Boss Monster27.10.2014, Jörg Luibl
Boss Monster

Special: Heldentod im Vampirbordell

Was, Boss Monster ist schon ausverkauft? Das kann doch nicht sein! Doch, plötzlich war es weg. Dieses kleine Kartenspiel mit dem Retrolook mutierte schnell zum Geheimtipp auf der SPIEL'14 in Essen. Aber keine Bange: 2015 soll es endlich hierzulande erscheinen. Warum wir schon zugeschlagen haben und warum sich das Warten auf die deutsche Version lohnt, klärt der Test.

Ein Hoch auf das Vampibordell!

Das war knapp: Fast hätte ich alias "King Croak" doch tatsächlich mit meinem Dungeon gegen diese albernen Helden verloren. Und das wäre wirklich peinlich gewesen in einem Spiel, in dem es eigentlich nur darum geht, wer in der Rolle eines mächtigen Bossmonsters die meisten Kleriker, Krieger, Magier und Diebe ins Jenseits schickt - für jeden Toten sammelt man einen oder zwei Seelenpunkte. Und wer als Erster zehn hat, ist der Sieger. Aber in diesem Fall waren meine Räume scheinbar nicht gefährlich genug, denn ich hatte plötzlich nur noch einen von fünf Lebenspunkten. Immer wieder kam einer dieser kleinen Schatzräuber durch!

Boss Monster ist ein Kartenspiel von Brotherwise Games, das 2013 über Kickstarter finanziert wurde, knapp 20 Dollar kostet und 2015 auf Deutsch erscheint. Zwei bis vier Spieler versuchen das tödlichste Dungeon zu bauen.
Was bei meinen Mitmonstern am Tisch für ein böses Grinsen sorgte, brachte mich gehörig ins Schwitzen. Vor allem, als in der Mitte des Spiels frische Helden aufgedeckt wurden und darunter auch die ersten "Epic Heroes" auftraten. Hat man es zu Beginn nur mit schwachbrüstigem Kroppzeug zu tun, das teilweise nur zwei oder vier Lebenspunkte hat, kommen bald Kaliber wie der Magier "Terric Warhelm" oder Krieger "Asmor the Aweless" hinzu, die immerhin mit dreizehn Lebenspunkte an der Dungeontür klopfen.

Und wenn der bärtige Asmor nicht in meinem Vampirbordell seine letzten drei verloren hätte, wäre ich sang und klanglos gestorben. Bin ich aber - natürlich - nicht! Denn dieser "Avanced Monster Room" mit den roten Herzen, Fledermäusen und schwatten Schönheiten sorgt dafür, dass ein dort besiegter Held automatisch eine Wunde des Bossmonsters heilt. Was für ein Glück, oder? So war King Croak wieder im Geschäft.

Bau deinen Dungeon

Jeder Held muss durch maximal fünf Räume. Schafft er es durch, fügt er dem Boss am Ende Wunden zu - bei fünf stirbt es. In der Grundbox befinden sich 155 Karten plus Schnellanleitung und Regelheft.
Das Schöne an Boss Monster sind die einfachen, aber zum Thema sehr gut passenden Mechanismen: Zum einen das Anlocken der Helden. Nachdem diese aufgedeckt werden, warten sie in der Stadt so lange, bis irgendeines der zwei bis vier Dungeons die fetteste Beute verspricht. Wer einen Krieger in sein Gewölbe locken will, braucht dafür z.B. die meisten Schwertsymbole auf seinen Raumkarten; für einen Magier sind es Bücher, für einen Dieb die Geldsäcke etc. - bei einem Unentschieden verharren die Helden in der Stadt, so dass es in der Mitte eine regelrechte Warteschleife geben kann.

Erst wenn jemand die meisten Symbole einer Art vorweist, kommen auch alle (!) Helden dieser Klasse zum Dungeoneingang, wo sie links verharren. Dann wird Raum für Raum bis nach ganz rechts durch berechnet, wieviel Schaden sie wo nehmen. Hier wird also nicht groß ein Kampf ausgetragen, sondern lediglich der schwarze Trefferwert des Raumes von den roten Herzen abgezogen.

Erweiterte Räume und böse Zauber

Die erweiterten Raumkarten bieten hilfreiche oder fiese Nebeneffekte.
So entsteht nicht nur ein Wettstreit um die attraktivsten Dungeons, es kann auch taktisch clever sein, diesen einen miesen Magier in dieser Runde noch gar nicht anzulocken, wenn man kurz durchrechnet, dass er zu stark ist. Außerdem kann man sich als Bossmonster natürlich auf eine Vielfalt an Symbolen konzentrieren oder sich z.B. auf zwei Klassen spezialisieren - je nachdem, was ausliegt. Damit man bei maximal fünf ausliegenden Räumen flexibel reagieren kann, darf man jede Karte in der kommenden Runde überbauen oder sogar mit erweiterten Räumen wie dem Vampirbordell aufrüsten - dann muss allerdings das Symbol passen. Und es gibt wirklich herrlich miese wie den "Minotaur's Maze", der Helden beim Betreten einfach mal wieder ein Feld nach links schickt, wo sie - hoffentlich - nochmal in die blutige Speerfalle treten müssen. Autsch und tot - nächster!

Zum anderen gibt es sowohl durch manche Räume und vor allem die Zaubersprüche einiges an passiven und aktiven Aktionen, mit denen man nicht nur umgehend Helden teleportieren oder töten, sondern auch die anderen Bossmonster ärgern kann. So kann man z.B. verhindern, dass irgendwo Helden überhaupt eintreten, man kann sie kurzfristig in des Gegners Dungeon stärker machen, ganze Räume per Eis einfach mal deaktivieren, Helden kurz vor dem Tod in die Stadt retten, Kontrahenten zum Abwerfen von Karten zwingen oder einen dieser Zauber per "Counter Spell" negieren.

Was gefällt nicht so gut?

Was geht über einen miesen Zauber gegen Kontrahenten oder Helden? Ein noch mieserer!
Hat man den Dreh erstmal raus, sterben die Helden doch recht flott. Nicht wie die Fliegen, aber schon mehrfach hintereinander, weil sie leider keinerlei Immunitäten oder Spezialeffekte mitbringen. So muss man sich lediglich auf deren Klasse sowie Lebenspunkte konzentrieren. Also geht es tatsächlich nur darum, welches Bossmonster am schnellsten seine zehn Seelen hat. Ist auch in Ordnung, aber für die Langzeitmotivation sowie den Dungeonbau wären komplexere Helden noch unterhaltsamer. 2013 hat Brotherwise Games eine kleine Erweiterung namens "Tools of Hero-Kind" veröffentlicht, die genau das beinhaltet: 25 Zusatzkarten mit Waffen, Rüstungen und Zaubern für die Helden. Es wäre wünschenswert, wenn diese 2015 auch hierzulande erscheinen.

Fazit

Boss Monster ist ein sehr flottes Kartenspiel, das natürlich von seinem markanten Retrolook und seiner Hommage an die Videospielfrühzeit lebt - ich konnte mich diesem Pixelflair kaum entziehen. Die Zeichnungen sind wirklich ganz große Klasse. Das über Kickstarter finanzierte Spiel simuliert zudem auf sehr einfache analoge Weise einen seitwärts scrollenden Dungeon: In der Rolle eines Bossmonsters muss man sein Gewölbe taktisch clever ausbauen und Zauber wirken, um die von links kommenden Helden schnell zu töten. Die 155 Karten sehen nicht nur cool aus, auch das Spielprinzip kann mit seiner Lock- und Aufrüstfunktion überzeugen. Wenn ihr witzige Fantasypiele wie Munchkin oder Dungeon Fighter mögt, dürftet ihr auch dem bösen Charme von Boss Monster erliegen - kein Wunder, dass schon der zweite Teil angekündigt ist. 2015 erscheint es endlich auf Deutsch sowie digital für PC, iOS und Android. Auf der Messe lag der Preis übrigens bei sportlichen 20 Euro für die Grundbox und 25 Euro plus Erweiterung.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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