Might & Magic Heroes - Das Brettspiel29.01.2015, Jörg Luibl
Might & Magic Heroes - Das Brettspiel

Special: Vom Helden zum Feldherren

Ubisoft hat ein Herz für Macht und Magie: Gerade eben hat man den Klassiker Heroes of Might & Magic 3 HD für Rechner und Tablet veröffentlicht. Außerdem steht Might & Magic Heroes 7 für PC in den Startlöchern. Ihr seid ein Fan der Fantasyreihe? Dann könnte das offizielle Brettspiel interessant sein.

Heroische Fantasy

Aller Anfang ist klein: Genauso wie im Computerspiel startet man seine Eroberung mit einem Helden, der nur wenige Truppen kommandiert, dazu eine Stadt, etwas Rohstoffe sowie Gold. Schaut man über den Tisch, erkennt man die hölzernen Hauptstädte der Konkurrenz. Bis zu vier Spieler stehen sich am jeweiligen Ende der Karte gegenüber - je mehr mitmachen, desto größer wird die modular ausgelegte Welt. Zu zweit werden nur neun, zu dritt schon zwölf und zu viert alle sechzehn Spielplanteile ausgelegt. Darauf erkennt man u.a. unzugängliche Gebirge, lukrative Orte oder wichtige Portale zur Schnellreise.

Might & Magic Heroes: Das Brettspiel ist 2014 komplett auf Deutsch für knapp 50 Euro beim Heidelberger Spielverlag erschienen und für zwei bis vier Helden ausgelegt.
Das Artdesign ist ansehnlich: Die Stadt- und Figurenplättchen sowie die vier wählbaren Fraktionen (Sanktuarium, Nekropolis, Zuflucht, Bastion) sorgen für klassisches heroisches Fantasyflair - ganz im Stile des Vorbildes. Schade ist, dass es statt Miniaturen nur beklebte Holzsteine für die jeweils drei Helden gibt. Der Aufbau ist schnell erledigt: Hat man die Monsterplättchen in drei Stufen zufällig platziert und Schatz-, Artefakt- sowie Schriftrollenkarten gemischt, kann es losgehen. Ziel ist es, als Erster 14 Siegpunkte zu erreichen.

Basis ausbauen und kämpfen

Was kann man tun? Man hat zunächst drei Aktionskarten, mit denen man seinen Helden aktivieren bzw. bewegen oder alternativ etwas bauen, Truppen rekrutieren oder Rohstoffe sammeln lassen kann - dann dreht man die Karte um. Ganz wichtig: Man sollte schnell die vierte Aktionskarte anstreben, dann hat man natürlich mehr Möglichkeiten.

Kein langes Studieren: Might & Magic hat ein schnell verinnerlichtes Regelwerk.
Schon nach den ersten Zügen fühlt man sich an den Klassiker erinnert: Karte erkunden, Verstärkung rekrutieren, Stadt ausbauen, Monster bekämpfen. Anders als am Computer fällt hier allerdings der Nebel des Krieges weg, so dass man sofort erkennen kann, wo sich lukrative Minen, interessante Orte oder Feinde befinden. Das hätte man auch am Tisch spannender lösen können, indem man die einzelnen Kartenmodule z.B. erst nacheinander aufdeckt. Der Vorteil der totalen Sichtbarkeit: Man kann sofort planen, wo man am besten fette Beute macht.

Da man zunächst lediglich sechs Soldaten hat, sollte man mit seinen vier Bewegungspunkten pro Held z.B. den stärksten Monster ausweichen, deren drei Stufen an ihrer Farbe (Gelb, Violett, Gold) zu erkennen sind. Die Crux ist: Monster besetzen nicht nur das Feld, auf dem ihre Plättchen liegen, sondern sie bewachen auch eines in der Nachbarschaft - und meist befindet sich dort etwas Lukratives. Das ist ein System, das den Kampf in den Mittelpunkt rückt, für etwas Anspruch in der Routenplanung sorgt und die neutralen Monster aufwertet, denn so kann man nicht alles abgrasen, bevor man vielleicht auf gegnerische Helden trifft.

Vom Helden zum Feldherren

Das Erkunden und Sammeln läuft also nur über den Kampf - man kann nicht einfach im Vorbeigehen etwas abgreifen wie im Computerspiel und es gibt hier weder Quests noch Rätsel. Allerdings kommt ein kleiner geostrategischer Aspekt hinzu: Erobert man z.B. blau markierte Felder wie Minen,  darf man dort einen Stein seiner Farbe platzieren und bekommt später bei der Aktion der Ernte höhere Einnahmen. Aber es gibt keine territoriale Eroberung im Sinne einer Gebietsbildung mit Grenzen. Gelungen ist das Prinzip der Kontrollzone: Ein Feld um den Helden herum darf der Gegner keine Gebiete mit Steinen beanspruchen - so kann man gerade im späteren Spiel auch mit seiner Anwesenheit etwas absichern.

Jede der vier Fraktionen verfügt über drei Helden mit Spezialfähigkeiten. Sie sind entweder auf Macht oder Magie fokussiert.
Kampf, Basisbau und Rohstoffernte bestimmen den Spielfluss. Wer weitere Helden oder Truppen der Elitestufe rekrutieren will, muss erstmal genug Gold und Edelsteine sammeln, seine Stadt ausbauen und entsprechende Gebäude errichten. Von Letzteren stehen neun zur Verfügung, wobei jede Fraktion eine exklusive Fähigkeit besitzt: So können nur Helden der weißen "Zuflucht" mit dem Bau auf "Schutzengel" zugreifen und z.B. einen Elitewürfel im Kampf ignorieren.

Helden besitzen neben individueller Macht, Magie, Initiative und Führungskraft bis zu drei der zwölf Spezialfähigkeiten wie Entdecker, Kaufmann, Portalreisender oder Aggressor. Und die können sehr interessant sein: Wenn man exklusiv über Berge ziehen, zwei Rohstoffe zusätzlich ernten, Portale zur Schnellreise benutzen oder einen weiteren Angriffswürfel einsetzen darf, bringt das situative Vorteile. Genauso wie die Anführer- oder Meisterfähigkeiten sowie die verfügbaren Magieschulen. Schon mit der Wahl des ersten Helden kann man sich also etwas spezialisieren.

Kampf und Initiative

Auf der Initiativeleiste wird die Kampfreihenfolge geordnet. Wer links steht, schlägt zuerst zu...
Sobald es zum Kampf kommt, werden alle Beteiligten auf der Initiativeleiste platziert. Das sorgt zunächst für Übersicht: So können sich alle nacheinander beharken und man hat stets im Blick, ob Helden, Monster oder Truppen an der Reihe sind. Dann würfelt man je nach Truppenanzahl maximal fünf W8 und muss unter dem Kampfwert bleiben; Elitetruppen dürfen auch Spezialwürfel einsetzen, die im besten Fall nochmaliges Würfel oder Doppeltreffer ermöglichen.

Schön ist, dass sowohl Monster als auch Helden mit passiven Fähigkeiten taktischen Einfluss nehmen: Ein "Vernichter" sorgt für doppelten Schaden und "Kampfrausch" gewährt immer fünf Angriffswürfel - selbst bei dezimierter Truppe. Auch schön einfach: Das Schadenssystem. Verwundet man eine reguläre Truppe, wird ihr Plättchen entfernt; verwundet man eine Elite-Truppe, wird es erstmal umgedreht, die Truppe damit regulär und auf der Leiste nach oben geschoben; ein Monster sammelt Blutmarker bis es vernichtet ist. Hat man Letzteres besiegt, dreht man das Plättchen um und darf sich nicht nur Schatzkarten Gold oder Rohstoffe nehmen. Außerdem gewinnt man vielleicht Ruhmpunkte und der eigene Held kann evtl. aufsteigen. Der Kampf zwischen Helden läuft fast genauso ab; der Sieger darf entweder eine Fertigkeits- oder Schatzkarte rauben sowie Felder besetzen. Gerade mit drei oder vier Leuten macht dieses Stibitzen richtig Laune.

Was gefällt nicht so gut?

Man startet mit einer Hauptstadt und einem Helden; die blauen Steine markieren z.B. eroberte Minen.
Zwei Dinge sind auf Dauer etwas ernüchternd: Zum einen gibt es gerade mal vier Truppentypen wie Speerkämpfer, Armbrustschützen, Zauberer oder Greife pro Fraktion, jeweils in regulär und elitär - dabei steht Might&Magic in diesem Bereich für Vielfalt. Zum anderen kann das Auffüllen der Initiativeleiste irgendwann nerven: Was sich mit einem Helden plus Truppen noch sehr flott spielt, sorgt bei zwei oder gar drei Helden für sehr viel Hantieren, weil ständig gekämpft wird und Plättchen verlegt werden müssen. Zu dritt oder viert ist es bis zum Sieg zudem ein langer Weg von drei und mehr Stunden. Immerhin kann man die Spielzeit über die Wochenkarten in drei Stufen anpassen: So muss man nicht bis zu den vollen Siegpunkten spielen, sondern kann das Ganze so reduzieren, dass die letzte Karte auch die letzte Runde und damit die Wertung einleitet. Was ich vermisse: Einen Storyrahmen oder erzählerische Missionen in einer Kampagne für Solisten, die sich für diesen Klassiker angeboten hätte. Wer etwas Ähnliches alleine spielen möchte, sollte zum vielseitigeren Mage Knight: Das Brettspiel greifen.

Fazit

Might & Magic Heroes: Das Brettspiel ist eine gelungene Hommage an den Computerspielklassiker. Es ist kein knackiges Spielchen für zwischendurch, sondern erreicht mit drei Stunden und mehr "epische" Ausmaße. Insofern und angesichts der bekannten Mechanik aus Basisbau, Ernte und Kampf erinnert es wohltuend an das, was man als Veteran damit verbindet. Hinzu kommen einige nette Kniffe hinsichtlich der Spezialfähigkeiten, der Gebäude sowie der Absicherung. Außerdem kann man mit vier Völkern und drei Helden seinen Spielstil anpassen. Eine Kampagne oder Quests fehlen, daher wirkt der Kampf auf Dauer recht dominant und es kann etwas zäh werden, wenn man mit drei Helden und all seinen Truppen ständig die Initiativeleiste befüllen und leeren muss. Das vergleichbare Mage Knight: Das Brettspiel ist da deutlich interessanter, anspruchsvoller und vielseitiger. Aber bei aller Kritik ist es für Fans der 3DO-Serie eine ansehnlich designte Alternative mit kompetitiver Spannung und fiesen Eroberungen. Ihr wollt fette Beute machen und Schätze stibitzen? Dann los!

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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