Brettspiel-Test: Might & Magic Heroes - Das Brettspiel (Aufbaustrategie)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Release:
10.10.2014
Spielinfo Bilder  
Vom Helden zum Feldherren

Das Erkunden und Sammeln läuft also nur über den Kampf - man kann nicht einfach im Vorbeigehen etwas abgreifen wie im Computerspiel und es gibt hier weder Quests noch Rätsel. Allerdings kommt ein kleiner geostrategischer Aspekt hinzu: Erobert man z.B. blau markierte Felder wie Minen,  darf man dort einen Stein seiner Farbe platzieren und bekommt später bei der Aktion der Ernte höhere Einnahmen. Aber es gibt keine territoriale Eroberung im Sinne einer Gebietsbildung mit Grenzen. Gelungen ist das Prinzip der Kontrollzone: Ein Feld um den Helden herum darf der Gegner keine Gebiete mit Steinen beanspruchen - so kann man gerade im späteren Spiel auch mit seiner Anwesenheit etwas absichern.

Jede der vier Fraktionen verfügt über drei Helden mit Spezialfähigkeiten. Sie sind entweder auf Macht oder Magie fokussiert.
Jede der vier Fraktionen verfügt über drei Helden mit Spezialfähigkeiten. Sie sind entweder auf Macht oder Magie fokussiert.
Kampf, Basisbau und Rohstoffernte bestimmen den Spielfluss. Wer weitere Helden oder Truppen der Elitestufe rekrutieren will, muss erstmal genug Gold und Edelsteine sammeln, seine Stadt ausbauen und entsprechende Gebäude errichten. Von Letzteren stehen neun zur Verfügung, wobei jede Fraktion eine exklusive Fähigkeit besitzt: So können nur Helden der weißen "Zuflucht" mit dem Bau auf "Schutzengel" zugreifen und z.B. einen Elitewürfel im Kampf ignorieren.

Helden besitzen neben individueller Macht, Magie, Initiative und Führungskraft bis zu drei der zwölf Spezialfähigkeiten wie Entdecker, Kaufmann, Portalreisender oder Aggressor. Und die können sehr interessant sein: Wenn man exklusiv über Berge ziehen, zwei Rohstoffe zusätzlich ernten, Portale zur Schnellreise benutzen oder einen weiteren Angriffswürfel einsetzen darf, bringt das situative Vorteile. Genauso wie die Anführer- oder Meisterfähigkeiten sowie die verfügbaren Magieschulen. Schon mit der Wahl des ersten Helden kann man sich also etwas spezialisieren.

Kampf und Initiative

Auf der Initiativeleiste wird die Kampfreihenfolge geordnet. Wer links steht, schlägt zuerst zu...
Auf der Initiativeleiste wird die Kampfreihenfolge geordnet. Wer links steht, schlägt zuerst zu...
Sobald es zum Kampf kommt, werden alle Beteiligten auf der Initiativeleiste platziert. Das sorgt zunächst für Übersicht: So können sich alle nacheinander beharken und man hat stets im Blick, ob Helden, Monster oder Truppen an der Reihe sind. Dann würfelt man je nach Truppenanzahl maximal fünf W8 und muss unter dem Kampfwert bleiben; Elitetruppen dürfen auch Spezialwürfel einsetzen, die im besten Fall nochmaliges Würfel oder Doppeltreffer ermöglichen.

Schön ist, dass sowohl Monster als auch Helden mit passiven Fähigkeiten taktischen Einfluss nehmen: Ein "Vernichter" sorgt für doppelten Schaden und "Kampfrausch" gewährt immer fünf Angriffswürfel - selbst bei dezimierter Truppe. Auch schön einfach: Das Schadenssystem. Verwundet man eine reguläre Truppe, wird ihr Plättchen entfernt; verwundet man eine Elite-Truppe, wird es erstmal umgedreht, die Truppe damit regulär und auf der Leiste nach oben geschoben; ein Monster sammelt Blutmarker bis es vernichtet ist. Hat man Letzteres besiegt, dreht man das Plättchen um und darf sich nicht nur Schatzkarten Gold oder Rohstoffe nehmen. Außerdem gewinnt man vielleicht Ruhmpunkte und der eigene Held kann evtl. aufsteigen. Der Kampf zwischen Helden läuft fast genauso ab; der Sieger darf entweder eine Fertigkeits- oder Schatzkarte rauben sowie Felder besetzen. Gerade mit drei oder vier Leuten macht dieses Stibitzen richtig Laune.

Was gefällt nicht so gut?

Man startet mit einer Hauptstadt und einem Helden; die blauen Steine markieren z.B. eroberte Minen.
Man startet mit einer Hauptstadt und einem Helden; die blauen Steine markieren z.B. eroberte Minen.
Zwei Dinge sind auf Dauer etwas ernüchternd: Zum einen gibt es gerade mal vier Truppentypen wie Speerkämpfer, Armbrustschützen, Zauberer oder Greife pro Fraktion, jeweils in regulär und elitär - dabei steht Might&Magic in diesem Bereich für Vielfalt. Zum anderen kann das Auffüllen der Initiativeleiste irgendwann nerven: Was sich mit einem Helden plus Truppen noch sehr flott spielt, sorgt bei zwei oder gar drei Helden für sehr viel Hantieren, weil ständig gekämpft wird und Plättchen verlegt werden müssen. Zu dritt oder viert ist es bis zum Sieg zudem ein langer Weg von drei und mehr Stunden. Immerhin kann man die Spielzeit über die Wochenkarten in drei Stufen anpassen: So muss man nicht bis zu den vollen Siegpunkten spielen, sondern kann das Ganze so reduzieren, dass die letzte Karte auch die letzte Runde und damit die Wertung einleitet. Was ich vermisse: Einen Storyrahmen oder erzählerische Missionen in einer Kampagne für Solisten, die sich für diesen Klassiker angeboten hätte. Wer etwas Ähnliches alleine spielen möchte, sollte zum vielseitigeren Mage Knight: Das Brettspiel greifen.

Fazit

Might & Magic Heroes: Das Brettspiel ist eine gelungene Hommage an den Computerspielklassiker. Es ist kein knackiges Spielchen für zwischendurch, sondern erreicht mit drei Stunden und mehr "epische" Ausmaße. Insofern und angesichts der bekannten Mechanik aus Basisbau, Ernte und Kampf erinnert es wohltuend an das, was man als Veteran damit verbindet. Hinzu kommen einige nette Kniffe hinsichtlich der Spezialfähigkeiten, der Gebäude sowie der Absicherung. Außerdem kann man mit vier Völkern und drei Helden seinen Spielstil anpassen. Eine Kampagne oder Quests fehlen, daher wirkt der Kampf auf Dauer recht dominant und es kann etwas zäh werden, wenn man mit drei Helden und all seinen Truppen ständig die Initiativeleiste befüllen und leeren muss. Das vergleichbare Mage Knight: Das Brettspiel ist da deutlich interessanter, anspruchsvoller und vielseitiger. Aber bei aller Kritik ist es für Fans der 3DO-Serie eine ansehnlich designte Alternative mit kompetitiver Spannung und fiesen Eroberungen.
Ihr wollt fette Beute machen und Schätze stibitzen? Dann los!

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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Kommentare

Lord Tyrion schrieb am
Ich persönlich finde ja HOMM VI einen der schwächsten Teile, direkt nach HOMM IV . Auf dessen Art-Design und Logik basiert aber das Spiel!
Will in erster Linie bedeuten: Für das Erkennen und Unterscheiden der Icons braucht man die Adler-Augen eines brillenlosen Twens.....
Ansonsten finde ich es insgesamt eine extrem werktreue Umsetzung des PC-Originals! Kompliment!
SOOOO werkgetreu, daß auch die Schwächen der Serie im Multiplayer 1:1 umgesetzt wurden!
Als da nämlich wäre das bei rundenbasierten Strategiespielen Legendäre, nämlich nach einer Viertel Stunde einmal höflich nachzufragen: "Komme ich auch noch einmal wieder dran?!"
Das führt zum zweiten Hauptproblem, praktisch gesehen:
Bei einer normalen Zwei-Spieler-Partie läuft inklusive Auf- und Abbau unter vier(!) Stunden gar nichts!
Gar nicht vorzustellen, wie das bei einer Vier-Spieler-Partie skaliert.....
Für den Aufbau braucht man MINDESTENS einen - meistens DEN - großen Esstisch für mindestens sechs Personen.
(Das und das Folgende gilt wahrscheinlich für alle Spiele dieser Art:-( )
Und dann mußt Du entweder, zu viert, > 10 Stunden am Stück spielen (WER will und kann das) ODER alles wieder einpacken, bevor klar ist, wer gewonnen hätte.....
Das scheint mir ein strukturelles Problem bei Brettspielen dieser Art zu sein....
Ansonsten: ECHT gelungene Umsetzung! Ist halt im Vergleich zu einem "Siedler" EXTREM Würfel-Glück-abhängig!
Ich darf das sagen; ich habe 1995 mit HOMM I angefangen und seither in der Region von 20.000 Stunden für die Serie geopfert...
Für alle, die mit oben genannten Problemen leben können, nämlich extreme Wartezeit auf den eigenen Zug PLUS ewig lange Spieldauer, kann ich das Spiel als kongenial gelungene Umsetzung nur wärmstens empfehlen.
Und, ja, daß man es auch super nur zu zweit spielen kann (ja, ich meine Dich, "Siedler"!:-)), ist für meine Zwecke toll!
Hoffe, das hilft ein wenig bei der Entscheidung.
Tyrion
schrieb am