K208.08.2012, Jörg Luibl
K2

Special: Zwischen Sauerstoffmangel und Gipfelglück

Wenn man sich in der Brettspielwelt umsieht, findet man sehr viele Burgen und Dörfer, Fabelwesen und Monster, Händler und Magnaten - es wird fleißig gebaut, gekämpft und gewirtschaftet.  Aber geklettert? Ein Spiel rund um das Bergsteigen wirkt da reichlich exotisch. Doch wer sich auf K2 einlässt, wird nicht einfach so um Höhe würfeln, sondern muss auf dem Weg zum Gipfel clevere Taktik im Team beweisen.

Klettern zwischen Tragik und Ruhm

K2 kostet knapp 30 Euro und erschien in zweiter Edition beim Heidelberger Spielverlag. Es ist für ein bis fünf Spieler geeignet.
K2 kostet knapp 30 Euro und erschien in zweiter Edition beim Heidelberger Spielverlag. Es ist für ein bis fünf Spieler geeignet. Die Karte ist beidseitig mit Routen bedruckt.
Den Mount Everest und den Himalaya kennt jeder. Aber den K2 und das Karakorum-Gebirge? Der zweithöchste Berg der Welt, der seinen kurzen Namen bei der Vermessung mit anderen Gipfeln der Region Kaschmir erhielt,  liegt mit 8611 Metern über Null zwischen Pakistan und China. Und obwohl er der weniger bekannte Riese ist, gilt seine Besteigung mit den gefährlichen Passagen und Flaschenhälsen als schwieriger. Es gab bereits viele Tragödien, die mittlerweile 80 Menschen das Leben kosteten.

Diese Gefahr wird hier gut vermittelt: Man muss auf das Wetter achten, mit dem Sauerstoff haushalten, regelmäßig rasten und aufpassen, dass man nicht vor Erschöpfung stirbt. Ziel des Spiels ist es, am Ende einer knapp dreiwöchigen Expedition als erstes Team den Gipfel zu erreichen und die meisten Siegpunkte über gewonnene Höhe zu ergattern. Wer sich die edel illustrierte doppelseitige Karte anschaut, die eine leichte und eine schwere Route zeigt, bekommt schon eine Ahnung, dass der Weg hinauf kein Zuckerschlecken wird.

Ein Duett auf Routensuche

Ein weiter Weg: Es gibt mehrere Routen über vier Klimazonen. Für Spannung sorgen Risikomarker, Wetterumschwünge und Ermüdung.
Ein weiter Weg: Es gibt mehrere Routen über vier Klimazonen. Für Spannung sorgen Risikomarker, Wetterumschwünge und Ermüdung.
Das beginnt schon bei der Frage des Route: Knapp 30 kreisrunde Plateaus dienen als Zwischenstationen und sind auf der Karte durch Seile verbunden. Durch Gabelungen ergeben sich mehrere Wege zum Ziel, wobei es kurz vor der Spitze immer enger wird. Je nach Schwierigkeit kosten Übergänge mehr oder weniger Bewegungspunkte. Das Besondere an K2: Man schickt nicht eine Figur los, sondern zwei als Duett.  Am Ende der 18. Runde zählen die summierten Siegpunkte beider Figuren.

Man kann eine Figur entweder hinauf oder hinab klettern lassen. Dabei kann man nur jene Felder erreichen, die mit Seilen verbunden sind und muss entsprechende Bewegungskosten bezahlen. Das läuft über ausgelegte Handkarten – wer am Zug ist, darf so viele spielen wie er mag. Hört sich einfach an, aber verlangt eine effiziente Auswahl je nach aktuellem Wetter, gesundheitlichem Zustand und geplanter Route.  Jedes Team verfügt über 18 Karten, die entweder Bewegung, Seil oder Akklimatisierung ermöglichen.

Akklimatisierung und Zeltruhe

Alle Spieler starten im Zeltlager am Fuß des Berges. Aber auch später muss man immer wieder rasten, um sich zu akklimatisieren.
Alle Spieler starten im Zeltlager am Fuß des Berges. Aber auch später muss man immer wieder rasten, um sich zu akklimatisieren.
Diese Karten hat man nicht umgehend zur Verfügung, sondern zieht jeweils drei zu den sechs maximalen Handkarten nach. Dabei wird die Akklimatisierung immer wichtiger je weiter man kommt – es gibt vier Höhenstufen mit steigenden Ansprüchen und Belastungen. Diese werden auf der Spielertafel für jede Figur einzeln festgehalten und reichen von eins bis zehn. Wer dort am Ende der Runde weniger als einen Punkt hat, stirbt und verliert alle bis auf einen Siegpunkt. Selbst wenn man seine letzte Figur also noch zum Gipfel bringt, ist die Wahrscheinlichkeit auf den Sieg sehr gering.

Irgendwann muss man also ein Zelt aufschlagen und sich an die neuen Verhältnisse gewöhnen, was natürlich Zeit kostet.  Aber ohne taktische Pausen und kleine Rückzüge bergab, weil es dort ruhiger ist, geht es nicht. Wer nicht vorsorgt, wird schnell sein blaues Wunder erleben. So simuliert das Spiel das Auf und Ab des Bergsteigens recht gut. Sobald man einmal eine höhere Stufe erklettert, wird der Siegpunktezähler übrigens permanent verschoben – man verliert keine Punkte, wenn man mal den Rückzug antritt.

Wieviel Risiko geht man?

Das Spielmaterial besteht aus Holzfiguren und gut illustrierten Karten.
Das Spielmaterial besteht aus 40 Holzmarkern für Bergsteiger, Zelte und Akklimatisierung sowie knapp 100 gut illustrierten Karten. Hinzu kommen Wetterplättchen und fünf Spielertafeln.
Für eine potenzielle Gefahr sorgt auch das Risikomanagement, das jeder Spieler vor seinem Zug festlegt. Übersetzt: Wie viel Bewegung investiert man an diesem Tag? Hier pokert man verdeckt gegen die anderen mit drei Karten, wobei derjenige mit der höchsten Bewegungszahl auch einen der drei zufällig aufgedeckten Risikomarker nehmen und in seinem Zug abhandeln muss – da können ihm bis zu zwei Punkte Abzug für Bewegungen oder Akklimatisierung drohen!  Er kann natürlich auch Glück haben und nichts passiert.

Für Unberechenbarkeit sorgen die Wetterplättchen: Sie geben an, was so in den nächsten drei Tagen in welcher Zone vom Himmel kommt. Das kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass die dortige Akklimatisierung  schwieriger wird oder dass man zusätzliche Bewegung investieren muss, um weiter zu kommen. Der Wettbewerb wird nicht nur das Risiko- und Karten-Management angeheizt, sondern auch durch Beschränkungen auf den Plateaus. Denn je höher man kommt, desto weniger Platz ist da. Manche Felder reichen  nur für maximal zwei Bergsteiger. Wer kann sich dort zuerst festsetzen?

Ausblick

Zwischen Sauerstoffmangel und Gipfeleuphorie: K2 bildet die Höhen und Tiefen des Bergsteigens sehr gut ab. Mir gefällt nicht nur das exotische Szenario, sondern auch die taktische Herausforderung mit zwei Spielfiguren  – man muss gut mit seinen Karten haushalten, auf Unwägbarkeiten reagieren und schonmal Rückzüge antreten. Hier gewinnt nicht der schnellste mit den besten Karten, sondern der über 18 Runden cleverste Spieler. Nicht ohne Grund wurde K2 auch als Kennerspiel des Jahres nominiert – nur knapp geschlagen von Village, das allerdings vielseitiger ist. Hat man das ungewöhnliche Spielprinzip auf der leichteren Sommer-Route verinnerlicht, kann man sich der schwierigeren Winter-Route stellen, bei der auch das Wetter gnadenloser umschwingt. Man kann auch alleine spielen, wobei die fehlenden Mitstreiter durch mehr potenzielle Risikoverluste ausgeglichen werden. Schön ist, dass dem Spiel dafür eine Highscore-Tabelle mit vier Rangstufen beiliegt, so dass man ungefähr weiß, ob man nur „Tourist“ oder „Himalaja-Bezwinger“ ist. Erst kürzlich ist die Erweiterung „K2 – Broad Peek“ für knapp 25 Euro erschienen, die zwei neue Szenarien hinzufügt. K2 ist sicherlich ein Exot, aber wer abseits von Burgen, Dungeons und Handel ein Spiel mit Anspruch sucht, wird hier fündig!

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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