Der Eiserne Thron23.03.2012, Jörg Luibl
Der Eiserne Thron

Special: Die edle zweite Edition

Eine Fernsehserie läuft, ein Rollenspiel ist in der Mache und nach vielen Jahren des Wartens erscheint der neunte Band von „Das Lied von Eis und Feuer“ im Mai auf Deutsch. Auch auf dem Tisch gibt es dieses Jahr Nachschub aus der Fantasywelt von George R. R. Martin: Die zweite Edition des Brettspiels „Der Eiserne Thron“ will Strategen erneut nach Westeros locken.

Intrigen & Überraschungen

Sechs Herrscher legen verdeckt ihre Befehle. Ein paar Sekunden später gleicht die Karte zwischen der Mauer und Sunspear einem bunten Flickenteppich. Was haben sie vor?  Wird sich das Haus Stark weiter nach Süden

Die zweite Edition "Der Eiserne Thon" kostet 30 Euro und ist 2012 auf Deutsch beim Heidelberger Spielverlag erschienen.
vorkämpfen? Hält sich das Haus Lannister an die mündliche Absprache mit Greyjoy und behält die rote Flotte im Hafen? Sammelt Baratheon weiter nur Macht, ohne sich um den Kampf zwischen Martell und Tyrell im reichen Süden zu kümmern? Wer überfällt wen?

Gleich wird aufgedeckt, geflucht und gekämpft. Und danach warten alle Spieler auf die nächsten Ereignisse, um vielleicht um die drei wichtigen Plätze der Macht zu bieten: Den Thron, die Valyrische Stahlklinge, den Botenraben. Nur wer dort an der Spitze steht, kann auf exklusive Rechte wie die Bestimmung eines Siegers bei Gleichständen (oh, was für ein herrliches Monopol!), die zusätzliche Stärke im Kampf oder den Austausch von bereits gelegten Befehlen zugreifen. All das dient nur einem Ziel: Nach zehn Runden die meisten Burgen und Festungen in Westeros zu besitzen.

Die bisherigen Spiele:

Im Jahr 2003 erschien "Der Eiserne Thron" erstmals und wurde von zwei Erweiterungen ergänzt: „Die Thronkriege“ kam 2004 und „Der Sturm der Schwerter“ folgte 2006. Diese Spannung zwischen Bluffs, Einflusswechsel und Gefechten zeichnet die clevere strategische Unterhaltung aus. Bereits letztes Jahr habe ich dieses Brettspiel empfohlen, das entgegen aller Lizenzskepsis für sehr gute Qualität auf dem Tisch sorgte. Nicht zuletzt, weil es die machtpolitischen Fehden der literarischen Vorlage abbilden konnte – mehr dazu in der ausführlichen Besprechung. Hier geht es um die Frage, was die zweite Edition zu bieten hat, die acht Jahre nach dem Original und zwei Erweiterungen erschienen ist.

Das Auge kämpft mit

Wie im Original von 2003 braucht man viel Platz: Die neue Karte überzeugt mit mittelalterlichem Flair.
Wie im Original von 2003 braucht man viel Platz: Die neue Karte und die Sichtschirme überzeugen mit mittelalterlichem Flair.
Das Artdesign wurde nahezu komplett überarbeitet: Natürlich bleibt es bei den originalen Wappen und den bekannten Symbolen auf den Marken, aber die große Faltkarte von Westeros wirkt jetzt wesentlich malerischer. Das Bunte ist dem Vergilbten gewichen, so dass mehr mittelalterliches Flair entsteht. Dazu tragen auch die sechs neuen Sichtschirme für jedes Haus bei, die hinten die Spielzüge zusammen fassen und vorne prächtige Charaktere samt Landschaften und Wappen darstellen – zudem eignen sie sich zum Verbergen der Befehlsmarker. Die Illustrationen auf den Karten wurden ebenfalls veredelt.

Schade ist, dass man bei den Spielsteinen nicht auf Miniaturen gesetzt hat: Es gibt lediglich grobe Figuren von Soldaten, Rittern und Booten anstatt detaillierte Plastikmodelle, die hervorragend zum Thema gepasst hätten. Immerhin hat man die 138 Kunststoffeinheiten in sechs Farben „marmoriert“ – so wirken sie etwas wertiger. Unterm Strich überzeugt die komplette Box mit den knapp dreihundert Markern, hundert Karten bis hin zur vorbildlichen Anleitung mit einer deutlich edleren Ausstattung. Zum Vergleich findet man die Bilder des Originals in dieser Galerie.

Verfeinertes Spieldesign

Wer das Original von 2003 besitzt, wird hier auf den ersten Blick keine grundsätzlich neue Spielmechanik entdecken, zumal es bei den fünf bekannten Befehlen Überfall, Marsch, Verteidigung, Unterstützung sowie Machtzuwachs bleibt.

Es gibt zwar keine Miniaturen, aber marmorierte Spielfiguren für die sechs Häuser.
Allerdings beginnen hier die kleinen Änderungen, denn einige Spezialbefehle wurden leicht verändert – bei einem Überfall kann man z.B. erstmals auch einen feindlichen Verteidigungsmarker vernichten. Und auf den zweiten Blick machen sich die Ergänzungen positiv bemerkbar, die schon mit den Erweiterungen eingeführt wurden.  

Zum einen profitieren die Kämpfe von den Belagerungsmaschinen, die dem Angreifer mit ihren vier Punkten (ein Ritter hat zwei, ein Soldat einen) mehr Wucht verleihen – schön ist, dass sie in der Verteidigung keinen Wert haben; sie sind also verwundbar. Und wer die 24 neuen Schlachtenglück-Karten einsetzt, kann die Gefechte nochmal mit Spannung würzen, denn dann zieht jeder Spieler bei einem Gefecht einmal von diesem verdeckten Stapel – dabei hat der Besitzer der Stahlklinge noch den Vorteil des Austauschs. Jetzt werden die dort gelisteten Boni und Spezialfähigkeiten hinzu gerechnet; außerdem zwingt der Totenkopf sowohl Sieger als auch Verlierer dazu, eine Einheit umgehend zu vernichten. All das sorgt für mehr Verluste und Unberechenbarkeit in den Kämpfen.

Wildlinge, Häfen & Garnisonen

Hinter den neuen Sichtschirmen kann man seine Befehlsmarker verbergen.
Hinter den neuen Sichtschirmen kann man seine Befehlsmarker verbergen.
Auch geostrategisch gibt es mehr zu bedenken: Auf der Karte sind Häfen zu sehen, die der Spieler mit dem angrenzenden Land kontrolliert. Dort dürfen bis zu drei Schiffe ankern, die bei bestimmten Ereigniskarten für direkten Machtzuwachs sorgen. Außerdem fungieren die Häfen als maritime Enklaven, denn selbst wenn das umliegende Seegebiet vom Feind besetzt ist, darf man dort schwimmenden Nachschub rekrutieren – allerdings ist man nicht sicher vor einer Invasion, zumal man sofort alle Schiffe an den Feind verliert, wenn sein Heer das Land erobert.

Neu sind zudem die Garnisonen, die die Heimatprovinz verstärken. Jedes Haus legt zu Spielbeginn einen Marker auf seine Hauptstadt, der einen Verteidigungswert besitzt und als verteidigende Einheit gilt – Lannisport verfügt z.B. über zwei Zusatzpunkte. Auch die Westeroskarten wurden aufgestockt: Gab es im Original lediglich elf, sind es mittlerweile fünfzehn Ereignistypen, die in drei Stapeln sortiert werden. Besonders interessant sind „Dunkle Schwingen, dunkle Worte“ oder „Lasst die Schwert sprechen“ , in denen ein Spieler entscheiden darf, was bei drei Möglichkeiten passiert.

Die neun Wildlingskarten sind ebenfalls eine Neuerung gegenüber dem Original: Sie geben der Bedrohung von jenseits der Mauer quasi ein Gesicht, indem sie z.B.

Jedes Haus verfügt über sieben Machtkarten, die Kämpfe beeinflussen - im Original waren es fünf.
„Rasselhemds Rotte“ auftreten lassen, die alle Spieler gleichzeitig bedroht – danach müssen alle wie gehabt verdeckt zusammen bieten, um den Angriffswert der Horde mindestens zu erreichen. Auf diesen Karten ist genau vermerkt, was auf den Höchstbietenden als Belohnung oder das feige Haus mit dem geringsten Engagement als Strafe wartet.

Das für maximal sechs Parteien ausgelegte Spiel kann man sehr schnell für drei, vier oder fünf Teilnehmer anpassen, indem man die verfügbaren Häuser gemäß der Anleitung begrenzt und die Karte über neutrale Mächte verkürzt. So kommt es auch zu dritt nicht zu einem langweiligen Vakuum. Noch eine Fußnote zur deutschen Version: Zum Glück hat man nicht so holterdipolter übersetzt wie der Blanvalet-Verlag die aktuellen Romane - man muss also kein "Casterly Stein" oder anderes Denglisch befürchten.

Ausblick

Schade, dass es keine Miniaturen gibt! Aber ansonsten gibt es nicht zu meckern: Der Eiserne Thron gehörte schon zu den besten Strategiespielen und wurde mit dieser zweiten Edition in vielen Bereichen verfeinert. Das Artdesign sorgt mit der malerischen Karte, den neuen Sichtschirmen sowie den edlen Karten für mehr mittelalterliches Flair und die Regelergänzungen bereichern die bisherige Spielmechanik. Lohnt sich der Kauf für Besitzer des Originals? Das kommt vielleicht darauf an, wie oft man um Westeros kämpft und ob man bereits Zusätze gekauft hat. Insbesondere wer das Spiel häufiger auf den Tisch bringt und die bisherigen Erweiterungen nicht kennt, wird diese zweite Edition zu schätzen wissen. Denn mit den Zusätzen fühlt sich das Spiel runder, spannender und etwas komplexer an, ohne überfrachtet zu sein.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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