Tokaido24.10.2012, Jörg Luibl
Tokaido

Special: Entspanntes Sammeln in Japan

Der östliche Seeweg bietet tolle Panoramen: Halte ich gleich noch an diesem Gebirge, um die wertvollen Eindrücke zu sammeln? Oder gehe ich direkt weiter zur heißen Quelle, um mich für zwei oder drei Siegpunkte zu baden? Ich könnte natürlich auch bei den Souvenirs vorbei schauen, um meine Sammlung zu vervollständigen. Aber so langsam nörgeln die anderen Reisenden, die an mir vorbeiziehen wollen. Tokaido ist zwar ein entspanntes, aber auch kompetitives Erlebnis.

Auf historischen Pfaden

Tolles Artdesign und einer der Verkaufsrenner auf der Brettspielmesse in Essen: Tokaido.
Tolles Artdesign und einer der Verkaufsrenner auf der Brettspielmesse in Essen: Tokaido. Ein Sammelwettrennen für 2 - 5 Spieler; kostete auf der SPIEL '12 knapp 40 Euro.
Bis zu fünf Reisende können sich auf den traditionsreichen Weg von Edo (heute: Tokio) nach Kyoto machen. Dafür brauchte man im alten Japan satte zwei Wochen, so dass man sehr oft Station machen musste - nicht nur aufgrund der Sehenswürdigkeiten, sondern auch, weil der Magen knurrte oder der geschundene Körper nach einem heißen Bad verlangte. Genau dieses Erlebnis haben sich die Franzosen von Fun Forge zum Vorbild für ein überaus ansehnliches Brettspiel genommen.

Ziel ist es, auf dem Weg so viel Erfahrung wie möglich in Form von Eindrücken und Begegnungen mitzunehmen, die als Karten vor einem abgelegt werden. Über 50 Orte laden dazu ein, allerdings kann nicht jeder Reisende überall halten: Je nach Spielerzahl gibt es ein Limit für die Besucher - falls irgendwo besetzt ist, muss man also Zähne knirschend weiterziehen. Aber hat man dann nicht ein Souvenir verpasst? Dann halte ich eben am nächsten Shop! Falls da nicht schon wieder jemand schneller war...der Clou bei der Reihenfolge ist, dass der langsamste Reisende seine Figur zuerst bewegen darf - selbst mehrmals, falls vor ihm unbesuchte Orte sind.

Wettspazieren mit Sammelflair

Da haben sich schon einige Eindrücke angesammelt: Man kann Souvenirs oder Landschaften, Köstlichkeiten oder Begegnungen horten.
Da haben sich schon einige Eindrücke angesammelt: Man kann Souvenirs oder Landschaften, Köstlichkeiten oder Begegnungen horten.
So entsteht trotz Spaziergefühl ein Wettlauf, bei dem reichlich Sammelreize geweckt werden: Je nach Station kann man entweder an heißen Quellen ausspannen, auf Reisende vom Händler bis zum Samurai treffen, Souvenirs erstehen, schöne Felder, die Küste oder das Gebirge bestaunen sowie ganz unterschiedliche Mahlzeiten von Sushi, Tofu bis Fuga zu sich nehmen - all das wird auf den toll designten Karten mit fröhlichen Pastellzeichnungen und japanischen Schriftzeichen verziert.

Das markante Artdesign sorgt mit seinem unbeschwerten Tusche-Comicstil von Beginn an dafür, dass man möglichst viele Eindrücke vor sich auslegen möchte. Vor allem die drei bis fünfteiligen Landschaften sehen klasse aus. Nicht zuletzt diese Präsentation war sicher einer der Gründe dafür, dass Tokaido ("östlicher Seeweg") auf der Spielemesse in Essen für 4o Euro sehr schnell ausverkauft war. Wer mit dem Import liebäugelt, sollte sich nicht vor der englischen Variante scheuen, denn das Regelwerk ist leicht verständlich und man muss nicht viel lesen.

Ein Hoch auf die Vielfalt

Man hat die Wahl unter sieben Charakteren mit unterschiedlichem Startgeld sowie einer Fähigkeit.
Man hat die Wahl unter sieben Charakteren mit unterschiedlichem Startgeld sowie einer Fähigkeit. Satsuki die Waise bekommt eine Mahlzeit gratis...
Unter der schicken Oberfläche steckt ein unterhaltsames Familienspiel, bei dem man auch taktisch vorgehen muss. Es reicht nämlich nicht, wie ein fernöstlicher Messie einfach alles wild zu bunkern. Man muss zum einen auf Vielfalt achten: Bei den Mahlzeiten darf man z.B. nicht zweimal dasselbe zu sich nehmen. Und bei den Panoramen darf man nur einmal mit einer der drei Landschaften starten. Hier ist verlockend, dass es Zusatzpunkte für denjenigen gibt, der so ein Set auch vervollständigen kann - der also alle fünf Teile der Küste vor sich auslegt. Auch bei den Souvenirs lohnt sich die Ordnung: Das erste Souvenir eines Typs bringt einen, das zweite drei, das dritte schon fünf und das vierte schon sieben Punkte - macht unterm Strich satte 15 Punkte!

Das ist viel ertragreicher als einfach alles zu kaufen. Apropos: Auch auf seine Finanzen muss man achten, denn fast alles kostet Geld - natürlich auch eine Mahlzeit in den Gasthäusern. Jeder Spieler wählt zu Beginn einen von sieben Charakteren mit unterschiedlichem Startgeld sowie einer Fähigkeit: Hirotada der Priester hat gleich acht Münzen und darf bei Tempeln eine aus der Bank opfern statt aus eigener Tasche; wer am Ende am fleißigsten den Göttern und Geistern huldigte, bekommt immerhin zehn Siegpunkte. Satsuki die Waise startet zwar nur mit zwei Münzen, darf allerdings bei jedem Besuch eines Gasthauses eine Mahlzeit blind ziehen und diese behalten, falls sie sie nicht

Über 50 Stationen sind auf dem Spielplan abgebildet.
Über 50 Stationen sind auf dem Spielplan abgebildet. Wer kann auf dem Weg zum Ziel die reichhaltigsten Erfahrungen machen?
schon hatte - sehr nützlich.

Ausblick

Tolles Artdesign, einfaches Prinzip, sehr unterhaltsam - ideal auch für Familien! Tokaido inszeniert ein entspanntes, aber durchaus kompetitives Sammelerlebnis mit fernöstlichem Flair. Die Präsentation ist dank des markanten Comicstils ebenso fröhlich wie unbeschwert. Die Regeln sind auch in der bisher nur englischen Variante schnell erlernt und einen Weg von Edo nach Kyoto hat man in einer halben bis dreiviertel Stunde hinter sich. Auf dieser knackigen Reise entsteht ein spannender Wettlauf um Sets und Punkte, um Souvenirs und Köstlichkeiten. Das ist ein sehr leichtes, aber nichtsdestotrotz auch leicht taktisch geprägtes Erlebnis, denn man kann gezielt Schwerpunkte setzen, um am Ende vielleicht über die Boni zu gewinnen, die vollständige Sets ergeben. Falls es so etwas wie Zen-Gaming am Tisch gibt, dann kommt Fun Forge dem recht nahe.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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