Special: Kooperation im Weltraum
Die gesprochene Gefahr
Es kommt selten vor, dass Brettspieler, die in der Regel zur gemütlichen Sorte des Homo ludens gehören, bei ihrem Vergnügen am Tisch nervös herum zappeln, hyperventilieren oder sich anschreien. Noch seltener beobachtet man sie dabei, wie sie angestrengt die Ohren spitzen und mit weit aufgerissenen Augen auf Lautsprecher starren, als würde gleich der schwarze Mann heraus kriechen. Warum diese Anspannung? Warum diese Angst? Weil das eigene
Alarm. Feindaktivität geortet.
Zeit T+2. Interne Bedrohung.
Eingehende Daten.
Zeit T+3. Bedrohung in Zone Blau.
Kommunikation ausgefallen…
…Kommunikation wiederhergestellt.
Zeit T+6. Ernsthafte Bedrohung in Zone Weiß.
Futuristische Rollenverteilung
Das Knifflige ist: Die Spieler dürfen mit ihren Plastikfiguren nicht einfach überall hingehen und alles machen, sondern müssen für jede der sieben Aktion eine von ihren begrenzten, zufällig gezogenen Befehlskarten auslegen, die z.B. die Richtung der Bewegung oder die Betätigung einer Waffe symbolisiert. Und getauscht werden darf nur, wenn aus den Lautsprechern die Ansage „Datenübertragung“ kommt – dafür hat man knapp fünf Sekunde Zeit! Aber wem gibt man welche Karte? Wer müsste nachher am ehesten einen Fahrstuhl benutzen? Selbst in diesen friedlichen Phasen ist die Spannung aufgrund des Zeitdrucks spürbar.
Schweiß auf der Stirn
Die Stimme des Bordcomputers spricht in jeder der 16 Missionen knapp zehn Minuten ohne Unterbrechung. Die Feinde können dabei auf bis zu vier so genannten Terrorbahnen erscheinen, wobei drei die Richtung der äußeren Bedrohung durch Jäger, Zerstörer oder Impulswellen und eine die innere Bedrohung an Bord durch Enter-Kommandos, Viren oder Saboteure symbolisiert. Für jeden Feind gibt es eine Karte mit Geschwindigkeit, Trefferpunkten, Schildpunkten und Spezialaktionen. Das Schöne ist: Er ist noch keine Gefahr, wenn er auftaucht, denn
Aber wer geht wohin? Im Raumschiff gibt es sechs Bereiche, die über Türen und Fahrstühle miteinander verbunden sind. Falls wie oben beschrieben ein Feind in Zone Blau erscheint heißt das, dass irgendjemand dorthin gehen und entweder den Schild oder die Kanone in der oberen Etage aktivieren muss – falls beide dafür Energie haben. Ist die Schildenergie z.B. verbraucht, muss jemand vor der Betätigung des Schalters dafür sorgen, dass ein anderer selbige aus der unteren Etage nach oben leitet. Wenn da auch kein Saft ist, muss jemand den mittleren Reaktor anschmeißen und für Nachschub sorgen. Es geht also um die koordinierte Planung von Bewegung, Nachschub und Aktion.
Im Angesicht des Lasers
Hat die Energieversorgung wirklich funktioniert? Wird ein Feind getroffen? Falls man eine Kanone erfolgreich auf der passenden Terrorbahn abfeuert, wird die Reichweite überprüft und danach der Schaden aller Waffensysteme (es gibt auch Raketen und eine Pulskanone) berechnet, die das Ziel treffen. Leichte Kanonen machen zwei, schwere bis zu vier oder fünf Schadenspunkte und davon wird der Schildwert des Feindes abgezogen. Der Rest nagt z.B. an den acht Trefferpunkten eines interstellaren Oktopus. Erst wenn diese gen null gehen, wird der Feind besiegt. Der Oktopus greift übrigens bei einem Treffer automatisch alle Zonen des Raumschiffs an. Und da ist das Problem, denn jede Zone kann maximal sechs Schadenspunkte verkraften – ab einem Wert von sieben heißt es: Game Over. Manchmal kann es also ratsam sein, einen Feind zu ignorieren und sich um die Schildaktivierung sowie Reparatur einer anderen Zone zu kümmern.
Knackiges Abenteuer mit Wertung
Die Missionen sind knackig, reichen inklusive Aktions- und Ausführungsrunde von 20 bis 30 Minuten – allerdings erlebt man dort komprimierte Spannung und ist froh über die Pause. Falls man überlebt hat, kann man noch eine Wertung ausführen: Dabei bekommt man für alle überstandenen oder vernichteten Feinde deren Punktzahl. Der Oktopus bringt z.B. nur vier, wenn man ihn lediglich überlebt hat, aber satte acht, wenn man ihn auch vernichtet hat –
Ich habe hier viele Einzelheiten nicht ansprechen können, weil das zu weit führen würde – Space Alert ist ein komplexes Spiel, das auch Fortgeschrittene fordert. Die Einführung in das Regelwerk ist jedoch vorbildlich: Die Anleitung ist angenehm anschaulich und sehr witzig geschrieben, es gibt reichlich grafische Beispiele und erste Simulationsflüge, die sich auf das Wesentliche beschränken und als Tutorial fungieren. Sehr behutsam werden weitere Elemente der komplexen Spielmechanik eingeführt. Selbst dann kann man den Schwierigkeitsgrad über die Zusammenstellung der Bedrohungskarten anpassen.
Das Spielmaterial ist hochwertig, was Druck und Ausstattung angeht. Es orientiert sich zwar künstlerisch an Galaxy Trucker, das ebenfalls von Vlaada Chvatil
Fazit
Es gibt kein Brettspiel, das in zehn Minuten diese Spannung auf den Tisch bringt! Wer wissen will, wie es sich auf der Brücke eines Raumschiffs anfühlt,wenn Kometen und Aliens heran rauschen, während feindliche Kommandos schon die unteren Decks entern, muss Space Alert spielen. Es geht um kooperative Planung im Team gegen die Zeit. Wer geht wohin, wer macht was? Wer regeneriert, wer feuert, wer behält den Überblick, wenn der Feind auf Terrorbahnen heran rauscht? Allerdings hängt der Spielspaß sehr stark von der Gruppe ab: Man muss sich ein wenig auf das Rollenspiel und die Kommunikation an Bord einlassen können – gemütlich ist anders. Und es sollte niemand dabei sein, der die Abläufe schon sehr gut kennt. Der Fluch der vorgefertigten 16 Missionen ist natürlich, dass man das Prinzip irgendwann durchschaut hat, aber dafür steigt der Anspruch mit jedem Hypersprung, denn sowohl die Möglichkeiten der Crew als auch die Attacken der Feinde entwickeln sich weiter. Wer die Hektik scheut, kann Space Alert übrigens auch ohne CDs ganz stumm und gemütlich spielen. Aber erst mit aktivierten Bordcomputer erlebt man eines der innovativsten und stimmungsvollsten Brettspiele der letzten Jahre. Ich wollte es schon lange vorstellen, aber habe mich erst kürzlich wieder in den Weltraum getraut,
weil schon so mancher späte Oktopus einen deftigen Familienkrach auslöste - hey, wer wollte sich um die rechte Flanke kümmern? Ein später Glückwunsch an Vlaada Chvatil!
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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