Qin15.11.2012, Jörg Luibl
Qin

Special: Legetaktik im alten China

Auf der Brettspielmesse in Essen hatte Qin bereits einen vielversprechenden Eindruck hinterlassen. Mittlerweile konnten wir das neue Spiel von Reiner Knizia (Keltis, Einfach genial) genauer unter die Lupe nehmen – sowohl auf dem iPad als auch auf dem Tisch. Kann die chinesisch angehauchte Legetaktik langfristig unterhalten?

Kampf um Provinzen

Was einst Steppe war, ist mittlerweile ein bunter Flickenteppich aus gelben, blauen und roten Provinzen. Es gibt kleine, die sich über nur zwei Felder erstrecken, und große, die sich auf bis zu zehn ausgeweitet haben.  Aber auf der edel mit Drachen verzierten, fast vollständig gefüllten Karte herrscht alles andere als Harmonie: Vier Spieler kämpfen immer noch um den Sieg ihrer Dynastie. Wo diese herrscht, erkennt man an der Farbe der Pagode, die eine Provinz markiert.

Qin ist beim Pegasus Verlag erschienen, kostet knapp 25 Euro und ist für zwei bis vier Spieler ausgelegt. Lust auf die iPad-Version? Mehr dazu im Test.
Weil jeder Spieler nur noch zwei oder drei Pagoden setzen kann, knistert es am Tisch: Findet jemand eine Möglichkeit, zwei oder gar drei der Türme gleichzeitig zu setzen? Kann jemand vielleicht in letzter Sekunde ein Dorf befreien oder eine Provinz des anderen Spielers erobern? Das Schöne an Qin ist, dass sich die Kräfteverhältnisse auf der großen Karte jederzeit ändern können. Es kommt zu einem angenehmen Spielfluss, bei dem es bis zum Schluss spannend hin und her geht.

Meister der letzten Pagode

Es gibt keine Siegpunkteleiste, man muss auch nichts aufschreiben: Ziel der flotten Legetaktik ist es, als Erster alle Pagoden auf der Karte zu setzen. Je nach Teilnehmerzahl können das  15 (zu viert), 19 (zu dritt) oder 24 (zu zweit) sein. Eine Partie dauert zwischen fünfzehn und vierzig Minuten.

Wer am Zug ist, darf eines von drei zufällig gezogenen Plättchen überall dort anlegen, wo bereits eines liegt oder ein Startfeld markiert ist; diese ändern sich je nachdem, welche der zwei  Karten man nutzt: Dreht man den Spielplan um, hat man z.B. eine mit Gewässern

Schon auf der Spielemesse in Essen hat die Legetaktik von Reiner Knizia neugierig gemacht.
Schon auf der Spielemesse in Essen hat die Legetaktik von Reiner Knizia neugierig gemacht.
und anderer Dorfstruktur.

Man muss beim Legen seiner Plättchen nicht auf die Farbe achten – Blau darf also an Gelb oder Rot angelegt werden. Das hört sich vielleicht beliebig an, sorgt aber später für angenehme Freiheit bei der Eroberung und Expansion. Das Besondere an den Plättchen: Sie bestehen immer aus zwei Feldern, die entweder zwei oder nur eine der drei Farben Rot, Geld oder Blau darstellen.

Die einfarbigen Plättchen sind mächtiger, denn sie stellen bereits eine kleinstmögliche Provinz dar, auf die man sofort eine Pagode setzen darf. Ab fünf Feldern einer Farbe darf man eine Doppelpagode errichten, indem man zwei übereinander stapelt – diese Großprovinzen sind sicher und können nicht mehr erobert werden.

Expansion und Eroberung

Wer clever expandiert, kann aus kleinen große Provinzen machen und eine Doppelpagode errichten. Wer neutrale Dörfer erobert, markiert diese ebenfalls mit einer Pagode.
Ganz anders sieht das mit den normalen Provinzen aus: Wer es schafft, seine drei blauen Felder mit den zwei blauen Feldern des Gegners zu verbinden, erobert dessen Provinz! Die Folge: Er muss seine Pagode zurück auf die Hand nehmen – wenn das in den letzten Runden passiert, kann es über den Sieg entscheiden. Territoriale Würze kommt zudem über die neutralen Dörfer ins Spiel, die auf der Karte grau markiert sind und aus einem oder zwei Feldern bestehen. Wer es schafft, eine Provinz dort anzulegen, erobert das Dorf und setz einen Turm hinein. Aber Vorsicht: Es kann zurückerobert werden, wenn der Gegner später eine oder mehrere Provinzen mit mehr Pagoden in dessen Nachbarschaft bringt. Man kann sich gezielt an den Feind heran pirschen…

Es geht also nicht nur um das Legen, sondern auch um das clevere Expandieren. Zwar muss man auch ein wenig Glück beim Ziehen haben, aber da man immer drei Plättchen zur Verfügung hat, es genug doppelte sowie nur drei Farben gibt, wird der Zufall einigermaßen beschränkt. Dafür werden sich Taktiker darüber freuen, dass man kontern, blockieren und Fallen stellen kann. Manchmal kann es sich z.B. lohnen, den Zugang zu einem Dorf mit einem Plättchen zu versperren, obwohl man selbst keine Pagode ablegen kann, damit der Gegner im nächsten Zug nicht zwei platziert – fies, aber effektiv. Manchmal kann es sogar helfen, dass man eine Groß- und eine Kleinprovinz des Gegners gezielt verbindet, denn dann verliert er eine Pagode! Ganz einfach, weil es nicht mehr als Doppelpagoden in einem Gebiet geben darf.

Ausblick

Qin inszeniert klasse Legetaktik! Die hat mich in Essen nach ein, zwei Spielen neugierig gemacht, aber erst nach längerer Spielzeit richtig begeistert. Denn was zu Beginn vielleicht noch gewöhnlich wirkt, dass man jede Farbe überall anlegen darf und bloß all seine Pagoden loswerden muss, entpuppt sich später als cleveres Eroberungsprinzip, bei dem man blocken, kontern und locken kann. Für mich als Taktikfreund ist Qin langfristig unterhaltsamer als Reiner Knizias große Erfolge „Einfach genial“ oder „Keltis“. Zwar gibt es auch hier einen Glücksfaktor, aber aufgrund der Expansion und Eroberung von Gebieten weht ein Hauch von Go über den edlen Steppenkarten. Dabei ist das Regelwerk sehr einfach, so dass es sich für die ganze Familie lohnt. Zwar wird es zu dritt oder zu viert so richtig brisant, aber auch zu zweit besitzt Qin einen sehr guten Duellcharakter. Wer sich online oder gegen die KI messen will, greift zur iPad-Variante, die vorbildlich umgesetzt wurde.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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