Dominant Species14.09.2012, Jörg Luibl
Dominant Species

Special: Die Konkurrenz der Arten

Wieso behaupten sich manche Lebewesen so erfolgreich über Jahrmillionen, während andere schon nach kurzer Zeit aussterben? Irgendwie scheint alles wichtig zu sein, von der Fortpflanzung über die Nahrung und das Klima bis hin zu äußeren Einflüssen wie Katastrophen. Keine Bange: In Dominant Species geht es nicht um Evolutionstheorie, sondern um die richtige Strategie im urzeitlichen Wettstreit der Arten. Und die zu finden, macht angesichts der vielen Möglichkeiten richtig Spaß!

90.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung

Ziel ist es, die nahende Eiszeit mit den meisten Siegpunkten für seine Spezies zu erreichen.  Zwei bis sechs Spieler haben die Wahl zwischen Säugetieren, Reptilien, Vögeln, Amphibien, Spinnen und Insekten. Über viele Runden muss man sie über clevere Aktionen zu dominanten Arten entwickeln, indem man sich in einer unberechenbaren Welt auf einer wunderbar großen Faltkarte ausbreitet und optimal anpasst. Denn obwohl man auch mit Masse punkten kann, sorgt nur die Klasse für die wichtige Dominanz, die einem Zusatzaktionen gewährt.

Dominant Species ist in deutscher Version bei Udo Grebe Design erschienen, für zwei bis sechs Spieler konzipiert und kostet knapp 60 Euro.
Was heißt das? Dominant ist jenes Tier, das auf einem Feld die meiste Nahrung findet. Aber das ist gar nicht so einfach, denn das Angebot an Gras, Larven, Fleisch, Samen, Sonne und Wasser verändert sich im Laufe der Zeit. Und das nicht nur durch Zufall, sondern über Aktionen der anderen Spieler: Man kann sich quasi das Futter stehlen oder es gezielt auslegen. Und wenn eine Spezies auf einem Feld gar nichts mehr zu beißen findet? Dann ist sie dort vom Aussterben bedroht – so kann man auf einen Schlag viele kostbare, weil numerisch begrenzte Arten verlieren! Da gilt es also schleunigst weiter zu wandern oder den Nahrungsbedarf seiner Spezies anzupassen.

Auf der Suche nach Nahrung

Und das ist der Clou: Zwar starten alle Tierarten mit vorgegebenen Nahrungstypen – die Schlangen brauchen z.B. Sonne, die Amphibien benötigen Wasser. Aber danach hat man die Wahl, ob man die Schlangen weiter nur mit Sonne versorgt oder sie z.B. auf den Geschmack von Gras oder Larven bringt. Bevor man sich für eine solche Entwicklung entscheidet, sollte man ein Auge auf die Weltkarte werfen: Gibt es da überhaupt genug Regionen, die diese Nahrung anbieten? Und wenn man Pech hat, wird eine fruchtbare Zone vielleicht vergletschert und bringt nur noch wenig Siegpunkte. Das Schöne an diesem

Die sehr gut illustrierte Faltkarte verlangt einen großen Tisch. Optimal spielt es sich zu viert oder mehr. Darunter muss man mehrere der sechs Spezies gleichzeitig verwalten - zu zweit also drei.
Die sehr gut illustrierte Faltkarte verlangt einen großen Tisch. Optimal spielt es sich zu viert oder mehr. Darunter muss man mehrere der sechs Spezies gleichzeitig verwalten - zu zweit also drei.
Brettspiel ist gerade diese dynamische Veränderung der Welt.

Am Anfang ist noch alles gerecht verteilt: Auf fünf Hexfeldern teilen sich Amphibien, Vögel, Spinnen & Co sowohl Land als auch Nahrung. Aber schon bald wächst die Welt, denn man kann Felder anlegen – darunter Wüsten, Wälder, Meere, Sümpfe und Gebirge. Je nach Terrain ergeben sich bei den regelmäßigen Wertungen unterschiedliche Siegpunkte: Wer das Meer beherrscht, bekommt satte neun; wer das Gebirge beherrscht lediglich zwei. Aber auch die dahinter Platzierten bekommen noch Punkte. Hier ist zwar die Anzahl der eigenen Tiere entscheidend, aber nur das dominante Tier darf auch eine der mächtigen fünf Karten einsetzen.

Dominanz und Ereignisse

Diese Karten gewähren umgehend Zusatzaktionen wie in Form von kleinen Ereignisse wie Winterschlaf, Evolution, Nachtaktiv, Immigranten oder Raubtier, die sehr nützlich sein können – da werden andere Tiere eliminiert, man darf frei wandern, ein Feld komplett leer räumen oder vergletschern. Aber im Zentrum der eigenen Strategie stehen die normalen Aktionen, die auf der großen Tafel auf der rechten Seite des Spielplans ausgeführt werden: Dort platziert man in der stetig wechselnden Reihenfolge seine Aktionsfiguren in zwölf Bereichen. Aber was ist gerade wichtig? Fortpflanzung, Bewegung, Vergletscherung oder Nahrungswechsel?

Das Besondere an Dominant Species ist nicht nur, dass es eine Fülle an Möglichkeiten gibt, seine Spezies auf die Siegerstraße zu bringen: Man muss sich auch immer an neue Situationen anpassen! Es kann sinnvoll sein, den Konkurrenzkampf zu suchen und andere Tiere im Kampf zu vernichten – dafür gibt es kein System, es werden einfach kleine Steinchen entfernt. Es kann sinnvoll sein, sich schnell fortzupflanzen oder mit wenigen Tieren ganz neue Regionen zu bevölkern, weil man dort die meiste Nahrung findet und deshalb dominant ist. Es kann sinnvoll sein, bestehende Regionen gezielt zu vergletschern oder die Welt über neues Terrain zu vergrößern.

Klasse statt Masse

Je länger man spielt und je mehr Leute dabei sind, desto bunter und unberechenbarer, aber auch faszinierender wird es: In der Ausführungsphase zeigt sich in zwölf Stufen, ob die eigenen Planungen sinnvoll waren. Am Anfang wird man von den Optionen etwas überwältigt und es scheint noch so, dass man seine Spezies einfach über die pure Masse zum Sieg führen kann. Sprich: Schnell und viel fortpflanzen über Artenbildung. Aber das ist nur eine Seite der strategischen Medaille, denn clevere Auswanderung, gezieltes Anlegen weiterer Region sowie Anpassungen an die verfügbare Nahrung sind mittelfristig ebenfalls wichtig. Aber man hat ja nur begrenzte Aktionen – gerade mal fünf im

Es gibt sechs Spezies, die um den Sieg kämpfen. Die Vögel haben zu Beginn nur Samen gefressen, mittlerweile sind Larven dazu gekommen. Ihre Besonderheit: Sie dürfen zwei Felder weit ziehen.
Spiel zu viert!

Das Zünglein an der Waage ist bei manchen Entscheidungen die Platzierung innerhalb der Nahrungskette: So gewinnen bei einem Unentschieden zwischen Insekten und Säugetieren immer Letztere. Dafür sind die Insekten zu Beginn quasi handlungsschneller, dürfen also vor den Säugern ihre erste Aktionsfigur setzen; auch diese Reihenfolge lässt sich ändern. Was hat man davon, als Erster zu agieren? Neben den expansiven Aktionen auf der Karte gibt es auch passive, die die eigene Entwicklung quasi schützen – es kann nämlich sein,

Noch ist die Welt recht klein: Im Laufe der Zeit kommen weitere Hexfelder hinzu.
Noch ist die Welt recht klein: Im Laufe der Zeit kommen weitere Hexfelder hinzu.
dass sich Spezies zurückentwickeln, sprich: Sie müssen eine gewonnene Nahrung wieder abgeben. Ob sie dann in der finalen Phase noch überleben können?

Was läuft nicht so gut?

Dominant Species ist ein sehr komplexes, auf lange Sicht unheimlich interessantes Strategiespiel in hochwertiger Präsentation. Man kann ihm vielleicht vorwerfen, dass die Unterschiede zwischen den Spezies nur gering sind, nicht nur was die hölzernen Steine und Figuren angeht: Es gibt nur eine exklusive Eigenschaft wie z.B. die höhere Zugweite der Vögel, die Gratiskampfaktion der Spinnen oder die Widerstandsfähigkeit der Säugetiere. Man kann auch keine weiteren hinzu gewinnen, so dass man seine Spezies nur über die Art der Nahrung entwickelt – es gibt also keine körperlichen Anpassungen wie anderes Fell, Krallen, Wachstum oder Ähnliches. Letztlich hätte man damit allerdings die Balance gefährdet.

Ärgerlich an der deutschen Version ist die orthografisch nicht ganz saubere und vor allem unvollständige Übersetzung: Dass die Hexfeldteile englische Namen tragen ist nicht so schlimm - so konnte das Spiel laut Verleger zehn Euro günstiger veröffentlicht werden. Aber der Abschnitt, der das wichtige Aussterben am Ende einer Runde erklärt, fehlt! Da muss man sich auf der offiziellen Webseite unter Errata schlau machen und

Auf der rechten Seite des Spielplans platziert man seine Aktionsfiguren. Dort werden jede Runde auch zufällig neue Nahrungsmarker ausgelegt.
Auf der rechten Seite des Spielplans platziert man seine Aktionsfiguren. Dort werden jede Runde auch zufällig neue Nahrungsmarker ausgelegt.
erfahren, dass alle Arten, die auf einem Feld keine Nahrung finden, vom Spielplan genommen werden und somit final aus dem Genpool verschwinden. Konnte man sich vielleicht zusammen reimen, aber darf natürlich nicht fehlen.

Ausblick

Dominant Species ist etwas Besonderes. Zum einen ist es sicher das komplexeste Brettspiel neben Im Wandel der Zeiten, das ich bisher empfohlen habe – man wird zu Beginn von den Möglichkeiten überwältigt. Aber der zusätzliche Aufwand an Zeit für die Einarbeitung wird nicht von staubtrockenen Statistiken, sondern mit Tiefe und Spannung belohnt. Ähnlich wie in den richtig guten Strategieklassikern à la Agricola oder LeHavre geht es darum, aus seinen wenigen Aktionen das Beste herauszuholen. Hier kommt jedoch eine dynamische Note durch die stetige Veränderung der Welt und des Nahrungsangebotes hinzu. Zum anderen ist das Szenario rund um die Entwicklung der Lebewesen einfach erfrischend, denn es geht nicht schon wieder um Truppen und Armeen. Es gibt auch keine klassischen Kämpfe, sondern einen vielschichtigen Verdrängungswettbewerb, bei dem man sich sowohl clever ausbreiten als auch anpassen muss. Das ist ein Spiel für Genießer, für Grübler und Planer, die auch mal über zwei, drei Sitzungen anspruchsvolle Strategie erleben wollen. Sehr empfehlenswert!

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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Kommentare

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Bussiebaer

Der Publisher Udo Grebe Gamedesign überlegt derzeit es neu auflegen zu lassen. Damit sich das finanziell rentiert warten sie aber bis 500 Leute das Spiel vorbestellen. (Nennt sich bei denen Projekt P500) Das kann man hier machen: http://ugg2nd.de/Preorder-ugg/Dominant- ... print.html
Anscheinend sind genug Leute zusammen gekommen! :-D
Das Spiel ist wieder bestellbar, mein vorbestelltes Exemplar unterwegs

vor 4 Jahren