Brettspiel-Test: Bora Bora (Worker Placement (Arbeitersetzspiel))

von Jörg Luibl



Spielinfo Bilder  
Fies, aber effektiv: Im Wald hat der blaue Spieler den roten verdrängt; nur er bekommt am Ende die Punkte für das Fischgebiet!
Fies, aber effektiv: Im Wald hat der blaue Spieler den roten verdrängt; nur er bekommt am Ende die fünf Punkte für das Fischgebiet! Hinzu kommen links sechs sowie oben drei Punkte.
Hört sich lukrativ an, ist es auch – aber es ist auch angenehm unsicher. Denn man darf eine bereits gebaute Hütte verdrängen, wenn man später in das Gebiet kommt. Und erst nach dieser zweiten Eroberung beherrscht man es sicher und bekommt die Beute am Ende! Wer hat die Geduld, bis zum Schluss zu warten? Und fallen am Ende auch die Würfel so, dass man final expandieren kann? Damit bietet Bora Bora auch auf der Karte eine frühe und eine späte Taktik, die ganz unterschiedliche Vor- und Nachteile mit sich bringen. Schön ist auch, dass Spezialisten in der Finalwertung belohnt werden: Wer neun Aufgaben, sechs Schmuckteile, sechs Bauplätze, zwölf Zeremonienfelder, zwölf Gebiete oder zwölf Arbeiter verzeichnet, darf sich extra Punkte aufschreiben.

Was gibt es zu meckern?

Es gibt wirklich sehr wenig an Bora Bora auszusetzen, zumal die Spielmechanik eine außergewöhnliche Qualität erreicht - lediglich das optionale Fischen als Aktionsfeld oben links erschien überflüssig, weil wir es selbst nach dutzenden Partien nie genutzt haben. Etwas mühselig ist vielleicht, dass man jede Runde bis zu 24 Plättchen abräumen und dafür neue platzieren muss. Aber erst damit kommt auch eine frische Zufallsdynamik ins Spiel, was Muscheln, Aufgaben und Bewohner angeht.

Tempel besuchen, Gebiete sichern, Gebäude bauen, Aufgaben meistern (grün), Frauen und Männer einsetzen - viele Wege führen zum Sieg.
Tempel besuchen, Gebiete sichern, Gebäude bauen, Aufgaben meistern (grün), Frauen und Männer einsetzen - viele Wege führen zum Sieg.
Im Gegensatz zum faden Artdesign von Burgen von Burgund ist die Präsentation hier deutlich ansehnlicher und im Detail liebevoller, erreicht aber nicht die ausgezeichnete Qualität eines Tzolk'in: Der Maya-Kalender. Die Tableaus der Spieler wirken mit all den Symbolen und Plättchen überfrachtet; vor allem die Leiste in der Mitte mit den Aktionen für Frauen und Männer hat keinerlei Aussagekraft - man muss die zwölf Aktionen ohnehin nachschlagen.

Fazit

Herzlichen Glückwunsch an Stefan Feld: Burgen von Burgund war schon gut, aber Bora Bora ist ausgezeichnet. Das ist ein unheimlich cleveres Brettspiel, das hinsichtlich der Aktionsvielfalt und Spannungskurve markante Zeichen setzt! Bis zur letzten Runde hat man verdammt viele Möglichkeiten, den polynesischen Wettlauf um Siegpunkte für sich zu entscheiden. Von der Gebietseroberung über Ernte und Bau bis hin zur Schmuckerstellung, Aufgabenbewältigung  und Götterverehrung. Das Besondere an Bora Bora ist zum einen, dass sowohl effiziente Spezialisierung als auch Generalisierung zum Erfolg führen können. Zum anderen wird der Glücksfaktor durch das dynamische Tauschsystem angenehm klein gehalten und der Taktikfaktor durch Blockadewürfel, die Wichtigkeit der Zugreihenfolge, Verdopplungsaktionen sowie die territoriale Verdrängungsmechanik erhöht. Bora Bora vereint nahezu alle Tugenden, die man mit europäischer Aufbauschule verbindet. Wer Spiele à la Village, LeHavre oder Tzolk'in mag, wird hier bestens unterhalten. Auch zu zweit übrigens sehr empfehlenswert!

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

Weitere Brettspieltests im Archiv!

Kommentare

HoloDoc42 schrieb am
Bei Spielen von Stefan Feld stehen im Prinzip immer die Mechanismen im Vordergrund, das Thema kommt danach. Muss man mögen bzw. drüber hinwegsehen können. Bei Burgen von Burgund und Bora Bora kann ich das, bei Luna und Trajan nicht... Mal schauen wie Brügge wird.
Jörg Luibl schrieb am
Ja, das mit der Atmosphäre stimmt schon. In Village wird das dörfliche Thema mit dem Übergang der Generationen bildlich und inhaltlich gut eingefangen. Es ist auf den ersten Blick charmanter.
Aber selbst wenn die Männer und Frauen in Bora Bora (für Polynesien) ganz untypisch und unentspannt um Siegpunkte schuften müssen (man könnte das Thema auch mit Aliens und Robotern umsetzen), sind die Wege zum Ziel so vielfältig und so gut miteineinander verflochten, dass man nach drei, vier Partien noch verblüfft wird. Bora Bora war wie Burgen von Burgund ein Spätzünder. :wink:
AngryDwarf schrieb am
Ich konnte das Spiel letztens spielen und war sehr ernüchtert. In einer sehr positiven BGG-Kritik wird das Spiel als "mechanical exercise in point scoring" bezeichnet. Das trifft für mich vollständig zu. Allerdings würde ich das hier dem Spiel durchaus negativ ankreiden. Es ist absolut egal, ob da nun Männer, Frauen und Fische sind oder man einfach gesagt hätte Plättchen A gibt dir Plättchen B und3x B gibt dir x Punkte.
Die Spielmechanik ist natürlich in einer beeidruckenden Weise austariert und komponiert, aber ich jedenfalls bin nie von dem Gefühl weggekommen, eben diese Spielmechanik zu spielen und nicht das Spiel (hm,hoffentlich wird klar, was ich meine). Insoweit hat mich das Spiel sehr an das ebenfalls oft gelobte Caylus erinnert, welches ich auch unglaublich fade finde. Wem das gefällt, der wird aber sicherlich auch Bora Bora mögen. Zumal die bunten Farben das Spiel zumindest fröhlich scheinen lassen.
Um den Vergleich mit Village aufzugreifen: Hier haben es die Autoren für mich geschafft, die Atmosphäre stimmig umzusetzen. Allein der Meeple-Tod und der Familien-Nachschub ergeben schon deutlich mehr Flair als jede der Mechaniken in Bora Bora. Ich für meinen Teil spiele in jedem Fall lieber 50 Runden Village als eine Runde Bora Bora. Aber vielleicht liegt das ja auch nur daran, dass ich mich im Beruf als Jurist täglich mit extrem trockenen Mechaniken (Paragraphen) rumschlagen darf und mich in der Freizeit gerne mit etwas Lebhafterem beschäftige :P
Aber um meine Ansicht nochmal klarzustellen: Wer Hardcore-(Euro-)Strategiespiele insbesondere wegen der Verwaltungsoptimierung mag, auf eben die genannten mechanischen Punktesammel-Übungen steht und wem das Thema eigentlich nebensächlich ist, der ist mit Bora Bora hervorragend bedient. Die Verzahnung der Mechaniken ist schon fast mit einer Bach-Fuge vergleichbar :-) Die spiele ich aber auch nicht gerne...
schrieb am