Runewars29.11.2010, Jörg Luibl
Runewars

Special:

Lust auf eine Mischung aus Aufbau, Strategie und Rollenspiel? Vier Völker, knapp 200 Miniaturen und Helden zwischen Gut und Böse warten auf clevere Anführer. Der Heidelberger Spielverlag hat das in Amerika überaus populäre und üppig ausgestattete "Runewars" im Oktober ins Deutsche übersetzt. Wir haben uns in die Schlacht gestürzt und wurden belohnt: Diesen "Kampf um Terrinoth" sollte sich kein Liebhaber epischer Fantasybrettspiele entgehen lassen.

Eine Frage der Rune

Runewars (2 - 4 Spieler) ist auf Deutsch beim Heidelberger Spielverlag erschienen und kostet knapp 70 Euro
Endlich ist es so weit, die Spannung steigt: Monströse Uthuk, gnadenlose Untote, tapfere Menschen und wilde Elfen blicken auf ein Land, um das sie fünf Stunden bzw. sechs Jahre in Runden gekämpft haben. Man hat angegriffen und verhandelt, Festungen aufgebaut und zerstört, viel Kaffee gekocht und getrunken, zig Schätze gesammelt und verloren. Für einen letzten Moment halten die roten, violetten, blauen und grünen Truppen der vier Völker inne, für einen letzten Moment blicken alle Spieler gebannt auf eine kunterbunt gefüllte Hexfeldwelt mit Bergen, Städten und Miniaturen.

Wer hat das Spiel gewonnen? Wer besitzt die meisten Runen in den eigenen Gebieten? Jetzt werden die bleichen Runenmarker mit dem Fragezeichen umgedreht und ausgezählt: Die Uthuk wurden gnadenlos von den Elfen an den Rand der Welt gedrängt, kontrollieren nur noch vier Gebiete und darin lediglich drei Runen, von denen sich eine auch noch als falsche erweist - Pech gehabt. Untote und Elfen kommen abzüglich der Falschen jeweils auf vier Runen. Es sind schließlich die Menschen, die mit sechs Runen in ihrem Einflussgebiet den Kampf um Terrinoth gewinnen.

Zwischen Spieltiefe und Spielspaß

Das Spiel enthält knapp 200 Miniaturen: Hier die vier Truppentypen der Menschen.
Am Ende schauen sich alle an: Hey, das hat richtig Spaß gemacht! Und das ist auch in der Brettspielwelt keine Selbstverständlichkeit, denn gerade komplexe Strategie aus Übersee kann schon mal in eine zähe Geduldsprobe für alle Beteiligten ausarten, wo einige nach einer Stunde bereits verstohlen auf die Uhr schauen. Runewars gelingt jedoch trotz einer Spielzeit von mind. drei Stunden und 40-seitigem Regelwerk im Großformat der Spagat zwischen Anspruch und Unterhaltung, zwischen Spieltiefe und Spielspaß. Das liegt nicht nur an der vorbildlich illustrierten Anleitung mit ihren anschaulichen Beispielen, die quasi jeden möglichen Zug in all seinen Phasen darstellt und interessante Optionen anbietet.

Das liegt zum einen daran, dass dieses Brettspiel sehr clever als Mischung designt wurde: Man spielt zum Großteil den Feldherren, der sich um die Rekrutierung neuer Truppen, strategische Eroberungen oder den Bau von Festungen kümmern muss - dabei brütet man über einer Hexfeldwelt, in der plastische Gebirge oder Seen vielleicht die direkte Route versperren und jedes Gebiet andere Rohstoffe oder gar Städte einbringt. Zu Beginn wird das Königreich modular aufgebaut, so dass immer neue Welten entstehen. Gleichzeitig ist man auch der Gönner von Helden, die man anheuern, in ihren drei Fähigkeiten stärke, Gewandtheit, Weisheit entwickeln und auf die Jagd nach Quests schicken kann, die Schätze oder gar Runen einbringen.

Cleverer Genremix in Jahreszeiten

Runenhexe Astarra konnte sich bereits verbessern und eine neue Rüstung anlegen.
Zum anderen besticht Runewars mit seiner Chronologie der vier Jahreszeiten, die alle Aktionen ordnen und den Spielern gleichzeitig das Gefühl einer lebendigen Welt geben - man zieht eine Karte und es geschehen ähnlich wie in Arkham Horror übergreifende Ereignisse, die man ähnlich wie die Quests vorliest: Plötzlich bricht eine Hungersnot aus, alle bieten geheim auf eine Rune, Helden verlassen ihre Anführer oder bestimmte Befehle verlieren ihre Wirkung. Neben diesen universellen Geschehnissen, geben die Jahreszeiten auch den Rhythmus der möglichen Aktionen und Konsequenzen vor, so dass man sich die eine Aktion für eine Jahreszeit gut überlegen muss.

Im Frühling bekommt man z.B. alle Aktivierungsmarker und Befehlskarten zurück, nur im Sommer sind Helden in Quests oder zu Duellen unterwegs, im Herbst werden die Schicksalskarten neu gemischt und man erntet Taktik oder Einfluss. Nur im Winter frieren schließlich die Seen zu, so dass Routen frei werden. Aber all jene verlieren in dieser Jahreszeit Truppen, die sie nicht ernähren können - wer also im Herbst übereifrig Krieger und Bogenschützen platziert, sollte auch genug Ernte im Speicher haben, sonst schmelzen die Rekruten weg wie Schneeflocken. Und dann ist vielleicht die Flanke frei.           

Abwechslung und Kartenspannung

Ohne großen Tisch geht gar nichts: Schon mit drei Fraktionen braucht man jeden Zentimeter. Sehr ansehnlich: Die plastischen Gebirge werden in die modular aufgebauten Spielplanteile eingefügt.
Man erlebt immer etwas anderes und es gibt selbst mit vier Spielern keine zähen Sackgassen wie in manch anderem Militärstrategiespiel, in denen sich zwei Parteien endlos beharken. Dazu tragen auch einfache Spannungsmomente bei: Wenn es zu einem Gebot kommt, setzen alle Spieler verdeckt ihre Einflussmarker. Wer eine Quest meistern will, die meist die Reise auf ein bestimmtes Hexfeld verlangt, muss eine Probe gegen die betreffende Fähigkeit bestehen und zieht dann vielleicht eine Schatzkarte mit einer neuen Waffe, Rüstung oder Ähnlichem - bei einem Misserfolg droht eine Verletzung oder ein Kartenabwurf. Ein Beispiel für einen Auftrag:

Die Diebe der Nebelebenen rauben jeden aus. Nur wer schnell und geschickt ist, wird unbeschadet durch ihr Gebiet kommen und ihr Versteck gestohlener Waren finden. Prüfe deine Gewandtheit!

Jetzt zieht der Held so viele Schicksalskarten wie es seiner Gewandtheit entspricht und prüft, ob eines der seltenen Sonnensymbole für das Gelingen dabei ist. Ansonsten muss er mit einem  Silbersymbol für eine Mischung oder dem häufigen Blutsymbol für den Fehlschlag leben. Man erkennt schon: Je schlechter man in einer Fähigkeit ist und je mehr andere Spieler bereits Glück mit der Sonne in Quests hatten, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man erfolg hat. Wer Descent - Die Reise ins Dunkel  kennt, wird sich in dieser Phase wie Zuhause fühlen, denn da begegnet man den grauen Miniaturen des Dungeon-Crawlers: Von Bogran dem Schatten bis hin zu Runenhexe Astara kann man zwölf gute, neutrale oder böse Abenteurer anheuern. Und die Gesinnung spielt durchaus eine kleine Rolle - wer die guten Elfen anführt und einen bösen Helden in seinen Diensten hat, muss mit einem Treuebruch rechnen. Zwar können sie nicht aktiv in Schlachten eingreifen und nicht von normalen Truppen attackiert werden, aber sie eignen sich zur Aufklärung im Vorfeld, denn sie können sich z.B. verdeckte Runensymbole anschauen.

Acht Befehle für den Anführer

Schon bal geht es heiß her: Die beigen Monster sind neutral, können aber über Diplomatie gewonnen werden. Jedes Hexfeld bietet eigene Rohstoffe, manchmal Städte.
Obwohl man die übergroß designten Helden im Sommer über die Karte bewegt, bleibt man aber hauptsächlich in der zentralen Rolle des Anführers. In jeder Jahreszeit legen alle Spieler verdeckt eine Befehlskarte, die dann nach dem Ausspielen der universellen Ereignisse wirkt. Davon besitzt jedes Volk exakt acht und sie bestimmen die Strategie: Man kann Truppen rekrutieren oder bewegen, man kann angreifen oder ernten, man kann Einfluss gewinnen oder Festungen bauen. Aber was macht man am besten im Frühling? Was spart man sich für den Winter auf? Und was haben die anderen Spieler vor?

Auch hier wirkt ein subtiler taktischer Mechanismus auf den Karten: Nicht nur die Zugreihenfolge wird durch die Zahl auf der Befehlskarte bestimmt - der Spieler mit der niedrigsten Ziffer, die wiederum eher auf den schwächeren der acht Aktionen steht, darf zuerst ausführen. Und es kann entscheidend sein, wann man ein Gebiet mit einer Festung absichert. Auch die lukrative Bonusfunktion einer Karte ist von der Ziffer abhängig: Nur wer im aktuellen Zug den höchsten seiner bisherigen Befehle spielt, darf sie ausführen. Das können wichtige Dinge wie die Schwächung feindlicher Festungen, der erneute Zug, der Gewinn einer Titelkarte oder die Rekrutierung neuer Helden sein. Es gibt also viel Raum für taktisches Grübeln.

Kampfsystem mit Schicksalskarten

Beispiel für eine Quest: Man kann mehrere Helden anheuern, ihre Fähigkeiten entwickeln und Schätze gewinnen.
Das schnell verinnerlichte Kampfsystem verzichtet auf Würfel sowie den Kampf bis zum letzten Mann und ist auf maximal fünf Runden beschränkt - danach wird einfach errechnet, wer mehr Stärke in Form überlebender Truppen und Festungen im Gebiet der Schlacht hat. Puristische Kampftaktiker werden hier mit den Zähnen knirschen, denn da ist auch Kartenglück dabei und gerade das Endergebnis wird eher von Masse statt Klasse bestimmt; das ist einer der wenigen Kritikpunkte. Sechs einfache Krieger brauchen quasi keine Angst vor einem mächtigen Chaoslord oder einem dunklen Ritter haben. Wer viel rekrutiert, liegt fast immer richtig.

Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht, denn wer seine Gebiete vielfältig besetzt, hat noch bessere Chancen. Interessant ist nämlich, dass man seine Truppen je nach Gattung in Linien aufstellt, die nacheinander attackieren: Bei den Menschen greifen immer zuerst die Bogenschützen, dann die Ritter, die Infanteristen und schließlich die Belagerungsmaschinen an. Wie läuft der Kampf ab? Man zieht pro Einheit eine Schicksalskarte und führt in strenger Reihenfolge die Aktion aus, die unter ihrem Symbol angezeigt wird: Das kann ein Patzer, das Anwenden einer Spezialfähigkeit, die erzwungene Flucht oder tatsächlicher Schaden sein.

      

Glück und Diplomatie

Ein Blick auf die Elfen: Unten die Fraktionstafel mit allen Hinweisen.
Natürlich spielt das Glück hier eine Rolle, aber innerhalb der Schicksalskarten wurde die Wahrscheinlichkeit einer Attacke je nach Truppentyp angepasst, so dass die einfachen Einheiten eher patzen als die schweren, außerdem haben nur die schweren drei oder vier Lebenspunkte, so dass sie länger durchhalten. Jedes Volk führt vier unterschiedliche Typen mit eigenen Symbolen sowie Spezialeigenschaften ins Feld: Ritter lassen den Gegner fliehen und bekommen eine Taktikkarte, Zauberweberinnen zwingen einen Feind zum Rückzug, Zombies fügen im Duett mehr Schaden zu und Berserker kann man opfern, um Gegner mit in den Tod zu ziehen.

Jedes Volk hat 36 Miniaturen zur Verfügung, die ansehnlich modelliert wurden, aber manchmal gefährlich windschief geknickt sind - da hilft nur das Geradebiegen in heißem Wasser. Die monströsen Uthuk und die Untoten haben zwar die mächtigsten Einheiten, aber Menschen und Elfen bieten mehr Vielfalt in unteren Rängen. Außerdem kann man seine Armee über das Anwerben neutraler Einheiten verstärken: Zu Beginn besetzen aus Descent bekannte Monster wie Tiermenschen, Riesen, Hexenmeister oder Drachen das Innere der Spielwelt. Wer auf so ein Feld zieht, hat die Wahl zwischen dem Kampf und der Diplomatie. Man kann seine Einflussmarker einsetzen, um die Monster auf seine Seite zu ziehen. Auch hier bestimmen die Symbole auf der Schicksalskarte, ob man Erfolg hat oder nicht.

Rohstoffe und Fraktionstafeln

Hier nochmal genauer (Bild aus der engl. Version): Links die Zeigertafel für die drei Rohstoffe Nahrung, Holz und Eisen. Rechts die Truppenübersicht.
Was ich an Runewars sehr schätze, ist neben der edlen Illustration der Karten auch die Übersicht. Trotz einer Fülle an Figuren, Markern, Zahlen und Möglichkeiten, hat man auf seiner Fraktionstafel alles im Blick - sowohl die Truppenwerte als auch die Rohstofflage. Anstatt Nahrung, Holz und Eisen in Form von Plättchen zu sammeln und stapeln zu müssen, wird hier alles mit drei Zeigern erledigt, die man bei einer Ernte einfach verschiebt. Das Innovative an diesem System ist auch, dass dort auch gleich alles angezeigt wird, was man dafür kaufen kann. Steht der Nahrungszeiger der Elfen auf sechs, bekommt man dafür bei einer Rekrutierung zwei Bogenschützen und eine Zauberweberin oder einen Einflussmarker. Man erkennt so zudem sehr gut, in welche Richtung sich eine Entwicklung lohnt.

Und hier schließt sich der Kreis wieder, denn wer bessere Einheiten bauen will, braucht mehr Rohstoffe, die es nur über die Eroberung gibt. Da jedes Hexfeld jedoch andere Rohstoffe beinhaltet und noch bis zu drei Gegner auf der Karte unterwegs sind und expandieren, wird es schnell Konflikte um die lukrativen Gebiete geben. Hinzu kommt, dass im Laufe des Spiels immer mehr Runen ausgelegt werden, so dass man um den Kampf und vor allem das Halten von Ländern nicht herum kommt. Wer den Rollenspielaspekt steigern will, kann über die optionalen Regeln noch die Erkundungsmarker auslegen: So kann man Teleporter aktivieren, Tempel und Verliese errichten und die Helden noch effizienter im Wettlauf um die Runen einsetzen.

Fazit

 Runewars hat mich richtig überrascht! Es ist nicht nur edel und üppig designt, sondern sehr durchdacht, was die strategischen Möglichkeiten, die modulare Spielwelt sowie das Rohstoff- und Kartensystem angeht. Man entwickelt sein kleines Reich im Takt der vier Jahreszeiten, während man wie ein Feldherr in militärisch wichtige Gebiete expandiert und gleichzeitig mit seinen Helden lukrativen Quests nachjagt. Ich habe zunächst befürchtet, dass man sich durch ein Fantasyrisiko XXL mit aufgeplustertem Regelwerk quälen muss, aber Corey Konieczka hat hier nach Battlestar Galactica ein weiteres komplexes und dabei überaus stimmungsvolles Brettspiel entwickelt. Das ist kein dröger Hexfeldkriegsmarathon, sondern ein territoriales Eroberungsabenteuer mit der richtigen Mischung aus Taktik und Glück. Militärstrategen werden hier zwar nicht auf ihre Kosten kommen, aber dafür gibt es angenehmes Poker- und Rollenspielflair sowie ein knackiges Kampfsystem. Obwohl man sich zunächst intensiv mit der Anleitung beschäftigen muss, greifen die Regeln später so clever ineinander, dass man die vielen Stunden bis zum Finale kaum bemerkt. Natürlich ist der Preis happig, aber man bekommt nicht nur knapp 200 Miniaturen, sondern auch sehr gut illustrierte Karten und Spielplanteile. Wer für den Winter nach einem epischen Fantasyspiel sucht, sollte diese Runen jagen!

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

Weitere Brettspieltests im Archiv! 

      

 
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.