Ein Fest für Odin13.01.2017, Jörg Luibl
Ein Fest für Odin

Special: Wikinger im Wettstreit

Uwe Rosenberg gehört seit Jahren nicht nur zu den besten, sondern auch fleißigsten deutschen Spiele-Autoren. Das geniale Agricola führt immer noch unsere Top 20 der besten Brettspiele an, hinzu kamen Die Glasstraße sowie kürzlich Arler Erde und Patchwork. Schon auf der SPIEL'16 in Essen hat uns auch Ein Fest für Odin richtig gut gefallen. Was steckt hinter dem altnordischen Thema? Wir konnten endlich ausführlicher Wikinger spielen.

Dorfidylle und Aufbauklassik

Noch zeigt der Heimatplan ein stilles Dörfchen mit Methalle, Thingplatz und Hafen, in dem ein paar Wikinger auf Aufträge warten. Die Ställe sind leer, Boote fehlen und von Schätzen ist auch noch keine Spur. Aber sobald man die ersten von über sechzig möglichen Aktionen im Wechsel mit seinen Kontrahenten ausführt, entwickeln sich die Dörfer. Holz, Stein und Erz werden abgebaut, Schafe und Rinder gezüchtet, Bohnen, Getreide und Kohl gelagert und im Hafen docken bis zu drei Schiffstypen an - vom Walfänger über den Knorr bis zum Langboot.

Ein Fest für Odin ist bei Feuerland komplett auf Deutsch erschienen. Die für einen bis vier Spieler ausgelegte Aufbautaktik kostet knapp 70 Euro.
Wie in vielen anderen Arbeitersetzspielen entwickelt sich aus der Idylle mit wenig Ressourcen ein immer geschäftigeres Treiben, bei dem man strategische Schwerpunkte setzen sollte: Will man sich zunächst auf sein Dorf und die Tierzucht und sowie Gebäude konzentrieren? Erntet man zunächst Holz, Stein und Erz von den Bergen oder jagt man Wild? Soll man so früh wie möglich zur See fahren? Baut man lieber viele kleine Walfangboote oder setzt man auf die Entdeckung von entlegenen Inseln wie die Shetlands, Island oder Grönland, die man dann wie seinen Heimatplan belegen darf?

Agricola und Arler Erde lassen grüßen

Satte drei Kilo Spielmaterial stecken in der Box. Sehr hilfreich: Die zwei mitgelieferten Plastikbehälter sorgen für eine Vorsortierung der Waren. Sehr vorbildlich: Es gibt mit Regelwerk, Anhang und Almanach ausführliche Lektüre, die auch eine historische Einführung in das Thema bietet.
Natürlich hat alles seinen Preis und man muss die nötigen Rohstoffe und Waren erst einmal besitzen; nicht zu vergessen die Versorgung der eigenen Wikinger nach der Ernte. Zudem kann man seine Leute mit zufällig gezogenen Karten ausbilden und damit einmalige, bedingte oder permanente Boni freischalten: So kann man lukrativer tauschen, züchten, bauen, ernten oder jagen. Wer am Ende den wertvollsten Besitz aus Waren und Land vorweisen kann, gewinnt.

All das klingt nach vertrauten Elementen, nach dem Klassiker Agricola und angesichts des üppigen Aktionsplans mit exklusiven Manövern auch an Arler Erde - fast wie ein Best-of Uwe Rosenberg mit neuer Expansion auf Inseln.

Und genauso souverän wirkt das Spieldesign in seinen klassischen Mechaniken. Zwar muss man die Fülle an Möglichkeiten ersteinmal verinnerlichen, aber diese sind clever verzahnt und werden vom Regelwerk vorbildlich erklärt.

Es gibt zudem einige Zugdetails, die das Platzieren von Wikingern angenehm variabel gestalten, darunter die Möglichkeit, nicht nur einen, sondern gleich zwei, drei oder vier Wikinger für entsprechend effizientere Aktionen einzusetzen. Und weil diese dann exklusiv besetzt sind, entsteht gerade im Spiel zu dritt oder viert auch ein Wettrennen um den besten Zeitpunkt für die mächtigste Aktion. Zwar ist die Tierzucht sowie Versorgung der eigenen Leute nach der Ernte nicht ganz so entscheidend und knifflig wie in Agricola, aber schon dort kommt ein frischer Impuls zum Tragen, der in der Expansion noch wichtiger wird: Man legt die gesammelte Nahrung in der Leiste aus, bis sie voll ist.

Sammel- und Puzzlecharme

Denn das Einzigartige an diesem Aufbauspiel ist der neue Sammel- und Puzzlecharme, so dass etwas Legetaktik vonnöten ist. Das sorgt für frische Impulse, die auch Kenner angenehm überraschen dürften. Ähnlich wie im kleinen Zweipersonenspiel Patchwork muss man die geometrische Form seiner Waren und Schätze beachten, wenn man diese auf seinen Spielplänen platziert - das fühlt sich fast ein wenig nach Tetris an, wenn man den erbeuteten Halsring oder die Krone dreht und wendet, damit sie passt. Was bringt das optimale Platzieren? Bei einer Umrahmung entweder das abgebildete Silber oder die

Jeder startet mit einem Heimatplan, der das Dorf darstellt. Links erkennt man die vielen Minuspunkte im Raster, die es mit Waren oder Schätzen abzudecken gilt.
Waren und - was noch wichtiger ist: man muss die bösen Minuspunkte abdecken. Wer besser sammelt und auslegt, bekommt sofort mehr Einkommen und am Ende auch mehr Siegunkte - eine tolle Wechselwirkung!

Das Motivierende und auf lange Sicht angenehm Taktische dabei ist, dass man nicht wild alles legen darf: Schon auf seinem Heimatplan sowie angedockten Gebäuden muss man Regeln hinsichtlich der Farben und Flächen beachten, denn man darf nicht alles aneinander oder überall platzieren. Und beim Kaufen, Jagen oder Plündern sollte man schauen, was man als Beute bekommt und ob diese passt. Auch das Entdecken neuer Inseln zwingt zum cleveren Abdecken der darauf abgebildeten Minuspunkte.

Eroberungen und Beutezüge

Man setzt seine Wikinger auf eine der möglichen Aktionen - die Auswahl ist enorm.
Es gibt bei der Expansion oder Plünderung keinerlei geostrategische oder kämpferische  Komponente: Wer als Erster eine Insel wie Island entdeckt, weil er ein Schiff dorthin schickt, darf sie an seinen Plan andocken und hat sie dann quasi auf ewig sicher - so entsteht eher ein Wettrennen um die lukrativsten der verfügbaren Eilande, die übrigens erst im Laufe des Spiels aufgedeckt werden. Und nur wer diese konsequent besiedelt, indem er seine Waren dort auf die Minuspunkte auslegt, wird am Ende wirklich etwas davon haben.

Neben diesen Eroberungen sowie der Legetaktik sorgen die Würfelaspekte für frischen Wind: Nicht nur beim Jagen von Wild und Walen, auch beim Plündern wird ein einfaches, aber durchdachte Prinzip mit einem acht- sowie zwölfseitigen Würfel angewandt. Wer seine Männer und Schiffe im Vorfeld besser bewaffnet, steigert seine Erfolgschancen, wobei man mal möglichst niedrig, mal hoch würfeln muss. Schön ist, dass es auch beim Scheitern noch einige Waren, Waffen oder Boni geben kann, so dass der Einsatz nicht ganz umsonst war.

Drei Kilo Wikinger

Dass hier keine Sackgassen oder ein Plättchenchaos, sondern ein höchst dynamischer Spielfluss entsteht, liegt auch an den vielen möglichen Tauschaktionen sowie am cleveren Wendeprinzip: Egal ob Nahrung, Tiere oder Ausrüstung - alles lässt sich aufwerten oder weiter entwickeln, so dass man immer wieder grübelt: Was sollte ich wie umwandeln, damit es mir die meisten Siegpunkte bringt?

Die beiden Sortierboxen sind hilfreich.
Satte drei Kilo Material stecken in der Box, um die ganze Vielfalt der Wikingerzeit abzubilden: Man handelt mit über 30 Waren von Fell über Met bis Leinen. Es gibt zig Karten natürlich Schiffe, Berge, Gebäude. Hat man alles ausgestanzt, ist der Tisch ein kunterbuntes Tohuwabohu an beidseitig bedruckten, angenehm stabilen Plättchen. Sehr vorbildlich angesichts dieser Fülle: Es gibt zwei Warenkästen mit mehreren Fächern, die man in der Tischmitte platzieren kann - dort wird alles schön sortiert, ist bequem greifbar und man hat auch die mögliche Aufwertung stets im Blick.

Was gefällt nicht so gut?

Der Eroberungsaspekt bietet zwar neue Möglichkeiten, aber das Potenzial wird angesichts des Themas rund um die See fahrenden Wikinger vielleicht nicht ganz ausgeschöpft: Die Expansion hätte früher stattfinden, geostrategisch eingebunden und noch besser belohnt werden können. Erst ab drei oder vier Spielern wurde es richtig spannend, weil einfach mehr um die Inseln gewetteifert wurde. Man kann auch zu zweit seinen Spaß haben, aber falls ihr ein episches Spiel für euch und einen Partner sucht, würde ich eher Arler Erde empfehlen, weil es direkt darauf zugeschnitten ist und aufgrund weniger möglicher Aktionen den besseren kompetitiven Rhythmus bietet.

Auch die lukrative Beute wird als geometrische Form ausgelegt.
Last but not least kann der Zufallsaspekt innerhalb der Ausbildungen manchmal nerven, wenn man diese gar nicht gebrauchen kann. Vielleicht hätte eine besser planbare Karriere - ähnlich der Forschung in Eclipse - auch für mehr strategische Tiefe gesorgt. Aber das sind eher Weiterentwicklungsgedanken als starke Kritikpunkte in diesem ansonsten vorbildlich verzahnten Spiel, das in seinem Regelwerk auch eine interessante Solovariante anbietet.

Fazit

Ein Fest für Odin ist ein angenehm vielfältiges Aufbauspiel, das sich zunächst so anfühlt wie ein Best-of Uwe Rosenberg: Man erkennt recht schnell die klassischen Workerplacement-Tugenden und während man mit seinen Wikingern expandiert, weht sowohl ein Hauch von Agricola als auch Arler Erde über den kunterbunt bedeckten Tisch mit seinen Dörfern, Inseln und Schätzen. Aber dann wird man von den an Patchwork erinnernden Sammel- und Puzzlemechaniken überrascht. Diese Mischung aus Aufbau, Entwicklung sowie Puzzleflair, wenn man Flächen fast à la Tetris mit Beutestücken füllt, dürfte auch unter Kennern von Rosenberg für ein frisches Spielgefühl sorgen. Die vielen Aktionen von der Jagd bis zum Beutezug sowie die wichtigen Umwandlungen und Eroberungen erlauben mehrere erfolgreiche Wege zum Sieg, so dass man sein Dorf auch nach mehreren Sitzungen noch anders entwickeln kann. Die interessante Expansion auf die Inseln lässt angesichts des Themas vielleicht etwas Potenzial liegen und man erreicht zu zweit nicht ganz den spannenden Rhythmus eines Arler Erde. Aber das sind nur kleine Schwächen in einem klasse designten und üppig ausgestatteten Spiel, das innerhalb der Vita des Autors vor allem mit seiner Vielfalt sowie kreativer Legetaktik besticht.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

Weitere Brettspieltests im Archiv!

 
0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.