Special: Tabletop in der Welt von George R.R. Martin
Ein Hauch von Feuer und Eis
"Dummköpfe! Wenn wir nur stark genug anstürmen, werden ein paar Männer durchbrechen, um Ser Jaime Lannister unserer Situation zu schildern, und dann werden sich diese Halunken aus dem Norden in einer Schlacht wiederfinden, die sie nicht gewinnen können."
Das ist der letzte Teil der Einleitung zur zweiten der zehn vorgefertigten Schlachten, die man nacheinander spielen kann. Man kann natürlich auch frei ein Gelände aufbauen, sich zwischen den beiden Parteien Lannister (rot) und Stark (weiß) entscheiden sowie nach Belieben Truppen verteilen - es gibt für diese Scharmützel auch eine optionale Regel,
Wer das Lied von Feuer und Eis gelesen hat, wird nicht nur in diesen Beschreibungen wehmütig seufzen, wenn Terrance Crakehall oder Ser Arthur Mallery über die Kingsroad oder Harrenhal sprechen. Er wird sich auch über das edle Artdesign freuen, das auf all den Befehls- und Kommandokarten für mittelalterliche Stimmung sorgt - die Illustrationen können sich sehen lassen. Aber noch wichtiger ist natürlich auf'm Platz, also für Feldherren im Gelände. In diesem Fall lautet das Spielziel des zweiten Szenarios: Es gewinnt, wer nach fünf Runden die meisten relevanten Punkte hält.
Wacklige Truppenparade
Trotzdem flucht man vor dem ersten Spiel nicht selten: Denn das Zusammenstecken der 138 Soldaten, darunter Bogenschützen, Ritter, Reiter und Hundeführer, ist etwas fummelig. Man muss die Plastiksoldaten nämlich auf die kleinen Sockel stecken, was nicht immer einwandfrei funktioniert - ich empfehle von Beginn an einen Tropfen Sekundenkleber, damit Figur und Basis auch vernünftig halten. Falls es schief gedrückte Figuren geben sollte, am besten kurz in heißes Wasser tauchen und gerade biegen, damit nichts bricht.
Grüne, blaue und rote Flaggen
Man muss also zunächst etwas Arbeit investieren, bevor es richtig losgehen kann. Danach geht es allerdings recht schnell ins modular aufgebaute Gelände, denn das Regelwerk ist nicht so komplex wie etwa in Runewars oder StarCraft - Das Brettspiel . Das Spielsystem beruht auf BattleLore, das vor einigen Jahren bei Days of Wonder mit einem High-Fantasy-Hintergrund inklusive Zwerge, Trolle und Drachen erschien: Man bewegt also kleine Verbände mit bis zu vier Einheiten, die je nach Truppentyp (Soldaten, Schützen, Reiter) und Flaggenfarbe (grün, blau, rot) unterschiedlich stark und agil sind.
Clevere Taktik im Feld
Tabletop-Freunde werden hier allerdings etwas mehr Militärtaktik finden als im
Für einfache Bewegungen einer einzelnen Einheit nutzt man Befehlsmarker, die man zufällig pro Runde erwürfelt oder Kommandokarten für mehrere, von denen es zehn konventionelle à la "Befehlige zwei Einheiten", aber je nach Anführer eben noch fünf spezielle mit Taktiken à la "Wenn die Moral von Lannister grün oder besser ist, erhalten Einheiten +1 Angriff" gibt - das geht dann nur im Radius eines Kommandeurs. Diese Karten werden für eine Schlacht in ein Deck gemischt, so dass man je nach Anführer auch immer andere Möglichkeiten hat.
Würfelglück und Flaggenfarbe
Etwas Glück ist also auch im Spiel, zumal ein Kampf ausgewürfelt wird: Wer auf einen Feind trifft, würfelt mit bis zu vier achtseitigen Würfeln und sollte möglichst die Symbole der feindlichen Flagge treffen - grün, blau oder rot. Wenn die schwere Kavallerie der Lannisters also vier grüne Schilde gegen die leichten Bogenschützen der Starks mit ihrem
Abgesehen davon, dass unkontrollierter Rückzug bestraft wird, können Truppen auch nachsetzen und nochmal attackieren oder so in die Enge getrieben werden, dass sie aufgerieben werden - etwa mit einem Fluss im Rücken. Außerdem spielt die Rückendeckung ähnlich wie in Total War eine Rolle: Wenn eine Einheit "mutig" ist, weil sie z.B. an zwei eigene Einheiten angrenzt, darf sie sofort zum Gegenschlag ansetzen.
Wer sich defensiv clever postiert, kann selbst schwere Kavallerie aufhalten. Das Flankieren lohnt sich auch im Angriff: Wer den Feind von zwei Seiten bedrängt, darf sich beim zweiten Schlag ein Symbol aussuchen und z.B. drei Patzer einfach erneut würfeln - sehr nützlich.
Dynamische Gefechte im Gelände
All das sowie der Drang zur optimalen Postierung und Unterstützung sorgt zum einen für eine angenehme Dynamik auf dem Schlachtfeld, bei der es auch mal überraschend hin und her geht oder eine scheinbare Übermacht dezimiert wird. Und auch das Gelände spielt eine Rolle: Zum einen kann es die Sichtlinien oder ganze Bewegungen blockieren, so dass Schützen nicht über Wälder schießen und Reiter nicht einfach durch Flüsse galoppieren können - man muss sich Furten oder Brücken suchen. Zum anderen sorgen Hügel für mehr Reichweite, Wälder für einen gewissen Schutz und Straßen für beschleunigte Bewegung.
Hinzu kommen spezielle Gebäude, Palisaden, Belagerungstürme und Brücken aus Holz, die man übrigens auch
Das Einzige, was für meinen Geschmack nicht ganz überzeugend integriert wurde, ist die Moralanzeige. Die Idee ist ja nicht schlecht: Sobald man eine grüne, blaue oder rote Einheit des Gegners vernichtet, steigt die eigene Moral um einen, zwei bzw. drei Punkte - dabei wandert ein Marker auf einer Leiste aus der Perspektive des Siegers nach oben, so dass der Verlierer den Marker auf sich zukommen sieht:
Fazit
Winterfell und Harrenhal, Lord Karstark und Gregor Clegane - na, wer hört bereits die Wölfe heulen und Lanzen brechen? Egal ob Namen, Wappen, Truppen oder Schauplätze: Dieses Strategiespiel für zwei Feldherren schlägt natürlich ganz bewusst eine Kerbe in das Herz all jener, die der Fantasy-Welt von George R. R. Martin verfallen sind. Und ich gebe zu, dass ich es auch blind gekauft hätte. Aber das hätte ich nicht bereut, denn in der prächtigen Box mit ihren hunderten Plättchen, Karten und Figuren steckt alles andere als eine lieblose Lizenzausschlachtung. Zwar ist die Figurenaufstellung etwas fummelig, aber danach kann man sich im modular aufgebauten Gelände austoben. Aufgrund der leicht verständlichen Regeln und der sinnvollen Feinheiten wie Kommandobereiche, Flankierung, Furten oder Brandschatzung eignet sich dieses Spiel sowohl für Neulinge als auch Veteranen - und hier steckt trotz des Glücksfaktors etwas mehr Militärtaktik drin als in BattleLore: Die Einflussgebiete mächtiger Anführer sind eine sinnvolle Verbesserung. Zwar hat man die Auswirkungen der Moral für meinen Geschmack nicht konsequent genug integriert, aber dafür bieten die Szenarien sehr abwechslungsreiche Ziele und es kommt ohne viel Leerlauf immer zu einem dynamischen Schlagabtausch.
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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