Halo 424.10.2012, Benjamin Schmädig
Halo 4

Special: Ein musikalischer Neuanfang

Orchester, Chor, Synthesizer: Die Musik zu Halo 4 (ab 21,69€ bei kaufen) ist wahrlich keine Überraschung. Und dennoch klingt sie anders als erwartet, denn zum ersten Mal fehlt das bekannte Thema. Genau wie das Spiel mit einem neuen Entwicklerstudio versucht sich der Soundtrack von Neil Davidge an einem Neuanfang...

Auf der richtigen Welle

Mit 50 Jahresringen ist Neil Davidge vielleicht nicht der Jüngste, aber er entwickelt sich: Als Produzent trug er maßgeblich zum Erfolg von Massive Attack bei, bevor er vor knapp zehn Jahren ins Filmgeschäft stolperte, um an "Kampf der Titanen" mitzuarbeiten. Für das vierte Halo wagt sich Davidge schließlich noch weiter vor und komponiert den kompletten

Soundtrack praktisch im Alleingang.

Und man hört die Erfahrung, wenn die Musik Räume öffnet, in denen sich Sehnsucht und Abenteuer entfalten können. Streicher und Synthesizer tragen sie weit hinaus – in dem emotionalen "Haven" wird ihre kurze Melodie wie eine Brandung in behäbigen Intervallen angespült, bis sie sich zur Monsterwelle aufbäumt. Davidge hat die Ruhe, selbst adrenalinhaltige Momente gemächlich zu begleiten – mit schweren Bässen und langsamer Percussion untermalt er etwa "Belly of the Beast", das Finale von "Revival" setzt einen gewaltigen Schlussstrich unter das Album.

Die Ära Zimmer

Gerade solche Momente lässt er auf Dauer allerdings zu gefällig verstreichen. Der Brite ist ein Kind der Gegenwartsmusik und daher ist das monotone Bam-Da-Dam auch für ihn untrennbar mit dem modernen Soundtrack verbunden. Besonders „To Galaxy“ ist nicht weit davon entfernt, ein ziemlich einfältiger Popsong zu sein.

Überhaupt fehlt Halo 4 Charakter. Immerhin verzichtet Davidge nicht nur auf das vertraute Thema – er schafft auch kein neues. Stattdessen stellt er in vielen Stücken eine ebenso eingängige wie kurze Melodie vor, um sie in den folgenden Minuten wie einen flachen Teig auszuwalzen. Die Lautstärke zieht an, hin und wieder kommen neue Instrumente hinzu, mehr passiert nicht: So schreibt man "thematische Entwicklung"

Hörproben und Verfügbarkeit

Der Soundtrack ist sowohl zum Download als auch auf CD erhältlich. Wer die CD auf der offiziellen Webseite ordert, darf dabei drei weitere Halo-Titel von Neil Davidge herunterladen, die sonst in keiner Edition verfügbar sind.

Dazu zählen auch die umfangreicheren Ausgaben der Special Digital und Special Limited Edition. Erstere enthält sechs Remixe namhafter Musiker, Letztere sogar 14.

Hörproben verschiedener Stücke gibt es auf der offiziellen Webseite . heute. Auch das ein Merkmal der musikalischen Ära Hans Zimmers.

Alien

Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen weiß der Komponist immerhin diesen Stil zu nutzen. Zum einen sind die meisten Titel so lang, dass seine stimmungsvollen Flächen langsam, aber sehr bestimmt eine starke Wirkung entfalten – ungefähr fünf Minuten spielt ein Stück im Schnitt. Zum anderen wiederholt er die Themen nicht zum Selbstzweck, sondern erzählt mit ihrer minimalistischen Entwicklung kleine Geschichten. Man ist immer geneigt, kurze Parabeln um Sehnsucht, Traurigkeit oder kämpferische Entschlossenheit zu deuten.

Emotionale Höhepunkte entstehen außerdem durch wohl dosierte Akzente wie zittriger Stimme, die in "Legacy" um ihr Leben bangen könnte. Auch Klavier und Gitarre hauchen der Musik in gezielt gesteckten Augenblicken eine Seele ein, elektronische Elemente verorten das Geschehen in einen Weltraum voller Mystik sowie der Angst vor dem Unbekannten. Ein Höhepunkt ist das geheimnisvolle "Immaterial", in dem Klavier und synthetisches Kratzen die Geburt eines großen Unheils anzudeuten scheinen.

Überraschend, aber gut: Der Verzicht auf die bekannte Titelmelodie lässt die Serie richtig aufatmen! Musikalisch jedenfalls, denn Neil Davidge schreibt dem kleinen Neuanfang einen ebensolchen auf den Leib. Sein Halo dringt in ein emotionales Weltall vor, das zwar allzu gefällig im Kanon des allgegenwärtigen Percussion-Grooves mitschwingt, das aber auch eindringliche Sehnsüchte und Ängste weckt. Ein markantes Thema bleibt nicht hängen, dafür gibt es Stücke, die wie Filmszenen ins Ohr gehen. Es mag ein ernüchterndes Urteil für die Spielemusik sein, doch handwerklich ist dies der bisher beste Halo-Soundtrack.

Einschätzung: gut

 
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