Der Vater des Erfolgs
Man denkt immer, das virtuelle Spiel sei so alt. Vor allem, wenn Begriffe wie MS-DOS oder MicroProse fallen, fühlt sich das wie Steinzeit an. Aber schon ein Jahrzehnt bevor
Civilization die Herzen digitaler Weltenbauer eroberte, gab es 1980 ein ähnlich konzipiertes Brettspiel bei Avalon Hill. Das hieß nicht nur genauso und genießt nicht nur bis heute einen sehr guten Ruf, sondern inspirierte Sid Meier zu seiner Rundenstrategie für PC, Amiga & Co. Eigentlich müssten die Autoren Francis Tresham und Mick Uhl immer in den Credits von Firaxis‘ Erfolgsserie auftauchen.
Civilization - Das Brettspiel ist in deutscher Übersetzung für knapp 40 Euro beim Heidelberger Spielverlag erschienen.
Das erste offizielle Brettspiel zu Civilization erschien seltsamerweise erst 2002 bei Eagle Games – also mehr als zehn Jahre nach dem Computerspiel. Mit über hundert Karten, zweihundert Miniaturen und riesiger Weltkarte wirkte es wesentlich edler als der spröde Urvater von Avalon Hill, aber es konnte inhaltlich nicht derart begeistern. Falls es jemand besitzt: Mit dieser auch auf Deutsch veröffentlichten Variante hat das hier besprochene zweite offizielle Spiel nichts zu tun - das ist also kein Remake. Der neue Autor Kevin Wilson (
Arkham Horror) hat für Fantasy Flight Games ein komplett neues Spiel entwickelt. Und das ist seit Juni endlich auf Deutsch erhältlich.
Historische Grübelei
Soll ich zuerst die Reiterei erforschen? Immerhin kann ich meine Scouts und Armeen dann drei, anstatt zwei Felder bewegen sowie frühzeitig die lukrativen Plätze auf der Karte blockieren! Und danach direkt die Eisenverarbeitung: Mit ihr erhält eine Einheit im Kampf drei zusätzliche Angriffspunkte, was angesichts der verflucht starken Barbaren gerade in der Antike ein Vorteil ist. Oder doch lieber die
Großes Spiel, großer Tisch - man braucht viel Platz! In der Mitte: Die Technologiepyramiden für China und Rom, die immer weiter anwachsen.
Gesetzgebung? Dann könnte ich eine Republik gründen, nach einem Kampf sogar Münzen horten und endlich Handelsposten errichten. Die wiederum geben mir einen Kultur- und zwei Handelspunkte, so dass ich…wenn ich…danach…
Diese angenehme Grübelei sollte Computerspielern bekannt vorkommen. Wir haben jetzt knapp ein halbes Dutzend Spiele hinter uns und können sagen, dass dieses Brettspiel das Flair des virtuellen Vorbilds wunderbar einfängt – es macht taktisch Laune und es ist alles anders als ein Theoriebrocken. Wenn man einmal im Rundensog steckt, entwickeln sich spannende Wettläufe um Rohstoffe und Siegpunkte, die sowohl passiven Strategen als auch Raubrittern genug Möglichkeiten geben. Auch das Spiel zu zweit ist empfehlenswert, zumal die Partien hier in eineinhalb bis zwei Stunden vorbei sind – zu viert ist alles wesentlich spannender, weil Handel, Allianzen und Kriege entscheidender sind, aber dafür kann das auch mal einen Abend in Anspruch nehmen.