Evolution30.06.2015, Jörg Luibl
Evolution

Special: Fressen und gefressen werden

Fressen und gefressen werden: So lautet der Untertitel von Evolution, das im Frühjar 2015 bei Schmidt erschienen ist. Zwei bis fünf Spieler kämpfen in dieser Kartentaktik darum, ihre Tiere so clever zu entwickeln, dass sie am Ende die meisten Siegpunkte auf dem Konto haben. Warum sich der Wettstreit der Arten lohnt, klärt der Brettspiel-Test.

Die optimale Anpassung

Soll ich meinen Pflanzenfresser mit einer Fettschicht ausstatten oder einem langen Hals? Erstere sorgt dafür, dass ich bis zu zwei Nahrung speichern kann; Letzterer lässt mich quasi einmal gratis Nahrung pflücken. Ich könnte diese beiden Fähigkeiten auch kombinieren, denn bis zu drei Merkmale darf man pro Tierart auslegen. Und weil sich manche auch auf die eigenen linken und rechten Nachbartiere auswirken, ergeben sich viele Möglichkeiten.

Zu Beginn ist jede Tierart ein unbeschriebenes Blatt mit einer Körpergröße und Population von einem mickrigen Punkt - beides kann man in sechs Stufen erweitern. Mehr Masse schützt z.B. vor Raubtieren, die nur dann angreifen dürfen,

Evolution ist komplett auf Deutsch bei Schmidt Spiele erschienen. Es ist für zwei bis fünf Spieler ausgelegt und kostet knapp 25 Euro.
wenn sie auch von größer Statur sind. Mehr Bevölkerung bringt am Ende mit der gesammelten Nahrung sowie der Anzahl der überlebenden Tierarten die wertvollen Siegpunkte - nach einer guten halben bis dreiviertel Stunde kann man abrechnen.

Ein Wasserloch für alle

Aber es ist in einem Spiel zu dritt oder viert gar nicht so leicht, diese drei Aspekte maximal zu erweitern: Denn alle Beteiligten können sich mit Fleischfressern bekämpfen und alle Pflanzenfresser brauchen die Nahrung, die sich im zentralen Wasserloch wiederum alle teilen. Und das Angebot wechselt dynamisch: Jeder Spieler legt aus seinen Handkarten verdeckt eine zu Beginn der Runde dort ab. Da kann so mancher auch mal bewusst einen

Die Karten sind farbenfroh illustriert: Hier ein Fleischfresser mit Rudeljagd.
negativen Wert platzieren, so dass vielleicht nicht alle satt werden.

Die Ernährung läuft nach einem einfachen Muster: Man braucht pro Population eine Nahrung. Wer seine Tierart für die Siegpunkte z.B. sehr schnell fortpflanzt und die maximale sechste Stufe erreicht, muss auch sechs Nahrung aus dem Wasserloch bekommen. Da jeder Spieler in der Regel abwechselnd nur ein Plättchen nehmen darf, kann das ganz schön knapp werden. Und wenn man statt der nötigen sechs nur drei Nahrung hat, schrumpft die Population sofort um die Differenz - autsch. Liegt sie bei null, stirbt die Art aus.

Defensive Kombo gegen Fleischfresser

Es geht in diesem Kartentaktikspiel also um die richtige Balance aus Nahrung und Fortpflanzung sowie Quantität und Qualität. Vor allem defensive Spieler haben viel Auswahl bei der Spezialisierung: Man kann sich mit Hörnern, dem Klettern oder einem Panzer vor Fleischfressern schützen. Hinzu kommt der Warnruf, der benachbarte Karten deckt, oder die Symbiose, die sogar immun gegen Angriffe macht, so lange die Tierart an der rechten Seite auch größer ist - so kann man regelrechte defensive Ketten bilden.

Drei Tierarten mit maximalen Fähigkeiten: Diese Pflanzenfresser schützen sich gegenseitig sehr gut.
Aber irgendwann bricht ein Fleischfresser durch, denn auch sie kann man mit maximal drei Fähigkeiten anpassen: Wer den Hinterhalt auslegt, umgeht den Warnruf; wer die Intelligenz einsetzt, darf defensive Karten ignorieren; wer die Rudeljagd dazulegt, darf zu seiner maximalen Körpergröße von sechs auch noch die Population rechnen - und schwups greift man mit einer gierigen Meute an.

Es gibt kein Kampfsystem, da einfach geschaut wird, ob man einen höheren Wert hat als der Verteidiger. Wieviel Fleisch man bekommt, hängt dann von der Körpergröße der Beute ab. Aufgrund dieser einfachen Regeln kommt man auch schnell in einen Spielfluss, so dass sich Evolution auch als Familienspiel oder Unterhaltung zwischendurch eignet. Dass man es gerne auf den Tisch bringt, liegt auch an der allgemein guten Qualität der Ausstattung sowie den markanten Illustrationen im

Wer eine Population von drei hat, muss auch drei Nahrungsplättchen essen - sonst hungert man.
Tuschestil, die all die Tiere farbenfroh darstellen.

Was gefällt nicht so gut?

Das evolutionäre Repertoire ist mit nur siebzehn Fähigkeiten nicht gerade üppig - da vermisst man auf Dauer mehr Vielfalt, zumal die Fleischfresser mit drei bis vier Karten kaum spezialisierbar sind. Da hätten auf lange Sicht mehr Unterschiede gut getan. Zu zweit kann man zwar auch spielen, aber ab drei Spielern wird es richtig spannend. Wenn bei vier oder gar fünf Beteiligten alle fleißig neue Spezies auslegen, kann es schonmal sehr eng am Tisch werden.

Fazit

Evolution ist ein sehr hübsch illustriertes und thematisch interessantes Familienspiel, in dem man seine Tiere mit maximal drei Merkmalen optimal entwickeln muss. Es erreicht zwar nicht die Vielfalt eines 7 Wonders, aber die schnell erlernte Kartentaktik lebt von defensiven Kombinationen und offensiven Kontern sowie von der Suche nach einer Balance aus Fortpflanzung, Wachstum sowie Spezialisierung. Weil sich alle ein Wasserloch teilen und Fleischfresser angreifen können, entsteht für eine gute halbe Stunde ein flotter kompetitiver Wettstreit, bei dem Siegpunkte aus drei Quellen zählen. Wer es komplexer mag und inklusive Vergletscherung sowie Gebietseroberung strategischer gefordert werden will, sollte sich unbedingt Dominant Species anschauen.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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