Special: Große Strategie für Genießer
Der Kultursieg geht...
...nach drei Abenden mit Ghandi, Napoleon & Co an meine Frau. Mit knapp zehn Punkten Vorsprung. Das ist auch gar nicht das Problem, aber die Art und Weise wurmt mich immer noch. Deshalb sitze ich grübelnd da wie nach einem schlechten Pokalfinale und versuche, den Ablauf zu analysieren. Das war fast ein schleichender Verfall: Im ersten Zeitalter lag meine Zivilisation vorne, was Kultur und Forschung betraf. Im zweiten Zeitalter sah es relativ gut aus, zumal die Konkurrenz mit unzufriedenen Arbeitern zu kämpfen hatte, während ich fleißig kolonisierte. Aber hier konnte ich weder meine Minen noch die Felder modernisieren. Die daraus resultierenden Engpässe an Erz und Nahrung schlugen dann im dritten Zeitalter voll durch, als meine Zivilisation auf ihrem Kulturniveau stagnierte, während es auf der anderen Tischseite
Auf jeden Fall waren das sehr unterhaltsame sechs Stunden, die nochmal deutlich gemacht haben, warum dieses Spiel auch heute noch so stark ist: weil es Zeit für Entwicklung lässt. Natürlich muss man etwas abstrakter herangehen, denn die eigene Zivilisation besteht lediglich aus Karten, Steinen und Tafeln. Aber sie symbolisieren zwei Reiche, die sich über Anführer, Technologien und Wunder aus dem Despotismus heraus gemausert haben. Es entsteht eine konzentrierte, aber nicht all zu verkopfte Atmosphäre am Tisch, die durch einige Zufälle beim Nachziehen sowie die Kartentaktik immer wieder aufgelockert wird. Auch das, was man auf der Hand hat, kann direkte Vorteile bringen! Wer eine kürzere Partie oder eine ohne Militär bevorzugt, findet entsprechende Varianten im Regelwerk.
Neuauflage im frischen Design
Was hat sich inhaltlich verändert? Keine Bange: Die grundsätzliche Struktur ist identisch, so dass Kenner des Originals nur wenig dazulernen müssen. Im Gegensatz zum klassischen "Civilization" wählt ihr hier also kein Volk mit Eigenheiten, sondern prominente Anführer und später Staatsformen wie Monarchie & Co, die über drei Zeitalter wechseln. Außerdem gibt es kein Territorium, das ein Siedler erkundet, also keine sichtbare Expansion über Hexfelder. Aber was die Entwicklung sowie den Bau und die Kartentaktik betrifft, gibt es viele interessante Facetten, die das Original von Sid Meier übertreffen - als kleine Hommage an den Meister gibt es ihn übrigens auch als Anführer.
Zwischen Produktion und Aktion
Für eine ausführliche Analyse verweise
Aber jetzt zu den Neuerungen: Abgesehen von einzelnen Kartenfunktionen oder Bonusänderungen wurden vor allem der Spielrhythmus und das Militär angepasst. Ersterer profitiert nicht nur davon, dass es keinerlei Obergrenze mehr für Kultur, Wissenschaft oder Stärke gibt. Auch die Maßnahmen am Ende eines Zuges sind sinnvoller, denn sie regulieren besser, was Karten und Verluste an Rohstoffen betrifft, die jetzt auch häufiger auftreten, was wiederum die Spannung erhöht.
Fazit
Eigentlich bin ich kein Freund von Neuauflagen, aber manchmal wird ein ohnehin sehr gutes Brettspiel auf diese Art veredelt. Selbst als Besitzer von "Im Wandel der Zeiten" würde ich diese 40 Euro nochmal in "Through the Ages" investieren. Nicht nur das Artdesign übertrumpft den Klassiker aus dem Jahr 2006, auch das Spieldesign wurde sinnvoll ergänzt. Dabei geht es natürlich nicht um das geniale Fundament von Aufbau, Entwicklung und Forschung, sondern um feine Regeländerungen z.B. am Ende eines Spielzuges oder den Ablauf von militärischen Auseinandersetzungen. Zwar ist das ein komplexes und zeitaufwändiges Spiel mit vielen Abhängigkeiten und Möglichkeiten, das konzentrierte Züge und Geduld verlangt. Aber Einsteiger werden wunderbar über ein voll dokumentiertes Probespiel sowie übersichtliche Karten eingeführt. Auch diese Neuauflage ist letztlich eine wunderbare Hommage an Civilization, die man als Freund von historischen Aufbauspielen auf Jahre schätzen wird.
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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