Die Schlacht der Fünf Heere14.11.2014, Jörg Luibl
Die Schlacht der Fünf Heere

Special: Das Schicksal der freien Völker

Am 10. Dezember startet der dritte und letzte Teil von „Der Hobbit“ in deutschen Kinos. Wer „Die Schlacht der Fünf Heere“ mit Zwergen, Elben und Goblins selbst austragen will, kann das bereits am Tisch mit über 100 Miniaturen. Der Heidelberger Spieleverlag hat das gleichnamige Brettspiel für zwei Personen im Oktober veröffentlicht. Wir verraten euch, warum sich das Abenteuer für Fantasy-Taktiker lohnt.

Der Schatten breitet sich aus

Die Wehranlage bei den östlichen Ausläufern wurde geschliffen und die dortige Armee komplett von Orks vernichtet. Außerdem halten die Goblins das Lager südlich des Nebelgebirges und die Ruinen von Thal sind ebenfalls von Wargen und Orks besetzt. Ein Blick auf die Karte mit den vielen blutroten Miniaturen sowie etwas Mathematik sorgt für Unbehagen: Der Spieler des Schattens hat schon acht von zehn erforderlichen Siegpunkten - das Schicksal der freien Völker rund um Bilbo steht auf Messers Schneide. Unter der Führung seines einzigen Charakters Bolg kann der Schatten bereits in den nächsten Runden siegen. Das liegt daran, dass ich militärtaktisch einige Fehler gemacht habe.

Die Schlacht der Fünf Heere ist komplett auf Deutsch beim Heidelberger Spieleverlag erschienen. Es ist für zwei Spieler ausgelegt und kostet knapp 50 Euro.
Anstatt mich clever mit meinen Seemenschen aus dem Osten des Nebelgebirges zurückzuziehen, habe ich trotzig versucht die Festung dort zu halten – auch ein mutiger, aber letztlich dummer Gegenangriff mit einer Zwergenarmee aus dem Vordertor schlug fehl. Zwar konnte Gandalf noch mit seinen Blitzen aus der Distanz für Unruhe sorgen, aber dann tauchte Bolg mit seiner Fähigkeit Leibwache auf und absorbierte den Schaden gegen seine Orks. Warum hatte ich so wenig Elbenbogenschützen in Reichweite? Okay, ich hatte auch etwas Pech beim Aufdecken der Rekrutierungsmarker, die den Truppentyp darunter zunächst geheim halten – so gab es eben Speerkämpfer. Aber letztlich habe ich mich einfach nicht clever genug verhalten.

Eingekesselt von Bolg und seinen Orks

Wie auch immer: Jetzt stehen nur noch wenige blaue Miniaturen auf dem ansehnlich illustrierten Spielplan mit seinen vier großen Territorien. Das

Auch wenn man nur zu zweit spielt: Man braucht viel Platz, die Box ist üppig gefüllt.
„Zerklüftetet Land“ ganz rechts dient als Aufmarschgebiet der Orks, das „Tal“ ist das Zentrum der Seemenschen, das oben vom „Ostufer“ und unten vom „Südlichen Ausläufer“ begrenzt wird. Im Gegensatz zum Vorläufer „Der Ringkrieg“ spielt man also nicht in ganz Mittelerde, sondern in einer Region rund um das Nebelgebirge.

Und man fühlt sich als Spieler von Gandalf, Bilbo & Co von Beginn an eingekesselt, denn aus den Bergen links und oben können über zwei Pässe auch noch die Goblins eindringen – zwar nicht sofort, aber sobald sie dort fünf Truppen gesammelt haben. Ähnlich wie in „Der Ringkrieg“ gelingt es den Italienern, die militärischen Geschehnisse und plötzlichen Überraschungen aus dem Buch in das Spiel zu übertragen.

Die Zeit spielt also für den Schatten? Nicht ganz: Erreicht der

Egal ob Bilbo, Gandalf, Dáin oder Thranduil: Fast alle Charaktere aus "Der Hobbit" sind dabei.
Schicksalsmarker das letzte fünfzehnte Feld, siegen die freien Völker. Und schon vorher ist diese Leiste ein Hoffnungsschimmer: Denn auf ihr steht der Marker kurz vor dem Fürsten der Adler und nicht weit von Beorn, dem mächtigen Gestaltwandler, der zumindest bei Tolkien mit seinem Wüten gegen Bolg für den Sieg sorgte. Auch auf dem Tisch bleibt die Hoffnung auf Rettung in letzter Sekunde lange wach. Erst wenn man ihre Positionen auf der Leiste erreicht, können die Miniaturen mit allen Fähigkeiten endlich in die Schlacht eingreifen: Auf der einen Seite z.B. die Adler, die jede Armee des Schattens mit drei Würfeln angreifen dürfen. Auf der anderen Seite Beorn, der mächtige Gestaltwandler, der wie eine Ein-Mann-Armee agieren und Schaden mit seiner Wut absorbieren kann. Ach ja: Hat der Schatten bei seiner Ankunft nur sechs Siegpunkte, gewinnen die freien Völker sofort! Aber danach sieht es nicht aus.

Aktionen über Würfelsymbole einleiten

Wie in „Der Ringkrieg“ werfen beide Spieler zu Beginn ihre Aktionswürfel, die je nach Symbol andere Züge in wechselnder Reihenfolge ermöglichen: Einen Charakter oder eine Armee bewegen, einen Feind angreifen oder beides; Truppen rekrutieren oder heilen; eine Ereigniskarte spielen oder eine Karte ziehen etc. Auf 92 Karten werden Ereignisse und Manöver illustriert sowie kleine Geschichten aus der Buchvorlage skizziert; wie im Vorgänger haben sie teilweise zwei Bereiche.

Dabei hat der Spieler des Schattens von Beginn an einen Vorteil, da er einen Würfel mehr nutzen kann. Dafür haben die freien Völker nicht nur einen, sondern theoretisch acht Charaktere mit nützlichen Fähigkeiten zur Verfügung – allerdings kommen Bilbo, Thorin Eichenschild, der Fürst der Adler sowie Beorn ja erst nacheinander im Laufe der Schlacht hinzu.

Die Schicksalsleiste bestimmt, wann der Spieler der freien Völker einen Charakter einsetzen darf.
Aber wie kommt man den mächtigen Charakteren oder dem Sieg auf Platz 15 gezielt näher? Das ist der Clou: Der Spieler des Schattens zieht aus einem verdeckten Beutel so viele Plättchen, wie der Spieler der freien Völker in seinem Zug an Generälen eingesetzt hat – und davon kann er dann eines wie  z.B. eine 1, 2 oder 3 beim ersten Aufdecken einsetzen. Je kleiner die Ziffer, desto besser für Bolg & Co. Vielleicht ist sogar schon die fiese rote Null mit im Pool! Im Klartext heißt das: Je mehr Fähigkeiten die freien Völker über ihre Anführer militärtaktisch entfesseln, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Schatten das Schicksal und damit die Ankunft von Beorn & Co entscheidend verlangsamen kann.

Fähigkeiten nutzen oder Schicksal beschleunigen?

126 Figuren sind im Spiel enthalten: 72 rote für den Schatten, 45 blaue für die freien Völker sowie neun Charaktere.
Das ist ein spannender Mechanismus, der vor allem den Spieler der freien Völker immer wieder zum Grübeln animiert: Kann man in diesem Zug auf den Einsatz von zwei, drei Generälen verzichten? Schließlich können Gandalfs mächtige Blitze nicht nur das ein oder andere Gefecht entscheiden, man kann über die Fähigkeiten der Generäle u.a. auch Truppen rekrutieren oder für einen Pfeilregen mit Thranduil sorgen. Sehr schön: Mit einer neuen Fernkampfschablone kann man berechnen, ob Pfeile oder Magie aus der Distanz treffen.

Allerdings erreicht das Spiel damit nicht die doppelte Faszination und Tiefe des Vorgängers, bei dem man neben der Militärtaktik auf der Karte auch noch die Gemeinschaft des Rings bis zum Schicksalsberg führen konnte, um zu gewinnen.

Und der Schattenspieler hat hier auch keine Ringgeister zur Verfügung sowie mit Bolg nur einen Heerführer. Er muss auch nicht fürchten, dass die Heere der Elben, Zwerge und Menschen in sein Reich vorstoßen, denn da gibt es ja nichts zu erobern. Dafür kann er immerhin große Fledermäuse als Bonusaktionen einsetzen, die mit ihrer Wolke entweder eine Armee bewegen oder als Vampire für zusätzlichen Schaden in der Schlacht sorgen. Gerade zu Beginn kann diese Lufthoheit für empfindliche Nadelstiche sorgen.

Zwischen Furten und Hängen

„Die Schlacht der Fünf Heere“ ist keine komplexe Militärsimulation. Da es rund um die Berge eine sehr lange unpassierbare Grenze gibt, entsteht auch eine klare Einfallsroute für die Orks im rechten Bereich.  Für geostrategische Überlegungen sorgen neben den drei Wehranlagen allerdings Hänge, Flüsse und Furten, denn Erstere geben dem Angreifer von oben einen Vorteil und nur an Letzteren kann man Gebiete überqueren. Außerdem spielt der Untergrund eine Rolle: Je nachdem, ob man auf einem Hügel, in der Ebene, im Sumpf, im Gebirge oder einer Ruine bzw. Siedlung kämpft, bekommen darauf spezialisierte Einheiten vor dem Kampf einen Bonus: Wer die numerische

Der Schatten ist von Anfang an auf dem Vormarsch. Wie kann man ihn aufhalten? Oben rechts die eingekesselte Armee...wichtig für die beiden Flugeinheiten, Adler sowie Fledermäuse: Sie agieren nicht in einem kleinen Gebiet, sondern in einem der vier großen Territorien.
Geländeüberlegenheit besitzt, darf eine Ereigniskarte ziehen, die im Gefecht danach entscheidend sein kann.

Neu ist das System der Schadensermittlung: Hat man die Zahl der Treffer über die Sechserwürfel bestimmt, legt man entsprechende dreieckige Marker an die Armee. Übersteigt ihre Zahl die der zugehörigen Einheiten, muss der Spieler eine Einheit als Verlust entfernen, um damit gleichzeitig auch zwei Marker entfernen zu dürfen. Das wird so lange fortgesetzt, bis man mehr oder gleich viele Einheiten wie Schadensmarker hat. Das war zu Beginn recht gewöhnungsbedürftig, aber letztlich doch interessant, zumal man auch über eine Aktion seine Truppen heilen kann.

Fazit

"Die Schlacht der Fünf Heere" ist quasi der geistige Nachfolger zu "Der Ringkrieg" – und das ist eines der besten Taktikspiele für zwei Personen. Diese Variante lebt von einer ähnlich hochwertigen Ausstattung mit über 100 Miniaturen und toller Karte, spielt sich allerdings etwas knackiger und direkter. Es ist also mehr als ein schnöder Schauplatzwechsel und hat durchaus eigenständigen Charakter. Zum einen wurde die Spielmechanik angepasst, so dass man die neue Schicksalsleiste genau beobachten muss und Treffer indirekt über Schadensmarker abrechnet. Zum anderen ist die taktische Ausgangslage nicht so offen. Es ist ein bisschen wie mit den Romanen: Auch das Brettspiel zu „Der Hobbit“ erreicht nicht die epische Faszination von „Der Herr der Ringe“. Aber selbst wenn sich „Die Schlacht der Fünf Heere“ im direkten Vergleich zu „Der Ringkrieg“ etwas geradliniger spielt, ist es eine Empfehlung wert. Mit der Schicksalsleiste kommt etwas Pokerflair in die geostrategischen Überlegungen, die den Anführer der freien Völker immer zwischen den positiven Effekten der Generalsfähigkeiten und dem langsamen Voranschreiten des Schicksals abwägen lassen. Und ganz wichtig: Auch diesmal gelingt es Roberto Di Meglio, Marco Maggi und Francesco Nepitello die Dramaturgie der literarischen Vorlage auf den Tisch zu übertragen. Und das heißt für Bilbo & Co: Zittern bis zum Schluss!

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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