Brettspiel-Test: Gleichgewicht des Schreckens (Wargame (Konfliktsimulation))

von Jörg Luibl



Gleichgewicht des Schreckens (Brettspiel) von Udo Grebe Design
Duell zwischen West und Ost
Spielinfo Bilder  
„Twilight Struggle“ von Ananda Gupta und Jason Matthews  gilt als eines der besten Brettspiele für zwei Personen. Was ist so faszinierend an dieser Konfliktsimulation, in der sich Amerikaner und Russen duellieren? Welche Spannung kann schon im Kalten Krieg zwischen 1945 und 1989 stecken? Wir haben in der deutschen Variante „Gleichgewicht des Schreckens“ danach gesucht.

Pokern um die Vorherrschaft

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Gleichgewicht des Schreckens (Original: Twilight Struggle) ist eine Konfliktsimulation für zwei Spieler. Die deutsche Version ist bei Udo Grebe Design für knapp 50 Euro erhältlich.
Es ist unheimlich still. Trotzdem knistert es seit ein paar Minuten am Tisch. Wird hier gepokert? Geht es um den großen Pott? Zwei Gestalten sitzen sich gegenüber, jeweils verdeckte Karten in der Hand, die Stirn tief gerunzelt. Links der Amerikaner mit seinem Sternenbanner, rechts der Russe mit Hammer und Sichel. Knapp zwei Stunden haben sie mittlerweile um Macht gekämpft, geblufft und gesetzt. Jetzt will keiner einen Fehler machen, denn das fragile Gleichgewicht könnte kippen. Und das mit den letzten Aktionen in dieser zehnten und damit letzten Runde. Was für ein spannendes Finale!

Hat noch jemand ein mächtiges Ereignis wie „Reißen sie diese Mauer nieder!“, das Ostdeutschland evtl. in amerikanische Hände bringt?  Oder gar „Wargames“, das das Spiel ohne finale Wertungsrunde vorzeitig beendet? Zwar kann die nächste Karte entscheidend sein, aber die Blicke der beiden taxieren weder Chips noch einen Flop, sondern eine 56 x 86 Zentimeter große, angenehm massive und farbig bedruckte Weltkarte, die fast den gesamten Tisch bedeckt. Dort liegen zig blaue und rote Einflussmarker zwischen Kuba und Japan, Schweden und Südafrika. Überall schwelen Konflikte, überall belauern sich West und Ost wie Kasparow und Karpow zu besten Zeiten.

Zwischen Präsenz und Kontrolle

Im Laufe des Spiels wurden diese Plättchen wie Schachfiguren ständig hin und her geschoben, wenn Ereignisse wie Spione, Abdankungen oder Terroristen, Putschversuche, Neuordnungen oder direkte Platzierungen das Kräfteverhältnis in einem Land
Alles fängt harmlos in der ersten Runde im Jahr 1945 an, mit gerade mal 15 sowjetischen und 25 amerikanischen Einflussmarkern, teilweise fest vorgegeben, teilweise frei verteilbar.
Alles fängt harmlos in der ersten Runde im Jahr 1945 an, mit gerade mal 15 sowjetischen und 25 amerikanischen Einflussmarkern, teilweise fest vorgegeben, teilweise frei verteilbar.
veränderten. Wie stark der Einfluss aktuell ist, wird durch Zahlen auf sowie die Füllung der Plättchen angezeigt – weiße Farbe heißt lediglich Präsenz, volle Farbe heißt auch Kontrolle. Wie erlangt man diese? Indem man Plättchen legt. Das Besitzsystem ist dabei ebenso einfach wie clever: Die Zahl rechts neben der Nation gibt jeweils  an, wie stabil das Land grundsätzlich ist. Und um diese Zahl drehen sich alle weiteren Berechnungen.

Der wacklige Libanon hat z.B. eine 1, das gefestigte Großbritannien eine 5. Also braucht man für die Kontrolle des Ersteren nur einen, für Letzteres satte fünf Einflussmarker auf der Karte. Sollte auch der Feind dort anwesend sein, ist die Zahl auch gleich der Differenz, die für die Kontrolle nötig ist – falls also schon zweimal Hammer und Sichel in England liegen, braucht man sieben Sterne für die US-Kontrolle. Und besonders wichtig: Spätes Eindringen in bereits kontrollierte Länder ist doppelt so teuer; sprich: kostet zwei statt einen Einflussmarker. Wer also frühzeitig seine Fühler ausstreckt, spart wertvolle Punkte…

Kommentare

grasshopperTS schrieb am
Auch ich hab's mir damals nach'm Test hier geholt, im "ganzen Internet" :wink: war nur auf spiele-offensive.de war ein Exemplar nur zum Ausleihen verfügbar... - ok, besser als nichts dachten wir uns. Und da war dann ein Zettel dabei, dass man das Ding für 49? kaufen kann. SOFORT gemacht :D
Aber ich habe gehört, im Mai 2014 soll eine neue Auflage erscheinen?! Und dann gibts da noch Wargameroom: https://www.youtube.com/watch?v=rvGTYTCYdZE
Das Spiel selbst ist auf jeden Fall großartig, gerade in der aktuellen politischen Situation haben wir es wieder rausgekramt und schon so einige Abende damit verbracht. Das interessante am Spielprinzip ist echt die Schlüsselrolle bestimmter Länder, um sich den Zugang zu Regionen zu sichern und das gleichzeitige Karten- bzw. Krisenmanagement: Lasse ich das gegnerische Ereigniss jetzt stattfinden und bin es los, oder versuche ich es bis Runde 3 zu halten um bis Runde 7 meine Ruhe zu haben - oder habe ich noch viel schlimmere Ereignisse auf meiner Hand und muss mindestens eines in den Weltraum schießen, wodurch ich die OPs nicht zur Verfügung habe und auf der Karte in Rückstand gerate.
Recht realistische Spieltaktik, dazu kein bisschen Dichtung bei den Ereignissen ergeben ein so tolles strategisches Brettspiel, dass wir gerne den Konsolen/PC fernbleiben 8)
JohnMiller schrieb am
Nachdem ich mich mit dem Brettspiel nun auch befasst hab und die Bewertungen ja für sich sprechen, wollte ich es mir nun auch holen, aber bei meinem Glück ist dieses Spiel überall ausverkauft :(
Habe mir nun "Polis", dank Jörgs Tests bestellt ;)
Hoffe, dass das Gleichgewicht des Schreckens (deutsche Version) irgendwann wieder lieferbar sein wird ;)
gracjanski schrieb am
für mich ist der kalte krieg auch super interessant. Denn erstens ist er nicht so lange her und ausserdem gut erforscht. Da wird sehr klar, wie Politik in Wahrheit abgeht. Psychos unter sich...
bwort_baggins schrieb am
Hab mir das Spiel letztes Jahr gekauft und bin auch ziemlich begeistert :) Ich musste unbedingt das Spiel haben, dass bei boardgamegeek auf Platz 1 ist :D Neben Ringkrieg für mich das beste Spiel für 2. Kann dem Tester aber in einem Punkt nicht zustimmen ; : von der Geschichte finde ich den kalten Krieg absolut faszinierend. Erstmalig in der Geschichte der Menschheit gibt es keine "großen" Kriege auf der Welt und auf der anderen Seite kann es jederzeit zu einer atomaren Vernichtung kommen. Der Film Thirteen Days zeigt das ja ziemlich genial. Umso interessanter fand ich das Spiel, das durch die ganzen Ereignisse die Zeit sehr gut wiederspiegelt. Tolles Spiel!
schrieb am