Brettspiel-Test: Descent - Die Reise ins Dunkel (Rollenspiel (Dungeon-Gefechte))

von Jörg Luibl



Descent - Die Reise ins Dunkel: Hero Quest in XXL
Descent - Die Reise ins Dunkel
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Wer erinnert sich nicht gerne an Hero Quest? Der Klassiker aus dem Jahr 1989 zauberte Fantasyfreunden ein Lächeln ins Gesicht: Man konnte als tapfere Heldengruppe zig Verliese plündern und dabei Monstern den Garaus machen. Sechzehn Jahr später erschien mit Descent - Die Reise ins Dunkel eine ähnliche, aber wesentlich umfangreichere und vor allem ungemütlichere Variante des Dungeon-Crawlers von Kevin Wilson, die bis heute rege erweitert wird.


Die Qual der Wahl

Descent ist ein Dungeon-Crawler für zwei bis fünf Spieler ab zwölf Jahren. Erschien erstmals 2005 beim Heidelberger Spielverlag für knapp 45 Euro und wird bis heute erweitert.
Barbar, Zwerg, Alb oder Zauberer? Nein, das war anno dazumal in Hero Quest - und das ist doch keine Auswahl! In Descent geht es schon vor dem Abenteuer in die Vollen, denn in der Taverne "Zum Salzigen Hund" warten satte zwanzig Helden inkl. Charakterkarte und Plastikminiatur auf ihren Einsatz: Soll es "Ker der Graue" sein, der aus der Distanz ein Meister ist und als besondere Fähigkeit jederzeit seine Aktion anpassen darf? Oder "Runenhexe Astarra", die tödliche Zauber wirkt und Glyphen schon aus der Ferne aktiviert? Oder lieber ein Kraftprotz mit Axt wie der Ork "Mordrog", der nach jeder Wunde noch ausdauernder wird? Man sollte sich hier gut als Gruppe abstimmen, denn in den Verliesen warten 24 Monstertypen vom einfachen Skelett über Höllenhunde und Oger bis hin zu Hexenmeistern, Dämonen und Drachen.

Je nach Vorlieben hat man genug Auswahl zwischen mehreren Arten von Kriegern, Magiern, Schützen oder Mischklassen, die sich in der ersten Mission dem Riesen Narthak und seiner Brut stellen sollen. Alle Helden und Monster unterscheiden sich hinsichtlich Lebenspunkte, Ausdauer, Bewegung, Rüstung und Fähigkeiten - und je mehr Würfel sie in den Bereichen Zauber, Fernkampf oder Nahkampf werfen dürfen, desto mächtiger sind sie. Gesellige Fantasyfreunde können auch Charaktere mit Begleittier wählen wie "Vyrah den Falkner" oder "Ronan", der einen Waschbären auf der Schulter trägt. Diese Gefährten können mal Gegenstände tragen, mal zusätzliche Würfel aktivieren, das Vorfeld erkunden oder wie Boggs die Ratte sogar verhindern, dass in ihrer Sichtlinie neue Monster entstehen - was sehr praktisch ist.

Kollektive Lebenspunkte

Welcher Held darfs sein? Zwanzig Recken stehen inkl. Plastikminiatur und Charakterbogen zur Auswahl.
Bis zu vier Helden können sich in neun Quests dem Overlord stellen, der als gemeiner Spielleiter Monster, Fallen und natürlich fiese Magie entstehen lässt. Ziel der tapferen Abenteurer ist es, mit mindestens einem Questmarker das Dungeon zu verlassen - denn die Helden sind beim Tod im Dungeon nicht permanent erledigt, sondern kehren mit ihrer kompletten Ausrüstung in die Stadt zurück, verlieren die Hälfte ihres Geldes sowie die Anzahl an Questmarkern, die sie wert sind: "Runenhexe Astarra" ist quasi nur zwei, "Trenloe der Starke" wiederum vier Punkte wert, weil er wesentlich mehr austeilt und einsteckt. Helden verlieren aber auch dann die wichtigen Marker, wenn der Kartenstapel des Overlord einmal durch ist.

Die Gruppe hat also je nach Zusammensetzung mehrere Versuche die Mission zu meistern und muss den Vorrat an Questmarkern, die man sich wie kollektive Lebenspunkte vorstellen kann, im Auge behalten. Erhöhen kann man diesen immer dann, wenn man im Dungeon die für Teleports nützlichen Glyphen aktiviert oder sie in Schatztruhen findet. Aber das ist kein Freifahrtschein für Harakiri oder lebensmüde Selbstmordattentäter: Zu Beginn eines Abenteuers haben die Helden meist nur fünf Questmarker - wenn da zwei Helden mit dem Wert von drei sterben, bevor man tief genug ins Dungeon vorgedrungen ist, um Glyphen oder Schätze zu finden, ist es endgültig aus. Erkundung ist also Pflicht!

Die Macht des Overlord

Erinnerungen an Hero Quest werden wach: Mit über 60 Spielpanteilen kann man auch eigene Dungeons entwerfen.
Aber nicht nur die Helden müssen haushalten, auch der scheinbar übermächtige Spielleiter, der den Overlord übernimmt - und genau das macht das Spiel auch für ihn so interessant, was Taktik und Bosheiten angeht: Er bekommt so genannte "Drohmarker", mit denen er zusätzlich zu den für das Dungeon vorgesehenen Monstern weitere einsetzen oder Machtkarten für Ereignisse, Fallen und Zauber nutzen kann. Man kann also nicht beliebig Drachen beschwören oder Feuerwände durch den Kerker jagen, denn jede Aktion kostet etwas und will wohl überlegt sein. Will man für eine explodierende Tür neun Drohmarker ausgeben? Oder lieber eine andere der bis zu acht auf der Hand befindlichen Bosheiten?

Wer einen Trupp Tiermenschen beschwören will, muss vier Drohmarker ausgeben. Wer Felsentrümmer auf ein Feld regnen lassen will, ist mit sieben dabei. Wer einen Helden in einen Affen verwandeln will, muss elf bezahlen - ohne Garantie auf Erfolg, denn es gibt einen Rettungswurf. Und eine kleine Armee aus zwei Tiermenschen, zwei Skeletten und zwei Mörderspinnen kostet z.B. achtzehn Drohmarker. Wie bekommt der Overlord neue? Er zieht immer zwei Machtkarten zu Beginn seines Zuges, kann vorhandene gegen ihren Drohwert eintauschen oder über Flüche in Schatztruhen an sie kommen. Und die Helden haben immer Blick, ob der Herr der Kerker gerade flüssig ist, denn die Marker liegen offen aus und er darf beschworene Monster nie in der direkten Sichtlinie platzieren - da kann man sich also taktisch klug postieren.
      

Kommentare

Beckikaze schrieb am
Ich würde Kerkerfreunden wirklich gerne noch mal auf die D&D-Spiele Castle Ravenloft, Wrath of Ashardalon und Legend of Drizzt aufmerksam machen.
Es gibt einen User auf BoardGameGeek (Ninjadorg), der ein richtiges Kampagnensystem etabliert hat, das bis Level 5 der Helden geht. Tolles Spielsystem, das sehr schön den eigenen Vorlieben anpassbar ist.
Das verkürzt die Wartezeit auf Descent 2.0 sehr schön. :)
Ilumi schrieb am
Jop, das kommt in deutsch frühestens 2013 raus.
Das Blöde ist, die wichtige "Wege zum Ruhm" Erweiterung gibts nirgends mehr (unter 200?). Warum die das nicht nachdrucken, ist mir ein Rätsel.
gracjanski schrieb am
expertenrunden? lol
bis das auf deutsch erscheint... also da kaufe ich mir noch die erweiterungen und spiele descent 1.0
Beckikaze schrieb am
Dass da die Balance kein Thema mehr ist, können einige Expertenrunden so nicht bestätigen. Aufgrund der Vielfalt wackelt sie wohl nach wie vor.
ABER: Erstens ist Descent wirklich ein gutes Spiel trotz grober Mängel und zweitens...
kommt 2012 die ZWEITE EDITION von Descent
Zwar arbeitet Kevin Wilson nicht daran mit, aber was man bisher lesen kann, dürfte diese Edition die Version von Descent werden, die ich immer haben wollte.
gracjanski schrieb am
Beckikaze hat geschrieben:Auf die derben Balancemängel des Grundspiels wurde wiederum nicht eingegangen!
Die Balance wackelt zu sehr. Soblad Helden die ersten Schätze plündern werden sie unverhaltnismäßig stark.
Wir haben das komplette Grundspiel durchgespielt.
Es gab immer nur diese beiden Varianten:
1.) Die Helden sterben in den ersten Gebieten, bevor sie Schätze kriegen (Seelenfresser-Quest = unfassbar schwer).
2.) Die Helden plündern die ersten Schätze und räumen ab SILBER alles mit Leichtigkeit ab. Die Kämpfe verkommen zur Quälerei, weil das Spiel nur in die Länge gezogen wird.
Ich habe auch eine recht ausührliche AMAZON-Rezi geschrieben:
Rezension von mir
ja, aber das ist dann egal, wenn man auch die addons hat, was auch sehr empfehlenswert ist. Mit Quellen der Finsternis, Gruft aus Eis und Altar der Verzweiflung wird die Spielmechanik erweitert und da ist die Balance kein Thema mehr.
Zum spiel: einfach top ;) und die Figuren sind bestens gemacht.
schrieb am