Talisman09.08.2013, Jörg Luibl
Talisman

Special: Der Klassiker der Fantasy-Brettspiele

Es gibt Brettspiele, die sich zeitloser Beliebtheit erfreuen – und deshalb immer wieder neu aufgelegt werden. Talisman (ab 12,50€ bei kaufen) ist einer dieser Klassiker. Das Fantasyspiel von Robert Harris verknüpfte 1983 auf sehr einfache, aber unterhaltsame Art klassische Rollenspielelemente mit Würfelglück und Kartenüberraschungen. Mittlerweile ist eine überarbeitete vierte Edition auf Deutsch erschienen, die auch Miniaturen von der Kröte bis zum Troll enthält.

Die süße Schadenfreude

"Talisman: Die magische Suche" ist in vierter Edition komplett auf Deutsch beim Heidelberger Spielverlag erschienen und kostet knapp 40 Euro.
"Talisman: Die magische Suche" ist in vierter Edition komplett auf Deutsch beim Heidelberger Spielverlag erschienen und kostet knapp 40 Euro. Neu sind u.a. die 14 Miniaturen für die Helden - vier Kröten sind auch dabei.
Wenn anderen Böses widerfährt, dann ist das doch ein Grinsen wert! Erst wird der übereifrige Priester vom gemeinen Dieb bestohlen, dann wird er vom Kobold zurück in die Taverne teleportiert und jetzt wurde er auch noch in eine Kröte verwandelt – herrlich, oder? Die Schadenfreude bei den anderen Spielern auch deshalb so groß, weil er kürzlich noch mit vollen Taschen und Talisman den Sturmfluss überqueren konnte. Es fehlte nicht mehr viel und er hätte die innere Region erreicht! Und er murmelte schon was von „Gleich hab ich euch!“.

Zwei bis sechs Spieler wollen genau dorthin, um die Krone der Herrschaft zu erringen. Aber damit hat man noch nicht gewonnen: Denn wer das vor Hitze gleißende Feld nach all den Strapazen mit wilden Teufeln und Werwölfen als Erster erreicht, darf den anderen Spielern bei jeder gewürfelten Vier, Fünf oder Sechs einen Lebenspunkt abziehen. Und zwar so lange, bis sie alle tot sind. Das kann ein schöner vampirischer Spaß sein, aber man sollte sich beeilen, sonst muss man gegen Nachzügler mit Rachegelüsten kämpfen – oder wird wie der Priester vorher abgefangen.

Der weite Weg zur Krone der Herrschaft

Aber bis dahin ist es ein weiter Weg voller Überraschungen – man kann nicht nur Gold und Ausrüstung gewinnen, sondern auch einiges verlieren: Man wird in der Taverne verprügelt, von Drachen verspeist oder einfach vom Würfelpech verfolgt. Ein Spiel in der Welt von Talisman kann sich über zwei oder mehr Stunden erstrecken, denn man startet als unerfahrener Charakter, der zufällig aus einem Pool von vierzehn Archetypen gezogen

Talisman ruft nach einem großen Tisch: Gerade vor den Charakterkarten sammelt sich mit Rüstungen, Waffen, Zaubern und Begleitern so einiges an.
Talisman ruft nach einem großen Tisch: Gerade vor den Charakterkarten sammelt sich mit Rüstungen, Waffen, Zaubern und Begleitern so einiges an.
wird. 

Zwar haben Zwerge, Priester, Elfen,Ghule, Magier, Trolle, Diebe sowie die anderen Klassen einige interessante Spezialfähigkeiten, wie etwa die zwei Würfel im Kampf für den Krieger, das Stehlen des Diebes oder den Orientierungssinn des Zwerges, aber hinsichtlich der Lebens-, Talent- und Stärke-Punkte sowie Ausrüstung sind sie alle noch schwach auf der Brust. Also freut man sich über jedes kleine grüne, blaue oder rote Hütchen, das man als Symbol für einen gewonnenen Punkt neben seine Charakterkarte stellen kann. Auf diese freie Art kann ein Dieb also irgendwann locker den Krieger überholen, was z.B. die Stärke betrifft.

Auf der malerisch illustrierten, angenehm weitläufigen und stabilen Karte wird die Welt in drei Regionen dargestellt: Ganz außen locken noch Wiesen, Wälder und Schlösser in angenehm grüner Landschaft. Hier starten die Helden je nach Klasse auf unterschiedlichen Feldern und versuchen ihre Fähigkeiten zu verbessern, damit sie irgendwann den Sturmfluss zur mittleren Region überwinden können - das könnte man z.B. über ein Floß versuchen. Auf der anderen Seite wird es schon etwas gefährlicher mit lebensbedrohlichen Wüsten und kniffligen Fähigkeitenproben, bevor es dann in der inneren Region richtig zur Sache geht: Werwolfsbau, Höllenschlund und Tal des Feuers sprechen für sich – aber am Ende lockt ja diese Krone der Herrschaft.

Kämpfen und Karten ziehen

Neu in der vierten Edition: Die Plastikminiaturen für alle Helden sowie Kröten.
Neu in der vierten Edition: Die Plastikminiaturen für alle Helden sowie Kröten.
Im Zentrum des Spiels stehen über 100 Abenteuer-Karten, die man meist beim Erreichen eines Feldes vorliest – da können einfach Schätze, reisende Händler, gute Feen, aber auch Monster sein. Bären mit Stärke 3 gehen noch, aber wer direkt einen Drachen zieht, kann gleich die Füße in die Hand nehmen.  Es sei denn, er hat seine Stärke entweder permanent oder über Rüstung von Helm über Gürtel bis Schild bzw. eine Waffe wie Schwert oder gar Drachenlanze temporär steigern können. Manches kann man direkt kaufen, andere Dinge ergattert man vielleicht, wenn ein anderer Held stirbt.

Das Besondere an Talisman sind die Begleiter: Man kann beliebig viele Gefährten aufnehmen, die die eigenen Schwächen mit nützlichen Spezialfähigkeiten ausgleichen. Wer einen ortskundigen Wanderer engagiert, verirrt sich nicht mehr in Hügeln und Labyrinthen. Wer ein Einhorn an seiner Seite weiß, darf Talent und Stärke um einen Punkt erhöhen! Ersteres ist wichtig im arkanen Magiekampf, Letzere im physischen Klingenkampf. Manche Klasse wie der Zauberer dürfen sich aussuchen, auf welche Art sie ihren Gegner bekämpfen – treffen sich Spieler auf einem Feld, kommt es zum Duell.

Würfelglück und Warteschleifen

Ein üppig ausgestatteter Dieb: Viel Ausrüstung, viel Gold und bald der Griff zur Schreckenskrone?
Ein üppig ausgestatteter Dieb: Viel Ausrüstung, viel Gold und bald der Griff zur Schreckenskrone? Nein, da fehlen noch blaue Talentpunkte und richtig stark ist er auch noch nicht.
Im Gefecht wird ganz einfach mit einem Sechserwürfel für beide Parteien geworfen, wobei das Ergebnis zu vorhandenen Stärke bzw. Talent addiert wird – wer vorne liegt, besiegt das Monster bzw. den anderen Helden; wer dann hinten liegt, verliert einen Lebenspunkt und der Zug ist beendet. Unbesiegte Monster machen dann, teilweise auch im mächtigen, weil ihre Stärke addierenden Duett, weiter die Welt unsicher. Überhaupt füllt sich vor allem die äußere Region recht schnell mit bleibenden Karten. Trotzdem kann es für manche Spieler auch zu recht erignisarmen Rundläufen kommen, so dass man sich kaum spürbar entwickeln kann, um die mittlere oder gar innere Region endlich zu betreten - dann können sich Partien mit mehr als vier Spielern in die Länge ziehen.

Letztlich kommt es nur darauf an, vor allem Stärke und Talent so schnell wie möglich so weit wie möglich auszuweiten – man muss seinen Charakter in diesen beiden Bereichen zügig aufpumpen. Stirbt man, darf man sofort mit einem anderen Helden ran. Talisman ist weder taktisch anspruchsvoll in den Gefechten noch komplex genug für ein Rollenspiel, aber es bietet den Helden durchaus interessante Optionen: Man kann z.B. Schicksalsmarker einsetzen, um Würfel neu zu werfen – aber spart man sich die für schwere Zeiten auf oder setzt man sie sofort ein? Man kann auch ganz opportunistisch die Gesinnung von gut zu neutral oder böse wechseln, wenn es dafür irgendwo einen Vorteil

Egal ob Händler oder Monster: Manche Karten bleiben erstmal in der Welt liegen, bis der nächste Spieler auf sie trifft.
Egal ob Händler oder Monster: Manche Karten bleiben erstmal in der Welt liegen, bis der nächste Spieler auf sie trifft. Das Feld mit dem Drachen ist übrigens übel...
gibt.

Fazit

Wie kann sich ein Spiel knapp 30 Jahre so gut halten? Vor allem eines, das weder den anspruchsvollen Rollenspieler noch den Kampftaktiker oder den reinen Gelegenheitsspieler direkt anspricht? Irgendwie sitzt Talisman zwischen allen Stühlen, aber dort grinst es einen mit unheimlicher Schadenfreude an: Es ist ein einfaches, aber gerade in dieser vierten Edition mit ihren Miniaturen stimmungsvoll präsentiertes Würfelspiel. Trotz seiner mitunter zähen Längen lebt es von der Lust an leichter Charakter-Entwicklung, zig Sammelreizen sowie dem Kampf zwischen den Helden. Das Pech der anderen und die eigene Gemeinheit können wunderbare Verbündete sein! Wer sich für klassische Fantasy begeistern kann und einfache Spiele à la Munchkin mag, kann mit diesem Klassiker nichts falsch machen. Aber vermutlich habt ihr ihn schon.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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