Brettspiel-Test: Eldritch Horror (Rollenspiel (Koop-Abenteuer))

von Jörg Luibl



Spielinfo Bilder  
Die Unterschiede zu Arkham Horror

Stimmung und Spielmechanik gehören schon in Arkham Horror aus dem Jahr 2005 von Kevin Wilson zum Besten, was man neben Battlestar Galactica, Robinson Crusoe, Maus und Mystik oder Villen des Wahnsinns im kooperativen Bereich am Tisch erleben kann. Es ist wenn man so will der Vorläufer, der jetzt von Eldritch Horror verfeinert wird. Mit Corey Konieczka zeichnet auch ein sehr erfahrener Autor für das Design verantwortlich - er hat für Fantasy Flight Games u.a. Descent, Battlestar: Galactica, Gears of War und Star Wars: X-Wing entworfen.

Sein Eldritch Horror besitzt unterm Strich die etwas klarere Struktur, flüssigere Gefechte, weniger streitbare Regeln,
Es gibt zwar keine Miniaturen, aber hübsch designte Aufsteller für die Charaktere.
Es gibt zwar keine Miniaturen, aber hübsch designte Aufsteller für die Charaktere.
den besser integrierten erzählerischen Rahmen sowie mehr Folgewirkungen und Alternativsituationen. Nicht falsch verstehen: Es ist nicht etwa eine Klasse besser, aber innerhalb dieser sehe ich es vor Arkham. Wer den Vorläufer besitzt muss also schon ein sehr eingefleischter Lovecraft-Fan oder Brettspielsamler sein, denn Mechanik und Spielgefühl unterscheiden sich nicht grundlegend. Apropos - falls ihr euch für die Unterschiede zu Villen des Wahnsinns interessiert: Das hat einen noch stärkeren Rollenspielansatz, zumal ihr als Team u.a. alte Herrenhäuser erforscht, indem ihr euch à la HeroQuest fortbewegt. Dabei erlebt ihr stimmungsvolle Kurzgeschichten und müsst aktiv Rätsel lösen, indem ihr z.B. Elektroleitungen oder Puzzles direkt vor euch zusammensetzt.

Zurück zu Eldritch Horror und Arkham: Man wird mit Ersterem auch etwas schneller warm, weil es nur noch drei Phasen gibt. In der Aktionsphase darf jeder Charakter reisen, sich Tickets für Bahn oder Schiff sowie Unterstützung besorgen und sich ausrüsten. In der zweiten Bewegungsphase werden alle Quests und Kämpfe an einem Ort abgewickelt. Und in der finalen Mythosphase, dreht sich das Rad des Horrors weiter, indem man Verderben, Rache-Effekte, weitere Tore, neue Monster & Co abhandelt - so kommt man rasch in einen Spielfluss.

Arkham Horror hat zwar mehr Inhalt und Offenheit zu bieten: Hier hat man nur zwölf Ermittler und vier Große Alte, dort
Viel drin in der Box: zwölf Ermittler, vier Große Alte, 300 Karten, 200 Spielmarker, vier Würfel, edel illustrierte Weltkarte, Regelheft und Lexikon.
Viel drin in der Box: zwölf Ermittler, vier Große Alte, 300 Karten, 200 Spielmarker, vier Würfel, edel illustrierte Weltkarte, Regelheft und Lexikon.
sind es fünfzehn und acht. Hier wird man etwas enger geführt, dort konnte man freier die Stadt erkunden. Aber dafür sind die dämonischen Bosse in Eldritch Horror über eigene Kartendecks, Spezialaktionen und Ereignisse besser individualisiert - sprich: Das Erlebnis ändert sich deutlicher je nach Antagonist. Außerdem verliert man sich nicht so oft im Leerlauf wie noch in Arkham, wo man manchmal nicht genau wusste, was man als Nächstes tun soll - auch, weil weniger Ereignisse stattfanden. Da ist Eldritch Horror erzählerisch dichter gestrickt.

Wertungspunkte und Solistendasein

Übrigens: Ehrgeizige Gruppen können sich auch Punkte notieren. Es gibt ein Wertungssystem, bei dem man eine besonders niedrige Zahl erreichen muss, denn offene Tore, unbesiegte Monster & Co werden nach dem Finale addiert, während Hinweismarker & Co davon subtrahiert werden.

Es ist auch theoretisch möglich, Eldritch Horror alleine zu spielen, indem man entweder die Teamregeln ignoriert oder selbst zwei Figuren steuert. Aber gerade so ein Spiel lebt von der Kooperation und Interaktion. Da gibt es wesentlich bessere Alternativen für Solisten wie z.B. Mage Knight oder Robinson Crusoe.

Fazit

Vier Leute diskutieren über Sternzeichen und Schrotflinten, zerbrechen sich den Kopf über die nächste Reiseroute, fluchen über böse Ereignisse, schauen sich verzweifelt an und jubeln später nach einem Würfelwurf, weil sie der unsichtbaren KI des Großen Alten ein Schnippchen schlagen konnten. Plötzlich keimt wieder Hoffnung auf, die Moral steigt und man entwickelt zusammen den Ehrgeiz, diesem gnadenlosen Schrecken ein Ende zu bereiten  - für diese Momente liebe ich anspruchsvolle Brettspiele! Um die Welt des Jahres 1926 vor Kultisten, Monstern und Dämonen zu retten, braucht man Teamwork, Glück und ebenso tapfere wie geduldige Freunde. Eldritch Horror ist nichts für Gelegenheitsspieler, die mal schnell etwas Nervenkitzel suchen. Man braucht viel Zeit für die Vorbereitung samt Regelstudium und Aufbau sowie eine Gruppe, die auch über mehrere Stunden spielen will. Aber wenn man sich auf dieses epische Abenteuer einlässt, wird man von einem überaus stimmungsvollen  kooperativen Erlebnis mit reichlich Rollenspielcharme belohnt. Es ist auch einsteigerfreundlicher und klarer als der ebenfalls ausgezeichnete Klassiker Arkham Horror aus dem Jahr 2005. Wer die Box öffnet, darf sich zudem auf reichlich edel designtes Material freuen, das umgehend gediegenes 20er-Jahre-Flair und Lovecraft-Knistern verbreitet. Ich empfehle: Licht dämmen, Cthulhu-Soundtrack an und Horror frei!

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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Kommentare

TanteDörte schrieb am
Auf der GenCon wurde nun die dritte Edition für Arkham angekündigt!
Therapy schrieb am
Nach meinen ersten Runden Eldritch Horror muss ich sagen dass mir Arkham Horror doch besser gefallen hat. Klar: es gab ein wenig Verwirrung mit den Regeln (bis ich mal gewusst habe was mit den Kreaturen im Nachthimmel passiert...), aber ich halte es für atmosphärischer und man hat mehr Möglichkeiten.
Bei Eldritch Horror kehrt zu schnell der Alltag ein und man geht nach Schema F vor und gewinnt das Spiel, diese permanente Panik dass gleich alles vorbei ist gibt es hier nicht.
Wer weder Arkham noch Eldritch hat, dem empfehle ich Arkham Horror... es sei denn man lässt sich von Spielregeln leicht überfordern. ;)
Rooster schrieb am
Roebb hat geschrieben:
Rooster hat geschrieben:noch eine kurze regelfrage: wirklich kooperatives kämpfen gegen ein monster in der begegnungsphase ist aber nicht möglich oder haben wir da tatsächlich etwas überlesen?
Du meinst z.B. durch Aufaddieren der Werte im Kampf, oder so?
Nee, leider nicht. Wär aber eine lustige Idee für eine Hausregel.
Allerdings würde es den Schwierigkeitsgrad senken. Es sei denn die Monster machen das auch, wenn mehrere auf einem Spielerfeld stehen. Das wär oftmals aber der sichere Tod ;)
ach schade... aber du hast recht! da müssten die monster mit steigender spieleranzahl "mit leveln" :Blauesauge: na mal schauen ich freu mich schon auf die runde heute abend und berichte dir morgen mal wie es gelaufen ist ;)
Roebb schrieb am
Rooster hat geschrieben:noch eine kurze regelfrage: wirklich kooperatives kämpfen gegen ein monster in der begegnungsphase ist aber nicht möglich oder haben wir da tatsächlich etwas überlesen?
Du meinst z.B. durch Aufaddieren der Werte im Kampf, oder so?
Nee, leider nicht. Wär aber eine lustige Idee für eine Hausregel.
Allerdings würde es den Schwierigkeitsgrad senken. Es sei denn die Monster machen das auch, wenn mehrere auf einem Spielerfeld stehen. Das wär oftmals aber der sichere Tod ;)
Rooster schrieb am
Roebb hat geschrieben: Warum macht Eldritch Horror trotzdem Spaß?
Meine Antworten dazu:
1.) Das Thema! Man muss das H.P. Lovecraft Setting mögen.
Man muss es mögen, dass immer mehr Gefahren auftauchen und man sich eigentlich in einer ausweglosen Situation befindet.
Es macht einfach unglaublich Spaß, wenn man stetig vom Worst-Case ausgeht und trotzdem mal etwas reibenslos (oder nicht besser: trotz Stolpersteinen) funktioniert. Es motiviert, wenn die Welt am Rande des Chaos steht, der Große Alte bald erwacht, aber nur noch ein Mysterium zu lösen ist.
2.) Man muss es eher als Rollen- und nicht als Strategiespiel sehen!
Wie du schon geschrieben hast bzw. ich dir oben beigepflichtet habe, basiert das Spiel zu einem großen Teil auf Würfelglück, quasi der Genickbruch für jedes ausgeglichene Strategiespiel.
Aber man versucht trotzdem seine Chancen zu maximieren. Man erhöht gezielt Werte (auch wenn die nächste Probe eh auf nen anderen Wert geworfen wird..), man kauft Items, aber vor allem: Man spricht sich ab, man verteilt Aufgaben, man zielt alle an einem Strang, und mag der noch so dünn und angeschlagen sein.
Wenn ein Charakter, der gerade eine wichtige Aufgabe lösen wollte, aufgrund doofer Umstände (aka totales Karten-/Würfelpech) stirbt, dann macht einen das Umkippen der Pappfigur regelrecht traurig.
Das alles sind Momente, die vielleicht einige Leute frustrieren und ihnen den Spaß am Spiel nehmen. Für manche ist aber genau so etwas Anreiz weiter zu machen (oder bei Gelegenheit nochmal zu spielen).
Rollenspiele sind nicht immer fair! Wer einmal Pen&Paper gespielt hat, kann ein Lied davon singen.. schonmal nen Zwerg gespielt, wenns spontan auf Seefahrt geht..?
Aber sofern man sich in sie hinein versetzen kann, machen sie trotz Misserfolgen Spaß!
jap, vorallem das setting war eigentlich der kaufgrund schlechthin! und da überzeugt das spiel auch auf voller linie. eine wirklich kohärente geschichte entsteht zwar nicht wirklich aber von der stimmung her hat es mich schon...
schrieb am