Brettspiel-Test: Auf den Spuren von Marco Polo (Worker Placement (Arbeitersetzspiel))

von Jörg Luibl



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Die Qual der Wahl

Aber so leicht will man seine Kamele auch wieder nicht hergeben, denn man braucht sie, um Reisekosten über Land zu bezahlen oder um die Aufträge zu erfüllen, von denen man maximal zwei parallel angehen darf. Meist geht es darum, eine bestimmte Kombination der vier Waren Gold, Seide, Pfeffer und Kamele zu sammeln, um eine Gegenleistung zu bekommen – das können ebenfalls Waren, aber auch Geld, Sonderzüge oder sogar Siegpunkte sein. Nicht nur die Aufträge, auch das Reisen zahlt sich aus: Die Weltkarte von Venedig bis China zeigt die Kosten auf einen Blick. Das können für eine Strecke über Land z.B. vier Kamele sein oder für eine Fahrt über das Meer satte zwölf Geld. Diese Gebühren bleiben im Gegensatz zu den zufällig ausgelegten Boni und Aktionen an den Orten immer konstant.

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Es entsteht ein flotter Spielfluss: Das Regelwerk ist schlank, alle Aktionen laufen über Würfel und man hat kleine Übersichtskarten.
Wer als Erster einen Ort erreicht, darf den abgebildeten Bonus einstreichen und ein Handelskontor errichten, was an den größeren Siedlungen wiederum eine weitere Aktion vor Ort freischaltet. Und wer an den kleinen blauen Siedlungen baut, bekommt sogar jede Runde den dort angezeigten Bonus wie eine Ernte zugesprochen. Ihr habt mehrere blaue Siedlungen? Dann sucht euch den Bonus aus!  So kann man natürlich sehr effizient genau das verstärken oder ausgleichen, was man am meisten benötigt.

Die Rolle der Charaktere

Wir haben die ersten zwei Partien Marco Polo ohne die acht Charaktere gespielt – und das war ein Fehler. Denn erst sie sorgen mit ihren Fähigkeiten dafür, dass man sich taktisch spezialisieren muss: Wer sich für Raschid entscheidet, darf z.B. seine Würfel so drehen wie es ihm passt – ihr braucht eine Sechs auf dem Markt, um möglichst viel zu ernten? Kein Problem! Wer Matteo Polo nutzt, darf jede Runde einen zusätzlichen weißen Würfel einsetzen und bekommt gratis einen Auftrag
Ein Aktionsfeld ist von den Würfeln eines anderen besetzt? Dann wird es teuer, denn ihr müsst dort so viel zahlen wie der niedrigste eurer Würfel anzeigt. Der rote Spieler muss in diesem Fall nur zwei Geld zahlen, aber darf dann auch nur zwei Felder gehen...
Ein Aktionsfeld ist von den Würfeln eines anderen besetzt? Dann wird es teuer, denn ihr müsst dort so viel zahlen wie der niedrigste eurer Würfel anzeigt. Der rote Spieler muss in diesem Fall nur zwei Geld zahlen, aber darf dann auch nur zwei Felder gehen...
dazu. Wer mit Johannes Caprini unterwegs ist, darf sich tatsächlich von Oase zu Oase teleportieren sowie jede Runde drei Geld einsacken.

Man sieht schon: Je nach Charakter kann man viele Siegpunkte herausholen, wenn man seine Taktik darauf abstimmt – das erhöht natürlich auch den Wiederspielwert, denn man muss teilweise ganz andere Prioritäten setzen, was Reise und Waren angeht. Zumal man mit Kubilai Khan gleich in China mit zehn Siegpunkten aus Bejing startet oder als Mercator immer von den Marktaktionen der anderen profitiert. Überrascht hat uns, dass die Balance trotz der teilweise mächtigen exklusiven Aktionen nicht leidet. Das liegt auch daran, dass jeder für die wesentlichen Elemente wie Waren oder Reise auch zahlen muss und es noch genug ultimative Boni gibt. Ähnlich wie in Zug um Zug bekommt man Bonuspunkte für das Erreichen von Orten, die auf Zielkarten angegeben sind. Außerdem bekommt derjenige mit den meisten Aufträgen nochmal sieben Punkte.

Was gibt es zu meckern?

Sehr wenig! Viel Interaktion am Tisch gibt es nicht: Man darf nicht untereinander handeln und muss seine Aktionen
Alles im Blick: Den eigenen Charakter, die zwei Aufträge, das Lager und das Geld.
Alles im Blick: Den eigenen Charakter, die zwei Aufträge, das Lager und das Geld.
möglichst optimal ausnutzen, um alle nötigen Waren sowie Geld zu haben - die fehlende Kommunikation ist aber ähnlich wie in anderen rein kompetitiven Spielen wie Agricola oder Concordia kein Problem. Zwar kann man auch zu zweit seinen Spaß haben, aber erst ab drei Spielern wird der Wettbewerb wirklich spannend. Denn man weiß nie, welche Aktionen die anderen ausführen und kann sich auch ohne Blockaden ganz schön in die Quere kommen: In der Regel profitiert man dann am meisten, wenn man Aktionen als Erster ausführt. Wer zu spät kommt, zahlt drauf oder muss umdisponieren.

Fazit

Ich mag den Spielfluss mit den Aktionswürfeln, die Offenheit von Handel sowie Reise und vor allem die Änderung des taktischen Fokus je nach Charakter - gerade das sorgt für das gewisse Etwas und in jeder Partie für eine andere Dynamik! Es entsteht also nicht nur spannender Wettbewerb um lukrative Aufträge und früh erreichte Orte, sondern auch ein hoher Wiederspielwert. Falls ihr „Worker Placement“ à la Agricola, Bora Bora oder Village mögt, dann fällt „Auf den Spuren von Marco Polo“ ohnehin in euer Beuteschema. Das Brettspiel von Simone Luciani und Daniele Tascini (Tzolk’in: der Maya-Kalender) überzeugt nicht nur spielmechanisch, sondern auch mit seiner schicken Präsentation sowie dem schlanken Regelwerk. Das ist kein verkopfter Siegpunktewalzer, sondern ein sehr flotter Wettbewerb, bei dem auch zu viert nach unter einer Stunde ein Sieger feststehen kann.


Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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Kommentare

C.Montgomery Wörns schrieb am
Jau. Denke auch, dass man mit 30-40 Minuten rechnen sollte.
Haben es jetzt erst 5 Runden gespielt, aber viel schneller werden wir wohl auch nicht mehr. Die ersten 2 Durchgänge haben allerdings ziemlich lange gedauert. Und ein neuer Spieler verlängert die Spielzeit locker nochmal um 20 Minuten. Das Spielbrett wirkt etwas überladen für Neulinge. Da fällt es dem ein oder anderem schonmal schwer beim Erklären zuzuhören und sich alles zu merken. So viele zwischenfragen wie hier musste ich glaube ich bei noch keinem Spiel beantworten. Dabei ist das Spiel an und für sich relativ leicht. Man muss sich halt nur über die abfolge und die verschiedenen Möglichkeiten bewusst werden.
Eine Runde habe ich mal mit meiner Freundin zu zweit gespielt. Da gefällt mir das Balancing aber nicht so. Da hatte ich den EIndruck, dass stumpfes Aufträge abklappern am effektivsten ist. Zu Viert hatten wir das Gefühl, dass es vielseitiger und abwechslungsreicher ist.
johndoe1055746 schrieb am
Wow, wir sind wirklich vielspieler, aber unter einer stunde zu viert? Das bekommen wir nicht hin und werden wir wohl auch nie hinbekommen. Die Erfahrungswerte, auch von anderen in unserer Umgebung, liegen so bei 30-35 Minuten pro Spieler.
schrieb am