Terraforming Mars (Brettspiel)21.10.2016, Jörg Luibl
Terraforming Mars (Brettspiel)

Special: Wettlauf um eine neue Erde

Gelingt es der Menschheit irgendwann auf dem Mars zu siedeln? Auf jeden Fall sorgen erste Landungen von Sonden und Satelliten in der Umlaufbahn für eine gefühlte Nähe. Wer das reale Raumfahrtprojekt fiktiv beschleunigen will, kann sich auf dem Tisch versuchen: Das Brettspiel Terraforming Mars von Jacob Fryxelius simuliert die ökologische Umwandlung des roten Planeten in eine zweite bewohnbare Erde.

Eine Aufgabe für Generationen

Wie lange würde es wohl dauern, den Mars bewohnbar zu machen? Tja, da können auch die Experten nur spekulieren, aber vermutlich müssten mehrere Generationen über hunderte Jahre daran arbeiten - und genau das simuliert dieses Brettspiel in jeder Runde. Ziel ist es, in der Rolle eines von siebzehn Konzernen dafür zu sorgen, dass Sauerstoff, Temperatur und Ozeane einen bestimmten Wert erreichen, der die Besiedlung ermöglicht und das Spielende auslöst. Zwar arbeiten bis zu fünf Konzerne gemeinsam im Auftrag der Erde, aber nur derjenige mit dem höchsten Terraformwert gewinnt das Spiel. Wer kann also am effizientesten die Atmosphäre beeinflussen?

Terraforming Mars ist komplett auf Deutsch bei Schwerkraft erschienen. Es kostet 60 Euro und ist für einen bis fünf Spieler ausgelegt.
Vor dem Spiel entscheidet man sich für einen von zwei zufällig gezogenen Konzernen. Sie unterscheiden sich zwar nur leicht hinsichtlich des Startkapitals, der anfänglichen Produktion sowie einer exklusiven Fähigkeit: Wer mit HELION unterwegs ist, darf Wärme auch als Geld einsetzen, wer mit THARSIS arbeitet, darf sein Einkommen bei jeder Stadtgründung erhöhen und wer mit ECOLINE spielt, muss nur sieben statt acht Pflanzen für eine Grünanlage bezahlen. Aber gerade in den ersten Runden sollte man diese Exklusivitäten nutzen und bei der Wahl aus zehn Handkarten findet man vielleicht optimale Verstärkungen. Man kann später auch seine komplette Strategie darauf ausrichten und sich auf Stadtbau, Energieproduktion oder Umwelt konzentrieren.

Der nackte Mars

In der Box stecken neben dem Spielpan des Mars über 200 Karten, Marker und Plättchen sowie 17 Konzernkarten.
Zu Beginn ist der Mars unbebaut, minus 30 Grad kalt, ohne ausreichend Sauerstoff und staubtrocken. Auf der hübsch illustrierten sowie authentisch beschrifteten Oberfläche erkennt man ein Hexfeldraster inklusive einem Äquator, wo man später die meisten Ozeane entstehen lassen und Pflanzen ernten kann. Hinzu kommen Symbole für Stahl, Titan oder Handkarten, dazu optionale Plätze für besondere Städte - sogar in der Umlaufbahn des Mars. Aber schon bald kann man eingreifen, denn man hat pro Zug zwei Aktionen. Entweder man wählt eine der sechs Standardaktionen für den Bau oder man spielt bzw. nutzt eine Handkarte.

In den ersten Zügen muss man gut haushalten, denn jede genutzte Aktion und jede ausgespielte Karte kostet Geld, von dem man noch nicht so viel hat. Wer einen Ozean, eine Grünfläche oder eine Stadt gründen will, zahlt zwischen 18 und 25 Megacredits. Außerdem erkennt man auf dem Spielertableau, dass der eigene Konzern noch recht bescheiden mit lediglich einem Punkt pro Runde in den sechs Bereichen Geld, Stahl, Titan, Pflanzen, Energie sowie Wärme produziert. Und genau hier kommen die Handkarten ins Spiel, mit denen man Gebäude, Forschung oder Ereignisse auslösen kann, die u.a. die Produktion erhöhen. Und je besser der Effekt, desto teurer sind sie.

Sauerstoff, Temperatur oder Ozeane?

Auf welchen Bereich konzentriert man sich? Am lukrativsten erscheinen Pflanzen und Energie, denn wer Grünflächen errichtet, erhöht den Sauerstoff, und wer Energie in Wärme umwandelt, erhöht die Temperatur auf dem Mars - für beides bekommt man die wichtigen Terraformpunkte. Außerdem erhält man sie für die Entstehung von Ozeanen, die auch durch Ereignisse wie Polschmelzen entstehen können. Und weil der Terraformwert auch gleichbedeutend ist mit dem Basiseinkommen an Geld für die nächste Runde, sollte man ihn in seinem Zug möglichst steigern. Denn mit Geld kann man irgendwann alles kaufen, während Stahl und Titan nur zusätzliche Bezahlmethoden für manche Gebäude oder Forschungen darstellen.

Da sammelt sich etwas an, wenn der Konzern expandiert.
Hinzu kommt eine geostrategische Komponente: Wer in der Nähe von Ozeanen baut, bekommt dafür Geld und wer Grünanlagen in der Nähe seiner Städte hat, bekommt am Ende für jede einzelne Siegpunkte - auch wenn das Gras von einem anderen Konzern gepflanzt wurde. Sprich: Wer als Erster viele Städte baut, kann das zu seinem Vorteil nutzen, weil irgendwann die Bauplätze fehlen. Aber es gibt auch interessante Möglichkeiten auf den Handkarten, die das ausgleichen können: Zum einen gibt es lukrative Produktionsboni und einmalige Siegpunkte, wenn man z.B. Asteroidenbergbau einsetzt. Zum anderen gibt es kumulative Siegpunkte, die am Ende z.B. jeden Ozean um eine Stadt, jedes Jupitersymbol auf einer Karte oder jedes Tier in einem Naturschutzgebiet belohnen.

200 Karten von Atomkraft bis Tierzucht

Wer hat am cleversten Städte, Grünflächen und Ozeane ausgelegt?
Innerhalb der über zweihundert Karten, von denen man jede Runde maximal vier gegen Bezahlung ziehen darf, gibt es eine Fülle an einmaligen und kombinierbaren Möglichkeiten von eher aggressiver Atomkraft oder unterirdischen Detonationen bis hin zu Züchtung von Mikroben oder Tieren. Damit soll die Forschung der Konzerne symbolisiert werden. Alle bedienen sich dabei allerdings von einem Stapel: Schade ist, dass so natürlich viel dem Zufall überlassen ist, so dass man manche Kartenkombos gar nicht erhält, obwohl man sich vielleicht darauf spezialisieren will. Dem kann man über eine Zusatzregel zumindest etwas entgegen wirken, indem man das Draften einsetzt, bei dem die Karten ähnlich wie in 7 Wonders herumgereicht werden.

Da es kein Handkartenlimit gibt, hat man andererseits auch viel Auswahl. Nur reicht meist ein Blick auf den Preis der Karte, um den besten Terraformertrag für sich zu erzielen, so dass man eine wirklich thematische Entwicklung seines Konzerns immer mehr ignoriert. Befriedigender wäre es gewesen, dass man auf bestimmte Karten erst dann Zugriff bekommt, wenn man ein Zeitalter erreicht oder entsprechend geforscht hat - das wird immerhin im Ansatz durch die Symbole erreicht, die für manche Aktionen erfordlich sind. Außerdem kann es sich lohnen, gleich zu Beginn in Karten zu investieren, die aufgrund des Klimas oder des Preises noch nicht sinnvoll erscheinen.

Man kann auch für Leben auf dem Mars sorgen und Siegpunkte durch Tierzucht erzielen.
Dieses Horten von Handkarten wird sogar mit Sondersiegpunkten belohnt, die man für das Beanspruchen von Meilensteinen erreicht: Wer als Erster drei Städte oder Grünlagen, acht Gebäude, sechzehn Handkarten oder einen Terraformwert von 35 vorweisen kann, bekommt fünf Siegpunkte. Diese Meilensteine sorgen zusammen mit den Auszeichnungen für zusätzliche Motivation, in einem Bereich wirklich führend zu sein. Letztere werden am Ende für die höchste Produktion von Geld, Wärme, Stahl und Titan sowie die meisten Plättchen im Spiel vergeben.

Sehr schön ist übrigens, dass es mit "Zeitalter der Konzerne" nicht nur eine Variante für Fortgeschrittene gibt, bei der man mit weniger Produktion startet und auf exklusive Konzern- sowie Handkarten zurückgreift. Dort steht nicht das Terraforming, sondern Wirtschaft und Forschung im Vordergrund. Hinzu kommt eine Variante für Solisten, die man inkl. neutraler Städte nur vierzehn Runden für eine Highscore spielt - auch das macht Laune.

Was gefällt nicht so gut?

Zunächst der Kleinkram: In der insgesamt guten deutschen Anleitung fehlen mir manchmal mehr Beispiele wie z.B. zur Anzahl der eigenen Aktionen: Man kann die Phase missverstehen und meinen, dass man nur eine oder zwei Aktionen pro Generation hat - das ist aber falsch und würde in der Praxis für extremen Überfluss sorgen. Denn erst wenn alle passen, endet eine Generation, so dass man theoretisch so lange bauen und forschen kann wie man Geld bzw. Rohstoffe dafür hat - das wurde mir erst über die Online-FAQ ganz klar. Schade ist, dass die Bronzefarbe auf den Ecken der Steinchen so schnell abblättert. Außerdem hätte man die numerischen Werte auf den Spielertableaus vielleicht vertiefen können, damit die leichten Steine darauf nicht so schnell verwackeln.

Gegen Ende des Spiels hat man zig Gebäude gebaut, Forschungen betrieben und Ereignisse ausgepielt.
Inhaltlich fehlt mir lediglich die angesprochene Entwicklung im Kartenstapel: Man hätte  über thematische Stapel oder freigeschaltete Forschung vielleicht mehr Spieltiefe rausholen könnne. Vielleicht hätte man auch eine Regulierung durch marsianische Zeitalter schaffen können, an die auch Forschung, Projekte & Co gekoppelt sind wie etwa in Through the Ages. Aber das ist im Rahmen dieses tollen Spiels nur Kritik auf hohem Niveau.

Fazit

Dass Terraforming Mars auf der SPIEL'16 in Essen schnell vergriffen war, ist kein Wunder. Zum einen ist das Thema aufgrund aktueller Raumfahrtprojekte interessant, zum anderen hat Jacob Fryxelius das futuristische Szenario sehr ansehnlich und thematisch gut ausgearbeitet: Ein Wettlauf fiktiver Konzerne über mehrere Generationen mit kompetitivem Anspruch, bei dem bis auf die Eroberung alle Elemente der 4X-Strategie wie Aufbau, Ernte sowie Expanison auf einer hübsch designten Hexfeldkarte ineinander greifen. Die gemeinsame Umwandlung eines Planeten in den drei Bereichen Sauerstoff, Temperatur sowie Ozeane sorgt für authentisches Flair, während man seine Karten und Ressourcen möglichst effizient einsetzen und seine Städte sowie Grünanlagen geschickt platzieren muss. Es macht sogar Spaß, die wissenschaftlichen Kartentexte laut vorzulesen! So entsteht auch schnell eine angenehme Stimmung am Tisch. Vielleicht hätte man noch mehr Spieltiefe erreichen können, indem man spezielle Forschungen nach Zeitaltern oder Stufen staffelt. Aber selbst wenn der allerletzte Feinschliff fehlen mag, der großartige Strategie wie Dominant Species oder Through the Ages auszeichnet, kann ich Terraforming Mars nur wärmstens empfehlen!

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei bis vier Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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