Special: Wettlauf um eine neue Erde
Eine Aufgabe für Generationen
Wie lange würde es wohl dauern, den Mars bewohnbar zu machen? Tja, da können auch die Experten nur spekulieren, aber vermutlich müssten mehrere Generationen über hunderte Jahre daran arbeiten - und genau das simuliert dieses Brettspiel in jeder Runde. Ziel ist es, in der Rolle eines von siebzehn Konzernen dafür zu sorgen, dass Sauerstoff, Temperatur und Ozeane einen bestimmten Wert erreichen, der die Besiedlung ermöglicht und das Spielende auslöst. Zwar arbeiten bis zu fünf Konzerne gemeinsam im Auftrag der Erde, aber nur derjenige mit dem höchsten Terraformwert gewinnt das Spiel. Wer kann also am effizientesten die Atmosphäre beeinflussen?
Der nackte Mars
In den ersten Zügen muss man gut haushalten, denn jede genutzte Aktion und jede ausgespielte Karte kostet Geld, von dem man noch nicht so viel hat. Wer einen Ozean, eine Grünfläche oder eine Stadt gründen will, zahlt zwischen 18 und 25 Megacredits. Außerdem erkennt man auf dem Spielertableau, dass der eigene Konzern noch recht bescheiden mit lediglich einem Punkt pro Runde in den sechs Bereichen Geld, Stahl, Titan, Pflanzen, Energie sowie Wärme produziert. Und genau hier kommen die Handkarten ins Spiel, mit denen man Gebäude, Forschung oder Ereignisse auslösen kann, die u.a. die Produktion erhöhen. Und je besser der Effekt, desto teurer sind sie.
Sauerstoff, Temperatur oder Ozeane?
Auf welchen Bereich konzentriert man sich? Am lukrativsten erscheinen Pflanzen und Energie, denn wer Grünflächen errichtet, erhöht den Sauerstoff, und wer Energie in Wärme umwandelt, erhöht die Temperatur auf dem Mars - für beides bekommt man die wichtigen Terraformpunkte. Außerdem erhält man sie für die Entstehung von Ozeanen, die auch durch Ereignisse wie Polschmelzen entstehen können. Und weil der Terraformwert auch gleichbedeutend ist mit dem Basiseinkommen an Geld für die nächste Runde, sollte man ihn in seinem Zug möglichst steigern. Denn mit Geld kann man irgendwann alles kaufen, während Stahl und Titan nur zusätzliche Bezahlmethoden für manche Gebäude oder Forschungen darstellen.
200 Karten von Atomkraft bis Tierzucht
Da es kein Handkartenlimit gibt, hat man andererseits auch viel Auswahl. Nur reicht meist ein Blick auf den Preis der Karte, um den besten Terraformertrag für sich zu erzielen, so dass man eine wirklich thematische Entwicklung seines Konzerns immer mehr ignoriert. Befriedigender wäre es gewesen, dass man auf bestimmte Karten erst dann Zugriff bekommt, wenn man ein Zeitalter erreicht oder entsprechend geforscht hat - das wird immerhin im Ansatz durch die Symbole erreicht, die für manche Aktionen erfordlich sind. Außerdem kann es sich lohnen, gleich zu Beginn in Karten zu investieren, die aufgrund des Klimas oder des Preises noch nicht sinnvoll erscheinen.
Sehr schön ist übrigens, dass es mit "Zeitalter der Konzerne" nicht nur eine Variante für Fortgeschrittene gibt, bei der man mit weniger Produktion startet und auf exklusive Konzern- sowie Handkarten zurückgreift. Dort steht nicht das Terraforming, sondern Wirtschaft und Forschung im Vordergrund. Hinzu kommt eine Variante für Solisten, die man inkl. neutraler Städte nur vierzehn Runden für eine Highscore spielt - auch das macht Laune.
Was gefällt nicht so gut?
Zunächst der Kleinkram: In der insgesamt guten deutschen Anleitung fehlen mir manchmal mehr Beispiele wie z.B. zur Anzahl der eigenen Aktionen: Man kann die Phase missverstehen und meinen, dass man nur eine oder zwei Aktionen pro Generation hat - das ist aber falsch und würde in der Praxis für extremen Überfluss sorgen. Denn erst wenn alle passen, endet eine Generation, so dass man theoretisch so lange bauen und forschen kann wie man Geld bzw. Rohstoffe dafür hat - das wurde mir erst über die Online-FAQ ganz klar. Schade ist, dass die Bronzefarbe auf den Ecken der Steinchen so schnell abblättert. Außerdem hätte man die numerischen Werte auf den Spielertableaus vielleicht vertiefen können, damit die leichten Steine darauf nicht so schnell verwackeln.
Fazit
Dass Terraforming Mars auf der SPIEL'16 in Essen schnell vergriffen war, ist kein Wunder. Zum einen ist das Thema aufgrund aktueller Raumfahrtprojekte interessant, zum anderen hat Jacob Fryxelius das futuristische Szenario sehr ansehnlich und thematisch gut ausgearbeitet: Ein Wettlauf fiktiver Konzerne über mehrere Generationen mit kompetitivem Anspruch, bei dem bis auf die Eroberung alle Elemente der 4X-Strategie wie Aufbau, Ernte sowie Expanison auf einer hübsch designten Hexfeldkarte ineinander greifen. Die gemeinsame Umwandlung eines Planeten in den drei Bereichen Sauerstoff, Temperatur sowie Ozeane sorgt für authentisches Flair, während man seine Karten und Ressourcen möglichst effizient einsetzen und seine Städte sowie Grünanlagen geschickt platzieren muss. Es macht sogar Spaß, die wissenschaftlichen Kartentexte laut vorzulesen! So entsteht auch schnell eine angenehme Stimmung am Tisch. Vielleicht hätte man noch mehr Spieltiefe erreichen können, indem man spezielle Forschungen nach Zeitaltern oder Stufen staffelt. Aber selbst wenn der allerletzte Feinschliff fehlen mag, der großartige Strategie wie Dominant Species oder Through the Ages auszeichnet, kann ich Terraforming Mars nur wärmstens empfehlen!
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei bis vier Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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