den Kopf zerbreche: Vor einem lila Himmel hängt ein Regenschirm verkehrt herum in einem vergilbten Halbmond. Ähm...das könnte...vielleicht...? Ich beuge mich weiter vor, um alle Kleinigkeiten genau zu studieren. Denn irgendwo in diesem verflixten Gemälde muss doch ein Hinweis versteckt sein, der auf einen der sechs ausliegenden potenziellen Mörder deutet - von einem fies grinsenden Koch über eine Nonne bis zu einem Jäger.

Mysterium ist komplett auf Deutsch bei Asmodee erschienen, für zwei bis sieben Spieler ausgelegt und kostet knapp 40 Euro.
Mysterium ist komplett auf Deutsch bei Asmodee erschienen, für zwei bis sieben Spieler ausgelegt und kostet knapp 40 Euro.
Immerhin bin ich nicht alleine, denn die anderen Detektive helfen mit ihren Ratschlägen dabei, meine Spielfigur vor dem Ablauf der Sanduhr auf den richtigen Täter zu stellen. Auch sie haben in dieser Runde zu rätseln, denn sie haben ebenfalls Visionen vom Geist erhalten. Könnte die vergilbte Farbe des Mondes auf das Gesicht der Nonne hinweisen? Oder haben die Sterne im Hintergrund etwas mit diesem Astrologie-Apparat zu tun? Da die Täterkarten wie Collagen konzipiert sind und neben dem Portrait auch Gegenstände, Fotos sowie diverse Hintergründe und Materialien zeigen, kann es theoretisch viele Gemeinsamkeiten geben.

Alles debattiert, einer schweigt

So entsteht sehr schnell eine lebhafte Diskussion am Tisch. Jeder stellt seine mehr oder weniger plausiblen Vermutungen an. Und der Geist kann sich so manches Grinsen nicht verkneifen, wenn sich die Lebenden mal wieder in abstrusen Theorien verstricken. Aufgepasst: Er darf auch über Mimik oder Gestik
Die Teilnehmer der Séance rätseln sich von unten nach oben ins Finale: Erst den Täter identifizieren, dann den Ort und schließlich die Waffe.
Die Teilnehmer der Séance rätseln sich von unten nach oben ins Finale: Erst den Täter identifizieren, dann den Ort und schließlich die Waffe. Hinter dem Schirm sitzt der Geistd es Ermordeten, der schweigen muss...
eigentlich nix verraten! Manchmal schaut er allerdings schuldbewusst, denn schließlich muss er aus sieben Karten die möglichst beste Übereinstimmung finden, die er dann schweigend überreicht. Was ist, wenn die Motive einfach nicht passen? Dann darf er je nach Schwierigkeitsgrad einen von drei Raben einsetzen, Nutzloses abwerfen und seine Hand vom 84 Karten starken Visionsstapel auffüllen.

Er will ja helfen, schließlich wurde er laut der kleinen Hintergrundgeschichte im Jahr 1922 in einem schottischen Herrenhaus umgebracht. Aber von wem, in welchem Raum und mit welcher Waffe? Zwei bis sieben Spieler können dem übersinnlichen Ruf folgen und sich von ein Uhr nachts bis morgens um Acht in einer deduktiven Séance den Bilderrätseln in drei Etappen stellen. Für jeden Teilnehmer muss der Geist vor dem Spiel zunächst eine exklusive Kombination hinter seinem Sichtschirm zufällig zusammenstellen.

Sanfter Wettbewerb, kooperatives Ziel

Im Laufe des Spiels entsteht zumindest in zwei Bereichen ein sanfter Wettbewerb: Bevor der Sand abläuft, darf man zum einen eine bestimmte Anzahl Marker mit "richtig" oder "falsch" an
Was macht der Geist? Er muss aus bis zu sieben Motiven eines auswählen, das z.B. zum oben angezeigten Täter passt.
Was macht der Geist? Er muss aus bis zu sieben Motiven eines auswählen, das z.B. zum oben angezeigten Täter passt.
die Entscheidungen der anderen Spieler legen - stimmt die eigene Prognose, gewinnt man an Hellsicht. Je mehr man davon sammelt, desto einfacher wird die finale Abstimmung. Und zum anderen darf nur "aufsteigen", wer den Täter richtig rät - erst dann darf man sich dem möglichen Raum und schließlich der Waffe widmen. Es kann also Nachzügler geben, die dann weitere Visionen bekommen.

Trotzdem steht der kooperative Gedanke über allem: Denn nur wenn alle Beteiligten innerhalb der sieben Runden ihre einzigartige Kombination erraten haben, kommt es zum Finale. Das erreicht man je nach Spielerzahl recht flott zwischen einer halben und maximal einer Stunde. Dort liegen dann die drei gesammelten Kombinationen aus, aber nur eine davon ist die richtige. Um diese zu finden, gibt es nochmal eine abschließende gemeinsame Vision, wobei der Geist je nach Hellsicht des Detektivs ein, zwei oder drei Karten auslegt, die endlich den wahren Mörder entlarven sollen.

Was gefällt nicht so gut?

Etwas schade ist, dass der erzählerische Hintergrund oder die Charakterwahl keinerlei Rolle spielen. Und der Rollenspieler in mir vermisst eine
Ein Blick hinter die Kulissen des Geistes:
Ein Blick hinter die Kulissen des Geistes: Hier hat er die Lösungen für drei Mitspieler im Blick. Jeder Detektiv sammelt in seinem Charakterumschlag zunächst eine andere Kombination aus Täter, Raum und Waffe.
Dramaturgie, die den Geist evtl. noch besser einbindet und für mehr Spannung am Tisch sorgt - evtl. durch Zufallskarten, die die Herrenhaus-Situation über plötzliche Ereignisse intensiviert oder die Teilnehmer der Séance in Gefahr bringt. So ist nach zwei, drei Sitzungen die Luft aus, zumal Freunde der logischen Deduktion selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad unterfordert werden; da empfehle ich eher so etwas wie Die Akte Whitechappel. Der Reiz besteht hier auf lange Sicht lediglich im Rollenwechsel: Wer will das nächste Mal der Geist sein?

Fazit

Mysterium hat uns gerade in den ersten Sitzungen gut unterhalten. Die große Stärke liegt in der lebendigen Kommunikation und der malerischen Illustration: Man trifft sich mit Freunden und es entsteht sehr schnell eine angenehme Stimmung am Tisch, weil plötzlich alle über surreale Motive und Symbole diskutieren. Im Gegensatz zum Klassiker Cluedo muss man hier zwar keine knallharten Beweise ausschließen und der deduktive Anspruch hält sich in Grenzen, aber dafür grübelt man über Visionskarten, versucht den anderen zu helfen und richtig zu tippen. Das Regelwerk ist schnell verinnerlicht und man kann die Schwierigkeit in drei Stufen anpassen. Auf lange Sicht fehlt diesem Abenteuer mehr Abwechslung und Spannung, vielleicht hätte man den einsamen Geist auch noch cleverer einbinden können. Trotzdem inszeniert Mysterium für eine knappe Stunde lockere und ansehnliche Unterhaltung für die ganze Familie. Fast vergessen: Auf der Webseite von Libellud könnt ihr euch einen Soundtrack zum Spiel kostenlos runterladen.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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Kommentare

Highriser schrieb am
Wir haben sicherlich schon fast 20 Partien hinter uns gebracht und ich kann vermutlich nun gut ein Fazit ziehen. Es steht auf jedenfall fest das selbst Spieler die mit Spielen eigentlich wenig am Hut haben auch hier auf ihre Kosten kommen. Das ist sicherlich der große Vorteil. Jeder hat bei uns sofort das Spiel in sich aufgesogen.
Aber das Spiel hat sicherlich auch schlechtes. Nach 20 Runden sind die Visionskarten ziemlich ausgelutscht. Es gibt schon ziemlich klare Vorstellungen was wer wie meint.
Btw wir haben irgendwie einen "Bug" entdeckt? So könnte man ohne Probleme alle Karten an einen Person geben und diese als "Hinweis" deklarieren. Klar wird natürlich sofort das man nur Karten loswerden möchte, das weiß dann ohne Kommunikation auch schnell der Spieler. Wir haben deshalb die Hinweise auf Max. 2 Karte reduziert. Außer wir haben hier die Regeln missverstanden? (Ich hab es so verstanden das man auch mehrere Visionskarten an eine Person gleichzeitig verteilen darf?)
TanteDörte schrieb am
bwort hat geschrieben:Schönes Familienspiel. Haben wir Weihnachten rausgeholt und es hat allen gefallen :)
Wir haben es Sylvester gespielt. Zum Glück dauerte eine Partie auch nicht sehr lang, sodass wir nach unserem missglückten Erstversuch, eine zweite erfolgreichere Runde absolvieren konnten. Danach noch eine Partie Betrayal und der Abend war perfekt (Geböllert wurde bei uns nicht, da ansonsten mein Hund Dörte durchgedreht wäre).
Renegade02 schrieb am
Eine Erweiterung kommt auch schon bald.
Heißt Hidden Signs.
ekelhaftes4players schrieb am
Schönes Familienspiel. Haben wir Weihnachten rausgeholt und es hat allen gefallen :)
TanteDörte schrieb am
Falls sich die Motive der Karten irgendwann abnutzen, kann man sie auch durch die Dixit Kartensets ersetzen..
schrieb am