Civilization: Das Brettspiel01.07.2011, Jörg Luibl
Civilization: Das Brettspiel

Special: Klasse Strategie mit historischem Flair

Ein Weltreich ohne Mausklicks errichten? Erkundung, Forschung, Militär und Weltwunder ohne Pixel und Zoom? In Amerika wetteifern Freunde komplexer Strategie bereits seit Dezember um Siege im Brettspiel Civilization. Mittlerweile ist die deutsche Variante beim Heidelberger Spielverlag erschienen. Und diese Zeitreise am (möglichst großen) Tisch sollte man sich nicht entgehen lassen!

Der Vater des Erfolgs

Man denkt immer, das virtuelle Spiel sei so alt. Vor allem, wenn Begriffe wie MS-DOS oder MicroProse fallen, fühlt sich das wie Steinzeit an. Aber schon ein Jahrzehnt bevor Civilization die Herzen digitaler Weltenbauer eroberte, gab es 1980 ein ähnlich konzipiertes Brettspiel bei Avalon Hill. Das hieß nicht nur genauso und genießt nicht nur bis heute einen sehr guten Ruf, sondern inspirierte Sid Meier zu seiner Rundenstrategie für PC, Amiga & Co. Eigentlich müssten die Autoren Francis Tresham und Mick Uhl immer in den Credits von Firaxis‘ Erfolgsserie auftauchen.

Civilization - Das Brettspiel ist in deutscher Übersetzung für knapp 40 Euro beim Heidelberger Spielverlag erschienen.
Das erste offizielle Brettspiel zu Civilization erschien seltsamerweise erst 2002 bei Eagle Games – also mehr als zehn Jahre nach dem Computerspiel. Mit über hundert Karten, zweihundert Miniaturen und riesiger Weltkarte wirkte es wesentlich edler als der spröde Urvater von Avalon Hill, aber es konnte inhaltlich nicht derart begeistern. Falls es jemand besitzt: Mit dieser auch auf Deutsch veröffentlichten Variante hat das hier besprochene zweite offizielle Spiel nichts zu tun - das ist also kein Remake. Der neue Autor Kevin Wilson (Arkham Horror) hat für Fantasy Flight Games ein komplett neues Spiel entwickelt. Und das ist seit Juni endlich auf Deutsch erhältlich.

Historische Grübelei

Soll ich zuerst die Reiterei erforschen? Immerhin kann ich meine Scouts und Armeen dann drei, anstatt zwei Felder bewegen sowie frühzeitig die lukrativen Plätze auf der Karte blockieren! Und danach direkt die Eisenverarbeitung: Mit ihr erhält eine Einheit im Kampf drei zusätzliche Angriffspunkte, was angesichts der verflucht starken Barbaren gerade in der Antike ein Vorteil ist. Oder doch lieber die

Großes Spiel, großer Tisch - man braucht viel Platz! In der Mitte: Die Technologiepyramiden für China und Rom, die immer weiter anwachsen.
Gesetzgebung? Dann könnte ich eine Republik gründen, nach einem Kampf sogar Münzen horten und endlich Handelsposten errichten. Die wiederum geben mir einen Kultur- und zwei Handelspunkte, so dass ich…wenn ich…danach…

Diese angenehme Grübelei sollte Computerspielern bekannt vorkommen. Wir haben jetzt knapp ein halbes Dutzend Spiele hinter uns und können sagen, dass dieses Brettspiel das Flair des virtuellen Vorbilds wunderbar einfängt – es macht taktisch Laune und es ist alles anders als ein Theoriebrocken. Wenn man einmal im Rundensog steckt, entwickeln sich spannende Wettläufe um Rohstoffe und Siegpunkte, die sowohl passiven Strategen als auch Raubrittern genug Möglichkeiten geben. Auch das Spiel zu zweit ist empfehlenswert, zumal die Partien hier in eineinhalb bis zwei Stunden vorbei sind – zu viert ist alles wesentlich spannender, weil Handel, Allianzen und Kriege entscheidender sind, aber dafür kann das auch mal einen Abend in Anspruch nehmen.

Gute Anleitung, edle Präsentation

Der Weg von der Antike in die Moderne verläuft zwar in einigen Bereichen ganz anders als auf dem PC, aber die Zeit vergeht trotzdem wie im Flug. Natürlich braucht man angesichts der Komplexität des Spiels mindestens ein, zwei Proberunden, bis es flutscht und man das Regelwerk verinnerlicht hat. Das ist aber überaus anschaulich und erklärt - bis auf wenige Ausnahmen im Kampfsystem - alles sehr gut: Auf knapp 32 großformatigen Seiten wird das Spielprinzip mit seinen fünf Runden von der Startphase über den Handel, die Städteverwaltung bis hin zur Bewegung und Forschung erläutert. In welcher Runde man was machen darf, steht auch auf einer kompakten Übersicht, die man neben sein Volk legt.

Üppig gefüllte Box: Über 200 Karten, dazu hunderte Marker für Gebäude & Co, 20 Spielplanteile, 24 Armeefiguren und eine 32-seitige Anleitung.
Die edle Präsentation lässt schnell historisches Flair aufkommen: Es gibt zwar nur acht Plastikfiguren (zwei Scouts, sechs Armeefahnen) für jeden der maximal vier Spieler, aber mit über zweihundert farbig bedruckten Karten für Wunder, Technologien und Armeen sowie hunderten Plättchen für Gebäude, Rohstoffe, Boni & Co stimmt nicht nur die Masse in der üppig gefüllten Box. Schade für Figurenfetischisten ist lediglich, dass die vierTruppentypen Infanterie, Kavallerie, Artillerie und Luftwaffe ebenfalls nur in Kartenform auftauchen – dafür erkennt man auf ihnen umgehend die Schere-Stein-Papier-Wirkung.

Die grafische Klasse stimmt ebenfalls: Die Artdesigner konnten sich in den Archiven von Firaxis bedienen und sorgen mit ihren Illustrationen für ein stimmungsvolles Ambiente. Vor allem die Zivilisationsbögen mit den Portraits der sechs wählbaren Herrscher (Russland, China, Deutschland, Amerika, Rom, Ägypten) und den damit verknüpften Zählscheiben für Handel und Wirtschaft können sich sehen lassen. Hinzu kommen die 20 Spielplanteile, auf denen die Landschaft aus der Vogelperspektive dargestellt wird – zwischen Gebirgen und Wald erkennt man vielleicht ein Barbarendorf, ein Naturwunder oder einen der seltenen Rohstoffe wie Seide oder Eisen. Wer sich für Civ begeistert, wird schon beim Aufbau seine Freude haben, auch wenn man statt echter berühmter Persönlichkeiten wie Napoleon & Co mit anonymen Feldherren, Forschern und Künstlern vorlieb nehmen muss.

Sechs Völker im Wettstreit

Sechs Völker mit unterschiedlichen Startbedingungen stehen zur Wahl: Amerika, Russland, China, Deutschland, Ägypten, Rom. Auf der Scheibe zählt man Handelspunkte und Münzen.
Aber viel wichtiger als die Präsentation ist natürlich die Spielmechanik. Und da freut man sich gleich zu Beginn über die schon erwähnte Qual der Wahl sowie die offene Struktur. Ziel ist es, mit einem von sechs Völkern eine von vier Siegbedingungen zu erfüllen. Diese erfordern eine unterschiedliche Spielweise und evtl. auch einen darauf abgestimmten Anführer, der nicht als Figur auf dem Brett erscheint, aber dessen Portrait gleichzeitig das Volk symbolisiert. Man kann zwar mit jedem Volk jedes Ziel erreichen, aber man kann sich den Start etwas erleichtern, wenn man auf die speziellen Vorteile achtet – immerhin bekommt Ägypten gleich ein Weltwunder, Rom ist schon in der Republik, während die anderen im Despotismus herum dümpeln, und Amerika darf eine große Persönlichkeit ziehen, die eine Stadt umgehend verstärkt.

Wer den Kultursieg anstrebt, hat mit China die besten Karten, sollte natürlich jene Wunder und Gebäude errichten, die Kulturpunkte einbringen und sich in der Stadtverwaltung den Künsten widmen. Wer den Wirtschaftssieg sucht, ist mit Amerika gut bedient und sollte den Erwerb von Münzen priorisieren, die es u.a. nach gewonnenen Kämpfen, auf der Karte oder über Forschung geben kann. Wer den Technologiesieg inkl. Weltraumbesuch will, sollte es auf die Mehrung der Handelspunkte absehen, denn mit ihnen kann man sich schneller entwickeln. Und wer es kriegerisch mag, sollte natürlich von Beginn an die Staatsformen und Wunder erforschen, die der Armee zu Gute kommen – ein Anführer wie Bismarck kann auch nicht schaden, denn er startet mit zwei zusätzlichen Infanterietruppen.

Modulare Spielwelt

Schon beim Aufbau erkennt man ein wesentliches Merkmal: Die Welt ist modular aufgebaut. Es gibt keine riesige Karte, aber im Gegensatz zum geländefreien Im Wandel der Zeiten erkundet man eine teilweise unbekannte Welt aktiv mit seinem Scout, der auch weit entfernte Rohstoffe nach Hause schicken kann und eine Stadt gründet – so wie im Vorbild von Sid Meier gibt es also eine Frühphase mit einer Terra inkognita. Allerdings wird der Nebel der Zivilisation auf dem Tisch wesentlich schneller und friedlicher gelüftet, man muss keine Angst vor herum streunenden Barbaren haben, denn die verharren in ihren Lagern, bis man sie angreift. Es werden immer handgroße Spielplanteile aufgedeckt, die in einem Raster jeweils sechszehn Geländefelder mit speziellem Untergrund und Rohstoffausbeute anzeigen.

Terra incognita: Man legt die Welt zunächst verdeckt aus - hier ein Spiel zu zweit mit acht Gebieten.
Ähnlich wie in Dungeon Twister werden diese zu Beginn gemischt und bis auf die zu Beginn sichtbaren Startregionen verdeckt ausgelegt; so sieht die Welt bei jedem Spiel etwas anders aus. Bei zwei Spielern sind es acht, bei drei Spielern sind es zehn und bei vier Spielern erreicht die Welt ihre Maximalgröße von sechzehn Spielplanteilen. Schon zu zweit braucht man dafür viel Platz, aber mit vier Teilnehmern ist wirklich ein verdammt großer Tisch nötig – er sollte mindestens die Maße 90 x 180 cm haben. Sehr schön ist, dass die markierten Startregionen je nach Volk für einen ausgeglichenen Beginn sorgen, denn jedes Volk hat in seiner Heimat bereits einige wertvolle Rohstoffe sowie einen idealen Platz für die erste Stadt. Den kann man frei wählen, aber es gibt auch Empfehlungen für Einsteiger in Form grüner Symbole.

Die Macht der Metropolen

Die erste Stadt ist das wichtigste Element auf dem Spielplan, denn nur in ihrem direkten Umfeld von acht Feldern wird quasi „geerntet“ und nur dort darf man Gebäude errichten – diese bringen z.B. mehr Handelspunkte, Kulturpunkte, Münzen oder seltene Rohstoffe. Das sind alles direkte oder indirekte Mittel, um auf einer der vier Siegerstraßen voran zu schreiten. Eine Expansion von der kleinen zur riesigen Stadt wie im PC-Spiel ist allerdings nicht möglich, so dass man auf diesen Platz für seine Entwicklung beschränkt bleibt. Wer anderes Gelände bzw. Rohstoffe braucht, kann bis zu zwei weitere Städte gründen. Aber wo? Und kommt einem der Gegner zuvor? Wer schnell erkundet, kann nicht nur Luxusgüter nach Hause schicken, sondern auch clever blockieren. Denn dort, wo der eigene Scout steht, ist das Feld tabu für die anderen – es sei denn, sie riskieren ein Gefecht.

Man startet mit einem Scout, einer Armee und einer Heimatstadt.
Nicht nur hinsichtlich der Expansion auf der Weltkarte entsteht angenehmes Grübeln, auch innerhalb der Stadtentwicklung. Denn erstens darf nicht alles überall gebaut werden: Schmiede verlangen ein Gebirge, Häfen das Meer und Handelsposten die Wüste. Zweitens kann man zu Beginn auch gar nicht alles bauen, denn jedes Gebäude muss zunächst erforscht werden. Man muss sich sehr gut überlegen, wo und was man errichtet. Innerhalb der Stadtgrenzen kann man dann nur noch abreißen oder aufrüsten. Egal ob Tempel, Kaserne, Marktplatz oder Schmiede: Jedes Gebäude gibt es in zwei Stufen. Davon gibt es leider nicht besonders viele und das ist einer der wenigen Kritikpunkte.

Die Technologie-Pyramide

Die clevere Forschung ist das zentrale Element für ein erfolgreiches Spiel, denn sie schaltet alles frei – egal ob Gebäude, Staatsformen, Bewegungsreichweite, Stadtanzahl oder Militärtechnologie. Da hat man von Beginn an reichlich Auswahl: Jeder Spieler darf aus einem Pool von 36 Karten in vier Stufen wählen. Und hier besticht Civilization mit seinem einfachen, aber gut strukturierten Pyramidenprinzip, das ähnlich wie auf dem PC zu einer schrittweisen, aber dennoch recht offenen Entwicklung mit Schwerpunktsetzung führt. Worauf konzentriert man sich?

Erst wer zwei Technologien der ersten Stufe nebeneinander auslegt, kann darüber eine der zweiten Stufe platzieren. Wer noch höher hinaus will, muss also erstmal ein Fundament von weiteren Technologien der ersten Stufe auslegen. Um einer zu schnellen Entwicklung hin zur finalen Raumfahrt mit Spielgewinn vorzubeugen, nutzt man ein einfaches Prinzip: Man darf pro Runde nur eine Technologie erforschen, sie werden mit jeder Stufe teurer und man verbraucht bei ihrer Aktivierung alle Handelspunkte – es gibt also keinen Rest. Dem kann man lediglich über bestimmte Entwicklungen oder die Münzsammlung entgegen wirken, damit wenigstens etwas übrig bleibt.

Der Kampf der Zivilisationen

Schön ist, dass das Spiel aggressiven Frühangreifern einen Riegel vorschiebt: Erstens sind die Barbaren zu Beginn sehr wehrhaft – ohne weitere militärische Aufrüstung kann man sie nur mit Glück besiegen, da ihr Heer gleich groß ist. Zweitens bekommen Verteidiger von Städten einen Bonus und vor allem China startet als defensives Bollwerk mit bereits errichteter Wehrmauer. Trotzdem kann man das Spiel auch militärisch gewinnen, wenn man die Hauptstadt eines Gegners einnimmt. Dafür sollte man sich allerdings gut vorbereiten und mehr als nur eine Armeefahne besitzen. Diese symbolisiert lediglich einen Teil des stehenden Heeres, das man in Form von verdeckt gezogenen Truppenkarten in vier Kampftypen (Infanterie, Artillerie, Kavallerie, Luftwaffe) mit der Zeit aufbaut. Es kann also sein, dass sich nach einigen Niederlagen hinter dem Fahnensymbol nur ein Häufchen Elend versteckt.

Mit der Zeit kann man Gebäude um seine Stadt herum errichten oder große Persönlichkeiten ansiedeln, die u.a. mehr Rohstoffe einbringen.
Wie läuft der Kampf ab? Es gibt keine Würfel. Es werden direkt Stärkepunkte verrechnet, wenn die auf null sinken, ist man gestorben. Trotzdem gibt es ein kleines Zufallselement, denn man zieht aus seinem stehenden Heer zufällig die Karten für den Kampf – da kann mal eine schwache oder auch eine starke Infanterie dabei sein, denn selbst die Einheiten einer Stufe variieren etwas in ihrer Stärke. Normalerweise zieht man nur drei Karten, aber wer z.B. nicht nur eine, sondern zwei Armeefahnen einbringt oder die Staatsform „Fundamentalismus“ hat, darf mehr Karten ziehen.

Schere, Stein, Papier

Man berechnet vor dem Kampf noch etwaige Boni durch Kasernen, Generäle oder eine Verteidigungssituation – dann bekommt ein Spieler eine Bonuskarte, die nach dem Kampf mit den überlebenden Truppen verrechnet wird. Danach geht es los: Jeder legt seine Truppenkarten abwechselnd auf den Tisch, wobei der Verteidiger beginnen muss, und dadurch einen kleinen Nachteil hat – was angesichts der Initiative jedoch okay ist. Denn im Zentrum steht das Schere-Stein-Papier: Infanterie schlägt Kavallerie, Kavallerie schlägt Artillerie und diese wiederum Infanterie.

Wenn der Verteidiger also eine Infanterie der Stärke 3 auslegt, sollte man als Angreifer mit einem Bogenschützen kontern. Aber diese Konfrontation führt nicht zum sofortigen Tod, sondern dazu, dass der Bevorteilte zuerst zuschlägt. Also: Diese 3er-Infanterie würde gegen einen 2er-Bogenschützen zwar zuerst zwei Schadenspunkte in Form von roten Markern nehmen, aber da sie mit einem knapp überlebt, darf sie mit ihren drei Schadenspunkten zurückschlagen und vernichtet den Bogenschützen. Trotzdem bleibt diese Infanterie als verletzte Truppe auf dem Tisch liegen und ist leichte Beute.

Unsichere Fronten und Beute

Jede Menge Marker repräsentieren Rohstoffe & Co.
Was zunächst etwas undeutlich ist, sind die Fronten: Denn man muss nicht auf jede liegende Karte reagieren, man kann auch eine neue Front aufmachen und somit – wenigstens kurze Zeit - der Übertrumpfung entgehen. Dann kann der andere Spieler wiederum entscheiden, ob er auf diese Karte reagiert oder seinerseits eine neue Front aufmacht. Im schlimmsten Fall kann das dazu führen, dass sich alle Truppen aus dem Weg gehen. Trotzdem kann man diese Situation mit einem Sieger auflösen, denn am Ende zählen ja die Stärkepunkte der Überlebenden plus die Kampfbonikarte – bei einem Unentschieden siegt der Verteidiger.

Lohnt sich denn das Gefecht? Die Armeefahne des Gegners wird vom Tisch genommen und als Beute winken u.a. Handelspunkte, Kulturmarker oder Rohstoffmarker. Falls es sich um eine Stadtbelagerung handelte, darf man eine Technologie des Feindes gratis erforschen, eine Kulturereigniskarte sowie bis zu zwei Rohstoffe stibitzen. Und wenn es die Hauptstadt war, ist man sogar der Sieger. Schön ist, dass man nicht nur über seine Truppen, sondern auch subtiler attackieren kann: Wer auf Feldern des Feindes steht, raubt damit die dortigen Rohstoffe. Man kann Wege oder Stadtgründungen mit seiner Anwesenheit blockieren oder Kulturereigniskarten nutzen, um Gebäude zu zerstören oder Katastrophen auszulösen.

Handel und Diplomatie laufen hier quasi in direkter Diskussion am Tisch ab, was erst ab drei Teilnehmern interessant wird. Es gibt also keine außenpolitischen Karten oder Botschafter, die etwas verhandeln, sondern lediglich eine Rundenphase, in der man ohne große Regeln Rohstoffe, Handelpunkte oder Kulturmarker tauschen oder militärische Abkommen schließen kann.

Unterschiede zum Computerspiel

So mancher digitale Civ-Veteran könnte sich etwas eingeengt fühlen, denn man kann keine riesigen Weltreiche bauen – obwohl das so aussieht, wenn man mit vier Teilnehmern den Rahmen jedes normalen Tisches sprengt. Man ist im Brettspiel naturgemäß beschränkter, was die räumliche Ausdehnung angeht: Es gibt maximal drei Städte und diese können ihre Einflusszone von acht Feldern nicht erweitern – es gibt also keine territoriale Expansion oder gar Integration anderer Städte. Auch das Mikromanagement fällt hier weg: Man muss sich weder um die Ernährung noch um Straßen oder Arbeiter kümmern.

Die Stapel für Infanterie, Kavallerie, Artillerie und Luftwaffe. Zu Beginn ist jeder auf der ersten Stufe, hier hat der gelbe Spieler schon etwas aufgerüstet.
Es gibt natürlich noch viel mehr Unterschiede, aber unterm Strich auch so viele markante Ähnlichkeiten in der Spielmechanik, vor allem was die Forschung, das Gebäudemanagement oder die multiplen Siegbedingungen angeht, dass ein vergleichbares Flair entsteht. Zumal auch auf dem Brett ganz entscheidend für den Erfolg ist, mit welcher Konsequenz man sich in die kulturelle, wirtschaftliche, wissenschaftliche oder militärische Richtung entwickelt. Bei unseren Probespielen schienen die Kulturspieler einen kleinen Vorteil zu haben, weil sie im Vergleich zu den Münzspielern sehr schnell ihre Punkte ergattern können – aber auch das ließ sich über frühe Angriffe einigermaßen kontern.

Unterschiede zu „Im Wandel der Zeiten

Das Auge isst natürlich auch auf dem Tisch mit und da wirkt Civilization deutlich edler, wertiger und ansehnlicher als der etwas mager illustrierte Imperienbau von  Vlaada Chvatil. Außerdem fehlen dort die Erkundungsreize, da man kein Gelände aktiv erkundet, sondern lediglich sein Reich verwaltet, was zunächst etwas steril anmutet. Und für Gelegenheitsstrategen ist Chvatils ausgeklügelter, aber erst auf

Auch Weltwunder sind dabei, die sehr effiziente Boni bringen.
lange Sicht motivierender Imperienbau schwerer zu verdauen, da das Regelwerk etwas vertrackter und die Spieldauer für eine Partie deutlich länger ist.

Allerdings hat die Spielmechanik bei Im Wandel der Zeiten auch einige Vorteile, die hier fehlen: Zum einen ist das Mikromanagement dort interessanter, weil Ernährung und Produktivität des Reiches eine tragende Rolle spielen – da ist man näher an Civ als dieses offizielle Brettspiel.  Zum anderen spürt man den Wechsel und das Voranschreiten der historischen Zeiten deutlicher, denn die Persönlichkeiten, Gebäude und Technologien befinden sich in Chvatils Ansatz in einem stetigen Fluss, so dass man wirklich das Gefühl von historischer Entwicklung bekommt. Im offiziellen Brettspiel zu Civilization wird das lediglich ein wenig über die Kulturleiste und die Wunder angedeutet, die in einem neuen Zeitalter wechseln.

Ausblick

   Sieht sehr edel aus, ist strategisch tief, spielt sich überraschend knackig! Wer bisher Angst vor historischen Regelungeheuern hatte, könnte mit dieser Zeitreise eines Besseren belehrt werden – zumal sie auch zu zweit für taktische Spannung sorgt. Und vor allem digitale Civ-Veteranen sollten sich diese Tischvariante ansehen, denn das Flair und die Spielmechanik lassen schnell angenehme Erinnerungen aufkommen. Es ist zwar schade, dass nur maximal vier Spieler teilnehmen können und dass es etwas wenig Gebäude sowie keine Stadtexpansion gibt, aber dafür entschädigt das Brettspiel von Kevin Wilson mit seinen Stärken: Sechs unterschiedliche Völker, eine modular aufgebaute und immer etwas anders strukturierte Welt, Schere-Stein-Papier-Gefechte ohne Würfel, frühe Erkundungsreize durch Scouts und verdeckte Gebiete, ein durchdachtes Konzept der Forschung und vier Siegbedingungen, die jeweils eine andere Taktik verlangen.  Wir haben aktuell viel Spaß mit diesem wunderbar illustrierten Spiel – auch wenn ich als Miniaturenfan lieber Plastikfiguren statt Armeekarten gesehen hätte. Aber Kevin Wilson hat nach dem überragenden Arkham Horror ein weiteres komplexes, aber unheimlich Zeit fressendes Schmuckstück von Brettspiel entwickelt. Civilization ist der hier besprochenen Konkurrenz zwar nicht in allen inhaltlichen Belangen überlegen, aber es gehört neben „Im Wandel der Zeiten“ derzeit zu den besten historischen Aufbauspielen.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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