Eclipse18.01.2013, Jörg Luibl
Eclipse

Special: 4X-Strategie im Weltraum

Lust auf Spannung im Weltall? Inklusive Expansion, Forschung, Flottenbau, Kampf und Diplomatie? Dann geht kein Weg an Eclipse vorbei. Das Brettspiel des Finnen Touko Tahkokallio erschien zwar erst 2011, aber gilt schon jetzt als ein Klassiker unter anspruchsvollen 4X-Strategen.

Intergalaktische Grübelei

Eclipse ist ein Strategiespiel für 2 bis 6 Spieler und seit 2011 für knapp 60 Euro auf Deutsch bei Asmodee erhältlich. Es gibt eine Erweiterung namens "Rise of the Ancients", die ein Spiel zu neunt ermöglicht sowie weitere Alienvölker hinzu fügt.
Eclipse ist ein Strategiespiel für 2 bis 6 Spieler und seit 2011 für knapp 60 Euro auf Deutsch bei Asmodee erhältlich. Es gibt eine Erweiterung namens "Rise of the Ancients", die ein Spiel zu neunt ermöglicht sowie weitere Alienvölker hinzu fügt.
Verflixt, ich kann mich mal wieder nicht entscheiden! Erforsche ich in diesem Zug die Plasma-Raketen, mit denen meine Raumschiffe den Feind noch vor dem Lasergefecht attackieren können? Oder investiere ich meine kostbaren Forschungspunkte lieber in die Verbesserung der Schildtechnologie? Ich könnte auch endlich mal diese Monolithen erforschen, denn die bringen am Ende drei Siegpunkte pro Stück. Aber dann bleibe ich weiter militärisch schwach, bin auf defensive Expansion angewiesen, müsste mich vielleicht verbünden...

Wir schreiben die vierte von neun Spielrunden, ich grüble weiter mit gerunzelter Stirn vor mich hin, während die Blicke der anderen Anführer eine gewisse Schärfe annehmen. Irgendjemand spricht von "Sanduhr", ein anderer von "typisch Hydran-Schnarchnasen", selbst "Kriegserklärung" wird geflüstert. Na toll, hat denn jeder von denen schon einen klaren Plan, wie er am Ende die meisten Siegpunkte ergattert?

Die gibt's für Kampf, Erkundung, Forschung, selbst für Diplomatie! Die Machtverhältnisse ändern sich in diesem offenen Strategiespiel jede Runde. Selbst das zu Beginn verdeckte Universum hält seine zufälligen Joker bereit, wenn man weitere Sektoren erkundet, indem man zufällig Sechsecke zieht, die wiederum neue Wege oder Feinde oder Artefakte

Was heißt 4X-Strategiespiel?

Die vier X kommen von "Explore, Expand, Exploit, Exterminate", die vier Bereiche der Spielmechanik beschreiben - also Gebiete zu erkunden, selbige zu erweitern, Rohstoffe zu sammeln und Gegner zu vernichten. Genau das, was Civilization oder Master of Orion virtuell in Rundentaktik inszenieren. Es hat übrigens immer Überschneidungen zwischen Brett- und Computerspielen gegeben: Twilight Imperium hat z.B. die Macher von Master of Orion III beeinflusst. offenbaren.

Motivierende Zufallselemente

Vorhin habe ich z.B. satte sechs Rohstoffe gratis bekommen, als ich einen neuen Sektor als Erster besiedelte und daher das dort ausliegende Plättchen an mich nehmen durfte - die Terraner hatten noch mehr Glück, konnten eine Ältesten-Technologie finden und ihre Schiffe mit Axiom-Computern aufrüsten, was +3 beim Trefferwurf bringt. Selbst bei diesen zufälligen Funden habe ich die Wahl, denn die Plättchen haben zwei Seiten: Nehme ich zwei Siegpunkte oder diese Rohstoffe? Okay, da muss ich auch etwas nachdenken.

Aber was regen sich die anderen schon wieder auf? Hätte in diesem Bereich ein Kreuzer der Ältesten gelauert, wäre es zum Kampf gegen diese für alle neutrale Partei gekommen,

Die gelbe Flotte: Es gibt Aufklärer, Kreuzer, Schlachtschiffe und Sternenbasen (die runden Plättchen).
Die gelbe Flotte: Es gibt Aufklärer, Kreuzer, Schlachtschiffe und Sternenbasen (die runden Plättchen).
für die ein Mitspieler würfelt - das hätte noch mehr Zeit gekostet. Mal abgesehen davon, dass ich vermutlich keine Chance gehabt hätte. Ich habe es eher auf einen heimlichen Sieg über den Aufbau von Strukturen wie Monolithen sowie die Sternenboni abgesehen...

Allerdings flutschen die Gefechte trotz der vielen Modifikationen recht flott: Die Initiative bestimmt, wer zuerst aus einer Flotte schießen darf - meist beginnen die flinken Schiffstypen, dann kommen z.B. schwere Schlachtschiffe. Und gerade dieses Timing kann entscheidend sein, so dass sich das gezielte erhöhen der Initiative durch Tcehnologien lohnt. Sehr durchdacht ist auch das System, wenn mehrere Parteien nacheinander in einen Sektor eindringen, denn dann bekämpfen sich zuerst die zuletzt hinein gerauschten; es geht also immer eins gegen eins.

Im Kampf wirft man je nach Waffensystemen gelbe, orange oder rote Würfel. Eine eins ist immer ein Patzer, eine sechs ein Treffer. Allerdings werden die anderen Ergebnisse, also alles von zwei bis fünf, von Computern und Schilden modifiziert. Wer eine vier würfelt und einen Computer+2 auf seinem Schiff hat, addiert das, erhält also eine sechs und landet einen Treffer! Es sei denn, das beschossene Schiff hat einen Schild-1, dann liegt das Ergebnis wieder bei fünf - der Schuss ging daneben.

Ruhmvolle Kampferfahrung

Die Ausgangssituation für vier Anführer: Je nach Spielerzahl ändert sich die Größe des Universums. Eclipse ist auch zu zweit gut spielbar!
Die Ausgangssituation für vier Anführer: Je nach Spielerzahl ändert sich die Größe des Universums. Eclipse ist übrigens auch zu zweit gut spielbar. Aber erst zu viert wird das ganze Potenzial sichtbar, zumal erst dort die Diplomatie zum Tragen kommt.
Kämpfe sind riskant, bringen aber direkt Siegpunkte, so dass Eclipse auf den ersten Blick vor allem den offensiven Spieler belohnt: Zwei meiner Aufklärer mussten bereits die Bekanntschaft mit feindlichen Zerstörern machen. Da sie keine Hülle hatten, reichten zwei miese Treffer, um sie zu vernichten. Danach durfte der Sieger verdeckt drei Ansehensplaketten ziehen - eine für die Teilnahme am Kampf, eine für jeden zerstörten Aufklärer. Darauf können zwischen einem und vier Siegpunkten gedruckt sein, wobei man jeweils nur eine Plakette behalten darf, die man erneut verdeckt auf seiner Ruhmestafel ablegt. Was die Terraner wohl gezogen haben? Ich durfte für die Teilnahme auch einmal ziehen und hab eine zwei erwischt - fette Beute für eine Niederlage. Gut, dass ich nicht geflohen bin! Oder doch nicht? Schließlich hätte ich mit den Schiffen weiter hinaus fliegen können...

Ich vermeide jedenfalls aktuell direkte Konflikte, weil ich meine Flotte nur noch aus vier kaum aufgerüsteten Aufklärern besteht - ich habe weder Kreuzer noch Schlachtschiffe oder Sternenbasen gebaut. Deshalb denke ich ja gerade über diese Raketen nach. Die kosten im Gegensatz zu Ionen-, Plasma- und Antimaterie-Kanonen übrigens keine Energie. Man kann seine Schiffe quasi modular entwickeln, indem man Waffensysteme, Computer, Schilde, Hülle, Antrieb oder Energiequellen einbaut - fast wie in Galaxy Trucker, nur ohne Zeitdruck. Trotzdem muss man auf Platz und Energie achten; ein tolles System, das zum Grübeln einlädt.

Routenplanung, Rohstoffe & Einfluss

Im verlauf der neun Runden kommt es zu verzwickten geostrategischen Situationen und knackigen Gefechten. Hier ein Ausschnitt aus der vorbildlichen Anleitung.
Im verlauf der neun Runden kommt es zu verzwickten geostrategischen Situationen und knackigen Gefechten. Hier ein Ausschnitt aus der vorbildlichen Anleitung, die immer anschauliche Beispiele parat hat.
Übrigens genauso wie die Routenplanung: Je nachdem, welche Wurmlochverbindungen ein aufgedeckter Sektor anzeigt, kann man von dort aus weiter fliegen oder eben nicht - es muss quasi ein Kreis zwischen den Plättchen entstehen. Nur wer den Wurmlochgenerator erforscht, darf auch halbe Kreise zum Weiterfliegen nutzen. Schön ist, dass man sich nicht nur ins Zentrum begeben kann, also direkt zu den anderen Fraktionen, sondern dass man auch seinen Hinterraum erkunden und sich damit ein wenig abschotten kann. Auch hier spielt Eclipse clever die Zufallskarte aus, denn dort muss man vom Stapel der Sektor-III-Felder ziehen, während man im Zentrum vom Stapel I und danach vom Stapel II zieht - dabei unterscheiden sich diese hinsichtlich Potenzial und Gefahr.

Womit bezahlt man das alles? Das zur Verfügung stehende Geld (für Einfluss und Wartung), die Forschungspunkte (für neue Technologien) und Rohstoffe (für den Bau von Schiffen und Strukturen wie etwa Monolithen) werden auf drei separaten Leisten in Form von Holzsteinen angezeigt - das ist quasi die eigene Bank. Auf der Spielertafel stehen drei entsprechende Marker, die die Einnahmen in diesen drei Bereichen anzeigen. Sie steigen durch Erkundung fremder Gebiete und die Entsendung von Kolonisten auf Planeten. Der Clou: Sobald ein Kolonistenstein verschwindet, wird darunter der Profit angezeigt. Es gibt Geld-, Forschungs- und Rohstoffplaneten, so dass man sich gezielt in einem Bereich verbessern kann.

Im Startsektor hat man zunächst einen Aufklärer, einen Einflussmarker sowie zwei Kolonisten. Je nachdem wo der Kolonist steht, bekommt man entweder Geld, Rohstoffe oder Technologiepunkte.
Im Startsektor hat man zunächst einen Aufklärer, einen Einflussmarker sowie zwei Kolonisten. Je nachdem wo der Kolonist steht, bekommt man entweder Geld, Rohstoffe oder Technologiepunkte.
Das System erinnert an das Bevölkerungsmanagement in "Im Wandel der Zeiten" - man kann übrigens auch Bankrott gehen. Das Besondere ist die Rolle des Geldes für den eigenen Einfluss: Für jede Aktion muss man bezahlen, indem man einen Einfluss-Stein von der Leiste auf das Feld der jeweiligen Aktion legt - das kann z.B. Erkundung, Bau, Forschung, Aufrüstung oder Bewegung sein. Ist der Stein weg, zeigt die Zahl darunter sofort an, was man in der Wartungsphase bezahlen muss; je mehr Aktionen man ausführt, desto teurer wird es.

Das ist ein unheimlich gutes System, denn es zwingt einerseits zum Haushalten, andererseits bleibt genug Risikospielraum. Hier kommen die Tauschquoten ins Spiel: Hat man es übertrieben und kein Geld mehr, darf man jederzeit sowohl Forschungs- als auch Rohstoffpunkte im verhältnis von 2:1 einwechseln. Ich als Alien muss etwas mehr berappen, was wiederum zum Nachdenken zwingt.

Die Qual der Wahl

Welches Alienvolk darf's sei? Oder doch lieber die ausgeglichenen Terraner spielen? Alles hat Vor- und Nachteile.
Welches Alienvolk darf's sei? Oder doch lieber die ausgeglichenen Terraner spielen? Alles hat Vor- und Nachteile.
Bis zu sechs menschliche Fraktionen und Alienvölker kämpfen über neun Runden um die Vorherrschaft im Universum. Wer sich für die Außerirdischen entscheidet, sollte genau hinsehen: Denn im Gegensatz zu den ausgeglichenen Terranern haben sie nicht nur andere Tauschquoten beim Handel, sondern unterscheiden sich auch, was Bewegung, Erkundung, Flotte, Technologie sowie Startrohstoffe und Siegpunkte angeht.

Im Vergleich zu den Menschen kann das Vor- und Nachteile mit sich bringen: Die gepanzerten Kreaturen der Orion-Hegemonie haben z.B. gleich zu Beginn einen Kreuzer in der Flotte anstatt einen Abfangjäger und schon die Neutronenbomben sowie den Gauss-Schild erforscht. Aber dafür dürfen sie nur zwei statt drei Schiffe bewegen und müssen mit einer miserablen Tauschquote von 4:1 statt 2:1 leben.

Es lohnt sich also, bei der Wahl oder Zufallsauslosung der Fraktion darauf zu achten, welche Strategie am besten passt. Will man eher defensiv oder offensiv, eher expansiv sichernd oder direkt kriegerisch vorgehen? Wer wie ich die wie Moosquallen aussehenden Planta anführt, profitiert z.B. am ehesten von der schnellen Erkundung des Weltraums, denn sie dürfen zwei Sektorenfelder besetzen und bekommen extra Siegpunkte für das Halten.

Ein Blick auf die Forschungs- und Ausrüstungstafel: Man kann zig Waffen und Technologien entwickeln, dabei jeden Schiffstyp individuell ausstatten.
Ein Blick auf die Forschungs- und Ausrüstungstafel: Man kann zig Waffen und Technologien entwickeln, dabei jeden Schiffstyp individuell ausstatten.
Schön ist, dass man Eclipse auch sehr gut zu zweit oder zu dritt spielen kann, denn die Größe des Universums sowie die verfügbaren Technologien werden automatisch an die Spielerzahl angepasst. Kleiner Wermutstropfen für kleine Runden: Die Diplomatie kommt erst ab vier Teilnehmern zum Tragen. Ist aber nicht schlimm, denn sie spielt keine all zu große Rolle.

Was gibt es zu meckern?

Egal ob Präsentation, expansive Möglichkeiten oder Ablauf: Dieses Spiel hat kaum Schwächen. Die Plastik-Raumschiffe sind vielleicht etwas empfindlich; da kann beim Verstauen schonmal eine der hauchdünnen Kanonen brechen. Und Freunde vielseitiger Diplomatie wird stören, dass dieser Bereich nur sehr rudimentär integriert wurde. Zum einen kann man nicht politisch gewinnen, zum anderen gibt es keine aktiven Verhandlungen oder eine Auswahl an Verträgen. Man tauscht quasi Botschafter aus, bekommt dafür am Ende einen Siegpunkt und während des Spiels etwas mehr Einnahmen, je nachdem, welchen Kolonisten man mit seinem Botschafter abgibt. Wer den Vertrag bricht, trotzdem attackiert bzw. in die Region des Freundes eindringt, muss die Verräterkarte mit zwei Minuspunkten an sich nehmen.

Noch ein kurzes Wort zur Erweiterung: Der Preis kommt mit 50 Euro fast an das Hauptspiel heran. Das ist angesichts des Inhalts unverständlich und wirklich überflüssig,

Auf der Spielertafel werden sowohl die eigene Flotte als auch Geld, Forschungs- sowie Rohstoffpunkte angezeigt und dynamisch verrechnet - ein tolles System.
Auf der Spielertafel werden sowohl die eigene Flotte als auch Geld, Forschungs- sowie Rohstoffpunkte angezeigt und dynamisch verrechnet - ein tolles System.
wenn man nicht gerade mit bis zu neun Spielern loslegen will. Schade, dass man die vier zusätzlichen Alienrassen nicht günstiger integriert hat.

Ausblick

Eclipse inszeniert anspruchsvolle Weltraumstrategie für Genießer. Das Spielmaterial ist klasse designt und das modulare Prinzip lässt immer wieder andere Galaxien entstehen. Trotz seines komplex anmutenden Regelwerks entsteht sehr schnell ein angenehmer Spielfluss. Hat man das Prinzip einmal verinnerlicht, kann man zu zweit in einer, zu viert in zwei Stunden den Gewinner ermitteln - man braucht kein Wochenende mit Pizza-Marathon einplanen wie etwa bei Twilight Imperium. Das Einfluss-Geld-Prinzip ist durchdacht, das Kampfsystem ist transparent, die Forschung erlaubt individuellen Flottenbau und man gewinnt Siegpunkte nicht nur durch Gefechte, sondern auch durch Erkundung und Bau. Die einzige Schwäche ist evtl. die Diplomatie, die etwas untergeht. Aber dafür hat man viele offensive und defensive Möglichkeiten, seine Zivilisation in bester 4X-Manier zu entwickeln. Schön ist, dass sich jeder Konflikt je nach Aktion der Kontrahenten sowie der Zufallselemente anders entwickelt - man hat also langfristig Spaß am Tisch. Für mich ist Eclipse aktuell das beste futuristische Strategiespiel und damit direkt in unsere Top 10 der Brettspiele gerauscht. Es ist übrigens für iOS und Android bei Big Daddy's Creation in Entwicklung.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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