Five Tribes18.05.2015, Jörg Luibl
Five Tribes

Special: Die Wüste lebt!

Als ich das erste Mal auf der Spielemesse in Essen Five Tribes gesehen habe, dachte ich noch an ein orientalisch angehauchtes Eroberungsspiel - mit fünf Stämmen, die wie immer um territoriale Macht buhlen. Aber weit gefehlt: Bruno Cathala überrascht mit einer kreativen Spielmechanik, die das klassische „Worker Placement“ um viel Bewegung, miese Meuchelei und Sammelreize bereichert. Warum uns der Wettstreit in der Wüste richtig gut gefällt, verrät der Test.

Die miesen Meuchelmörder

Sie sind blutrot und sie können töten. Falls ich es schaffe, meinen Zug auf einem Feld mit einer roten Figur zu beenden, darf ich auf dem Spielplan oder sogar in der Auslage eines Spielers eine Figur vernichten – das kann mir die Macht über eine Oase, die Oberhand über eine Sippe und vor allem bitterböse Blicke am Tisch einbringen. Aber was soll ich machen? Der alte Sultan ist gestorben und in der Prophezeiung heißt es, dass irgendein Fremder die Herrschaft über die fünf Sippen ergreifen wird. Also kämpft man um jeden Vorteil!

Five Tribes ist komplett auf deutsch bei Asmodee erschienen. es ist für zwei bis vier Spieler ausgelegt und kostet knapp vierzig Euro.
Ich bin einer dieser Fremden und kann die auf dem Spielbrett verteilten fünf Sippen in Form von blauen, weißen, gelben, grünen oder roten Figuren bewegen – jeweils drei zufällig gezogene warten zu Beginn auf einem der dreißig zufällig ausgelegten Plättchen. Sie alle zeigen unterschiedliche Werte und Aktionen wie Markt oder Palastbau. Die Wüste sieht also bei jedem Start anders aus! Aber immer wie ein kunterbunter Teppich, zumal am Rande noch toll gezeichnete Dschinn-Karten sowie kostbare Rohstoffe und Sklaven ausliegen - Artdesign und Material erreichen eine gute Qualität; nicht ganz so üppig, aber ähnlich wie in Abyss.

Alle bewegen alle Sippen

Man führt also kein Volk auf dem Spielbrett an, sondern kann in seinem ersten Zug alle Figuren von irgendeinem Plättchen aufnehmen, um sie zu bewegen – zurück

Die Wüste lebt: Ein buntes Tohuwabohu wartet zu Beginn einer Partie - drei zufällig gezogene Figuren auf jedem Plättchen. Jeder Spieler darf alle Figuren eines Plättchens bewegen...
bleibt ein leeres Feld. Der Clou dabei: Man darf so lange in eine Richtung gehen, wie man Figuren abwerfen kann. Hat man also fünf auf der Hand, kommt man auch weiter. So geht man quasi tröpfchenweise vor und lässt mit jedem Schritt etwas fallen. Wichtig: Man darf nur dort halten und damit eine Aktion ausführen, wo mindestens eine Figur derselben Farbe der letzten abgeworfenen Figur wartet – ein cooles System.

Hört sich vielleicht komplizierter an als es ist: Nehme ich z.B. nur eine grüne Figur auf, darf ich auch nur ein Plättchen weiter gehen, falls es dort auch eine grüne Figur gibt – alle anderen Plättchen sind tabu. Und was dann? Dann nehme ich beide grünen Figuren auf die Hand und kann sie für etwas einsetzen! Je nach Farbe sorgen diese letzten Figuren also für andere Aktionen: Mit weißen kann man u.a. einen Dschinn mit seinen Spezialfähigkeiten kaufen, mit blauen darf man Gold in einem Radius einnehmen, mit grünen Rohstoffe aus der Auslage kaufen, mit gelben direkte Siegpunkte vor sich horten und mit roten darf man meucheln. Ansonsten bestimmt das Plättchen, was man zusätzlich machen darf.

Die Spannung steigt, die Wüste leert sich

Die Spielmechanik profitiert von zwei Kniffen: Zum einen kann ich „mehr“ aus meinen Aktionen rausholen, wenn ich nach meinem letzten Zug nicht nur zwei, sondern vielleicht drei oder vier Figuren derselben Farbe auf der Hand habe – dann erhöht sich die Goldbeute der blauen, der Rohstofferlös der grünen sowie die Reichweite der roten Meuchler. Stärken kann man die meisten Aktionen zusätzlich mit Sklaven vom Markt. Also ist jeder darauf erpicht, in seinem Zug möglichst auf einem Plättchen zu landen, wo schon mehr gleichfarbige Figuren warten.

Wer darf als Erster ziehen? Darauf wird Gold geboten!
Aber nicht nur viele Gleichfarbige, sondern vor allem das Landen auf einem Plättchen mit nur einer Farbe ist lukrativ: Denn nur so kann man es auch final in Besitz nehmen, eines seiner Kamele darauf platzieren und am Ende die Siegpunkte für all seine Gebiete kassieren – die reichen von mickrigen sechs bis zwölf Punkte. Weil sich die Wüste mit jedem Zug nicht nur etwas leert, sondern auch hinsichtlich der erreichbaren sowie lukrativen Plättchen ändert, muss man seine Taktik immer wieder anpassen. Wie erreiche die für mich beste Farbe? Wo kann ich gleichzeitig das Gebiet erobern und eine sinnvolle Aktion ausführen?

Daher ist die Zugreihenfolge sehr wichtig: Manchmal ergibt sich fetter Gewinn nur

Es geht nicht nur um Eroberung, sondern auch um lukratives Sammeln von Rohstoffen und Dschinns.
in einer Situation. Umso motivierender ist daher, dass es keine feste Folge gibt, sondern dass man Gold auf seine kommende Position bieten kann – wer am meisten ausgibt, kann also Erster sein! Aber Vorsicht: Da Geld auch Siegpunkte bringt, kann das ständige hohe Bieten auch Nachteile in der Endabrechnung bringen. Und man kann das Spiel theoretisch auch gewinnen, wenn man immer spart und als Letzter zieht.

Mächtige Dschinns und Sammelreize

Für Konstanz und Planbarkeit sowie zusätzliche Abwechslung sorgen zwei Aspekte: Die Spezialfähigkeiten der 22 Dschinns sowie die Rohstoffkarten. Erstere kann ich für weiße Figuren und/oder Sklaven kaufen. Und die orientalischen Gottheiten sehen nicht nur klasse aus, sie können z.B. auch vor Meuchelmördern schützen, mir zusätzlichen Palmen- oder Palastbau sowie andere Vorteile einbringen. Hinzu kommt, dass auch sie einen Wert haben, der wie die eroberten Gebiete am Ende Siegpunkte einbringt.

Toll gezeichnet und mit hilfreichen Spezialfähigkeiten versehen: Es lohnt sich, einen Dschinn zu engagieren!
Letztere sorgen für lukrative Sammelreize: Es gibt neun Rohstoffe wie Elfenbein, Papyrus oder Gewürze, die mir schon während des Spiels oder am Ende mehr Gold einbringen, je mehr unterschiedliche ich in einem Set vorweisen kann. Vier bringen mir 13 Gold, sechs schon 30 Gold und das Maximum von neun verschiedenen Rohstoffen satte 60 Gold. Ihr seht schon: Es geht hier nicht alleine um die Eroberung der Plättchen, denn in der finalen Wertung gibt es acht Bereiche, in denen man punkten kann: Der Wert aller besetzten Gebiete, aller erworbenen Dschinns, aller übrigen weißen und gelben Figuren, dazu alle Oasen, alle Paläste sowie das Gold aus den Rohstoffen und das sonst erwirtschaftete.

Fazit

Ich habe erst kürzlich Abyss von Bruno Cathala vorgestellt und der Franzose hat mich auch mit Five Tribes überzeugt. Das ist eine sehr kreative, ansehnlich designte und angenehm dynamische Variante des klassischen „Worker Placement“. Wird man zu Beginn noch von all den bunten Arbeitern und Möglichkeiten auf dem Tisch verwirrt, weil alle darauf zugreifen können, kommt spätestens nach der zweiten Partie richtig Spaß auf – vor allem, weil sich die Situation auf dem Spielbrett ständig ändert, weil man sich mies übervorteilen und meucheln kann. Das tröpfchenweise Ziehen und Erobern wirkt frisch, die Götterfähigkeiten sowie das Kartensammeln sorgen für zusätzliche Punktereize und man kann in 30 bis 45 Minuten abrechnen. Ein tolles und schnell erlerntes Brettspiel, das sich immer etwas anders entwickelt!

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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